Der 29-jährige Hafiz aus Afghanistan sitzt auf einer Bank und video-telefoniert mit seiner Familie.
Der 29-jährige Hafiz aus Afghanistan sitzt auf einer Bank und video-telefoniert mit seiner Familie.
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Hafiz ist aus Afghanistan nach Bayern geflüchtet. Er hat seine Frau und Kinder seit drei Jahren nicht gesehen. Der Plan: Sie sollen nachkommen.
Bildrechte: Katrin Bohlmann/BR
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Hafiz ist aus Afghanistan nach Bayern geflüchtet. Er hat seine Frau und Kinder seit drei Jahren nicht gesehen. Der Plan: Sie sollen nachkommen.

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Familiennachzug für Geflüchtete ausgesetzt: Kritik und Zuspruch

Familiennachzug für Geflüchtete ausgesetzt: Kritik und Zuspruch

Rund 84.000 Geflüchtete leben laut Innenministerium aktuell in Bayern. Nun soll der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte vorerst ausgesetzt werden. Das hat der Bundestag entschieden. Die Reaktionen darauf fallen ganz unterschiedlich aus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Informationen am Nachmittag am .

Hafiz hat seine Familie seit drei Jahren nicht gesehen. Er kommt aus Afghanistan. Als die Taliban wieder an die Macht kamen, ist er geflüchtet. Der 29-Jährige ist in Bayern gelandet: Nach Augsburg und München lebt er nun in Dorfen (Landkreis Erding). Er hat einen Sprachkurs absolviert, arbeitet in einer Bäckerei und hat zusätzlich einen Minijob als Reinigungskraft. Seinen Aufenthaltstitel hat er bereits und eine eigene Wohnung.

Hafiz hat seine Familie seit drei Jahren nicht mehr gesehen

Jetzt fehlen nur noch seine Liebsten: seine Frau und die drei Söhne: zwölf, acht und vier Jahre alt. Sie hängen im Iran fest, wohin sie gemeinsam geflüchtet sind. Der junge Afghane musste sie dort zurücklassen, da die weitere Flucht für seine Familie zu schwierig gewesen wäre, erzählt Hafiz. Sie sollen nachkommen. Aber die afghanische Botschaft in Teheran ist wegen des Krieges zu.

Er hat Angst um seine Familie im Iran. Sie schreiben sich Nachrichten, telefonieren. Die Kinder fragen immer wieder: "Papa, wann kommst Du?" Hafiz sagt uns: "Es ist sehr schwer. Ich verstehe nicht, was soll ich machen?" Er leidet unter der Trennung, erzählt sein Flüchtlingshelfer Franz Leutner aus Dorfen. "Wir müssen uns im Augenblick sehr intensiv um ihn kümmern, damit er uns nicht zusammenbricht."

Hafiz hat Deutsch gelernt, arbeitet, hat eine Wohnung für seine Familie

Hafiz sei so gut integriert, sagt Franz Leutner. Der junge Afghane ist nicht direkt von den Plänen der Bundesregierung betroffen, weil er kein subsidiär Schutzberechtigter ist. Zur Erklärung: Der subsidiäre Schutz greift ein, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland nachweislich Verfolgung oder Tod droht. Aber das neue Gesetz könnte auch Auswirkungen auf den Familiennachzug von Hafiz haben.

Flüchtlingshelfer Franz Leutner wünscht sich mehr Menschlichkeit von der Bundesregierung. "Es ist einfach tragisch."

Diakonie kritisiert Aussetzen des Familiennachzugs: "Reine Symbolpolitik"

In Bayern leben laut Innenministerium 36.325 subsidiäre Schutzberechtigte. Der Familiennachzug für diese Gruppe ist schon jetzt begrenzt mit bundesweit 12.000 Personen im Jahr. Es geht um die engsten Familienmitglieder: Ehepartner und Kinder.

Das neue Aussetzen des Familiennachzugs sei fatal, kritisiert die Diakonie München und Oberbayern. Sie berät aktuell 8.000 Geflüchtete. Einer der letzten legalen Wege falle so weg. "Reine Symbolpolitik", sagt Sarah Weiss von der Diakonie. Die Juristin sieht das neue Gesetz auch hinsichtlich der Europäischen Menschenrechtskonvention kritisch, da die das Recht auf Familienleben schützt.

Die Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl kündigte an, juristisch gegen die vom Bundestag beschlossene Aussetzung des Familiennachzugs vorzugehen.

Bayerischer Flüchtlingsrat: Familiennachzug sorgt für Stabilität und Integration

Erschüttert zeigt sich Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Die Zusammenführung von Familien sei wichtig für die Stabilität und Integration der geflüchteten Menschen. "Wenn ich weiß, meine Liebsten sind in Gefahr und ich kann nichts tun, dann kann ich keine Sprache lernen, keinen Job, keine Ausbildung aufnehmen." Die Ungewissheit und das lange Warten sei eine psychische Belastung.

Aschaffenburgs OB Herzing: "Ich hätte es nicht gebraucht"

Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) bedauert die neue Regelung. Für Aschaffenburg, das die überschaubare Zahl von gut 1.300 Geflüchteten beherbergt, bringe sie keine spürbaren Veränderungen: "Ich hätte es nicht gebraucht", sagt er. Allerdings habe die neue Regelung eine "große Auswirkung" auf die Geflüchteten, und "die tun mir dann schon ein bisschen leid", sagte Herzing im BR-Interview.

Bayerischer Städtetag: Kommunen müssen entlastet werden

Der Bayerische Städtetag begrüßt dagegen eine Aussetzung des Familiennachzugs. "Vor allem in Ballungszentren gibt es oft das Problem, dass eine fünf- oder siebenköpfige Familie vor dem Rathaus steht und eine Wohnung braucht", sagt Städtetagsprecher Achim Sing. Es fehle einfach an Wohnungen, Kita- und Schulplätzen sowie Angeboten für Integrationskurse.

Der junge Familienvater Hafiz in Dorfen ist verzweifelt, hofft aber weiter, dass seine Familie irgendwann zu ihm kommen kann. Seine Wohnung ist groß genug. "Ich wünsche mir nur meine Familie, mehr nicht", sagt Hafiz. Er nimmt sein Handy und schaut sich Fotos seiner Frau und Kinder an.

Im Video: Streit um Familiennachzug

Die SPD hat heute einem weiteren verschärften Migrations-Gesetz von Innenminister Dobrindt zugestimmt. Der will für die nächsten zwei Jahre den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz-Status kippen.
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Die SPD hat heute einem weiteren verschärften Migrations-Gesetz von Innenminister Dobrindt zugestimmt - ein kompromiss. Das sorgt für Streit.

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