Der Bundestag hat mit großer Mehrheit einer Aussetzung des Familiennachzugs bei Geflüchteten ohne Asylstatus für zwei Jahre zugestimmt. Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) betrifft die Angehörigen von Menschen, die ohne anerkannten Asylstatus in Deutschland leben. Sie sollen künftig nur noch in Ausnahmefällen nach Deutschland kommen dürfen. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, in das Aufenthaltsgesetz neben der Steuerung wieder das Ziel einer Begrenzung der Zuwanderung aufzunehmen.
Die Vorlage wurde nach einer streckenweise emotional geführten Debatte mit 444 Ja-Stimmen zu 135 Nein-Stimmen angenommen. Viele Abgeordnete blieben der Abstimmung fern: Von 630 gaben nur 579 ihr Votum ab. Die AfD hatte vorab angekündigt, dem Entwurf der schwarz-roten Koalition zuzustimmen.
Nur noch in Härtefällen soll ein Nachzug möglich sein
Betroffen von der Aussetzung sind Familienangehörige von sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Dies sind Personen, die in Deutschland weder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention noch als Asylberechtigte anerkannt wurden, aber aus anderen Gründen bleiben dürfen. Dies ist der Fall, wenn ihnen im Heimatland etwa Folter oder die Todesstrafe drohen. Betroffen sind häufig Bürgerkriegsflüchtlinge, vor allem aus Syrien.
Der Nachzug für subsidiär Schutzberechtigte war – anders als für andere anerkannte Flüchtlinge – seit 2018 schon auf 1.000 Angehörige pro Monat beschränkt gewesen. Künftig sollen subsidiär Schutzberechtigte nur noch in besonderen Härtefällen Ehepartner, minderjährige Kinder und im Fall unbegleiteter Minderjähriger die Eltern nachholen dürfen.
Dobrindt: Zuzugs-Begrenzung ist "Auftrag der Legislaturperiode"
Bundesinnenminister Dobrindt, dessen Rede von zahlreichen Zwischenrufen begleitet wurde, machte deutlich, dass es bei der Maßnahme darum gehe, den Zuzug nach Deutschland gleichermaßen zu steuern und zu begrenzen. "Das ist der Auftrag für diese Legislaturperiode", fügte er hinzu. Das Vorhaben setze die "migrationspolitische Überschrift" für diese Legislaturperiode. Die irreguläre Migration müsse reduziert werden.
Die Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik müssten entlastet werden, so Dobrindt. Die Belastbarkeit des Sozial-, Bildungs- und Betreuungssystems sowie des Wohnungsmarkts kenne eine Grenze, deswegen müsse auch der Zuzug begrenzt werden. Eine Familienzusammenführung in Härtefällen bleibe möglich, betonte der Minister.
Die SPD stimmt widerstrebend für einen Kompromiss
Die SPD stimmte dem Gesetz eher widerstrebend zu. "Ich weiß, dass es vielen von uns sehr schwer fällt", sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD). Die Aussetzung des Familiennachzugs sei ein Kompromiss innerhalb der Regierungskoalition.
Man müsse endlich wegkommen, von der "Negativdebatte" über Migration, so Pawlik. Schließlich biete diese auch Chancen für die deutsche Gesellschaft. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Fiedler, räumte ein, die Aussetzung des Familiennachzugs sei "ein Thema, das sich die SPD so nicht ausgedacht hätte".
AfD: "Klitzekleiner Schritt in die richtige Richtung"
Die AfD bezeichnete das Gesetzesvorhaben der Koalition als einen "klitzekleinen Schritt in die richtige Richtung", den sie deshalb unterstütze. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Bernd Baumann, sagte, Dobrindt habe Ideen der AfD übernommen.
Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, erklärte hingegen, die Koalition betreibe eine "menschenfeindliche Abschreckungspolitik". Die Aussetzung des Familiennachzugs sei "unbarmherzig", kritisierte auch der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich. Ohne ihre Familien fehle Geflüchteten der emotionale Rückhalt, der für eine erfolgreiche Integration nötig sei. Es handele sich um einen "integrationspolitischen Irrweg".
Pro Asyl will rechtliche Schritte prüfen
Scharfe Kritik an der Aussetzung kam auch von Kirchen, Sozialverbänden und Menschenrechtsorganisationen, die unter anderem das Recht auf den Schutz von Ehe und Familie verletzt sehen. "Es ist ein Gebot der Nächstenliebe, dass alle Menschen, gerade auch Geflüchtete und subsidiär Schutzberechtigte, nicht über Jahre hinweg von ihren engsten Angehörigen getrennt bleiben", sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, dem "Tagesspiegel".
Pro Asyl verwies darauf, dass einige der Betroffenen schon seit Jahren auf eine Einreise ihrer Angehörigen warteten. Organisation kündigte an, sie werde rechtliche Schritte prüfen "und wenn nötig die Betroffenen darin unterstützen, gegen Rechtsverletzungen zu klagen".
Mit Informationen von dpa, AFP und epd.
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