Mit Überraschung und Unverständnis haben die betroffenen Kommunen die Streichung von Mitteln aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben!" zur Kenntnis genommen. Das Bundesfamilienministerium hatte mitgeteilt, dass viele Kommunen ab der Förderperiode 2025 keine Mittel mehr aus dem Programm erhalten.
In Franken sind laut der Allianz gegen Rechtsextremismus die Städte Bamberg, Bayreuth und Nürnberg sowie die Landkreise Bamberg, Bayreuth und Haßberge betroffen. Auch der Stadt Würzburg wurde ohne weitere Begründung eine Absage erteilt.
Viele Projekte stehen auf der Kippe
Bei Esther Gratz vom Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad (Landkreis Wunsiedel) steht in diesen Tagen das Telefon nicht mehr still. Zu groß ist die Aufregung um die jüngste Hiobsbotschaft. Gratz ist mitverantwortlich für die geförderten Demokratieprojekte der Stadt Bamberg. Mehr als 150 Projekte, darunter Filmvorführungen, Vorträge und Konzerte zu Themen wie Rassismus, Sexismus und Extremismus, wurden seit 2019 umgesetzt - vielen droht nun das Aus. "Das hat uns völlig überrascht", sagt sie. Über Jahre seien "wertvolle Strukturen" im Raum Bamberg aufgebaut worden, die nun wegzubrechen drohen.
"Empowerment-Programm in der Region"
In diesem Jahr wurden noch Fördermittel in Höhe von fast 210.000 Euro genehmigt. Das Bundesprogramm "Demokratie leben!" sei aber nicht "nur" ein Förderprogramm, das Geld liefert, so Gratz, sondern auch "ein identitätsstiftendes Empowerment-Programm in der Region. Menschen aller politischen Couleur, die sich für ein freiheitlich-demokratisches Miteinander, für die Stärkung der Demokratie, der Gestaltung von Vielfalt und der Prävention von Extremismus einsetzen wollen, finden hier Anschluss, Ansprache und Vernetzung." Das alles falle nun weg. "Besser kann man intrinsisch motivierte, engagierte Menschen kaum demotivieren", so das bittere Fazit von Esther Gratz.
Bambergs OB Starke: "Fatales Signal"
Auch Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und Zweiter Bürgermeister Jonas Glüsenkamp (Bündnis 90/Die Grünen) kritisieren die geplante Streichung der Fördermittel. In einer Mitteilung der Stadt Bamberg fordern sie die Fortführung der Unterstützung ein: "Die Streichung der Förderung sendet ein fatales Signal. Gerade in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt vielerorts bröckelt und die Demokratie Gefahr läuft, geschwächt zu werden, ist das Bundesprogramm 'Demokratie leben!' mehr als wichtig."
Kommunen können Projekte nicht auffangen
Auch die Stadt Nürnberg beklagt, man sei zehn Wochen vor Auslaufen des Programms völlig unerwartet mit dieser Nachricht konfrontiert worden. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) schreibt: "Diese Entscheidung gefährdet die lokalen Strukturen, auf denen eine starke und widerstandsfähige Demokratie ruht – und das in einer Zeit, in der wir diese Strukturen dringender denn je benötigen."
Der Vorsitzende der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, Stephan Doll, sagte, es sei "unfassbar". Dank der Förderung hätten bisher unzählige Projekte für Demokratie und Vielfalt sowie gegen Rechtsextremismus und Rassismus vor Ort gefördert werden können. "Ohne diese Finanzierung werden diese von den betroffenen Kommunen nicht aufzufangen sein."
Bei der Stadt Nürnberg ist das Menschenrechtsbüro federführend in Sachen Demokratieprojekte. Leiterin Martina Mittenhuber zeigte sich schockiert: "Gerade in Zeiten, in denen wir aus allen Ecken hören, die Zivilgesellschaft solle sich mehr für Demokratie engagieren, konterkariert ein solcher Bescheid natürlich all das, was wir uns in den vergangenen Jahren aufgebaut haben."
Vorzeige-Projekte vor dem Aus
Knapp 130.000 Euro Fördermittel gab es noch in diesem Jahr. Zum Beispiel für Theaterprojekte von Irfan Taufik, einem Theatermacher aus dem Irak mit Fluchthintergrund. "Er hat die alteingesessenen, am Theater interessierten Nürnbergerinnen und Nürnberger zusammengebracht mit Menschen mit Fluchtgeschichte", erzählt Martina Mittenhuber. Die Theaterprojekte seien immer sehr gut angenommen worden, "aber sie konnten sich natürlich nie selber tragen, und ich befürchte, dass gerade so ein Projekt immense Schwierigkeiten haben wird, zu überleben."
Martina Mittenhuber und ihre Mitstreiter wollen allerdings noch nicht aufgeben. In einem gemeinsamen Brief wollen sich die betroffenen bayerischen Kommunen an den Bund wenden und für ihre Demokratie-Projekte kämpfen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!