Ein Arzt ist im Prozess um den Tod einer Kelheimer Krankenschwester vom Landgericht Regensburg freigesprochen worden. Die Richter sahen den Vorwurf des Aussetzens mit Todesfolge nicht als erwiesen an und folgten damit dem Plädoyer der Verteidigung. Die Anklage hatte dem ehemaligen Oberarzt vorgeworfen, der Frau Ende 2021 wegen einer Migräneattacke während ihrer Schicht die Narkosemittel Propofol und Ketamin verabreicht zu haben.
Indizien reichten dem Gericht nicht
Der Freispruch kam nach der Beweisaufnahme für Prozessbeobachter nicht überraschend. Zu dünn schien die Beweislage zu sein. Am Ende reichten dem Gericht die von der Staatsanwaltschaft aufgeführten Indizien gegen den 50-Jährigen nicht. Die Anklage hatte sich vor allem auf ein Telefonat gestützt, von dem ein Zeuge berichtet hatte.
In diesem soll der Mediziner ein vermeintliches Geständnis abgelegt haben. Der vom Angeklagten angerufene ehemalige Kollege konnte sich im Zeugenstand aber nicht daran erinnern, was ihm der Oberarzt genau gesagt hatte und ob dieser tatsächlich zugegeben hatte, der Krankenschwester ein Narkosemittel gespritzt zu haben.
Wer hatte der Krankenschwester Narkosemittel gespritzt?
Die Staatsanwaltschaft führte zwar noch ins Feld, dass der Angerufene anderen Zeugen vom Telefonat berichtet hatte. Diese hatten gegenüber der Polizei ausgesagt, dass laut Bericht des Angerufenen auch der Name des Medikaments Propofol während des Telefonats gefallen sein soll. Dem Gericht reichten diese Zeugen, die nur vom Hörensagen vom Inhalt des Gesprächs wissen konnten, aber nicht, um den Arzt zu verurteilen.
Wer die tödlichen Medikamente letztendlich gespritzt hat, bleibt nun weiter unklar. Ob es möglicherweise eine Kollegin oder die Krankenschwester selbst war, konnte der Prozess nicht klären. Fest steht allerdings, dass die 23-Jährige vor ihrem Tod mindestens eineinhalb Jahre lang regelmäßig Propofol missbräuchlich konsumiert hatte. Das ist das Ergebnis einer toxikologischen Haaranalyse. Am Tag ihres Todes hatte sie außerdem weitere Medikamente, darunter starke Schmerzmittel im Blut.
Kollegin der Krankenschwester verweigerte Aussage
Ihr damaliger Lebensgefährte hatte zudem berichtet, dass die 23-Jährige eine Woche vor ihrem Tod apathisch gewesen und nicht mehr in der Lage gewesen sei einen Lichtschalter zu betätigen. Am nächsten Tag habe sie ihm erklärt, dass ihr eine Kollegin in der Arbeit Propofol verabreicht habe. Die Kollegin soll der Krankenschwester auch in der Nacht ihres Todes einen intravenösen Zugang gelegt haben. Im Prozess verweigerte sie die Aussage.
Personal legte sich öfters gegenseitig intravenöse Zugänge
Insgesamt wirft das Urteil auch ein schlechtes Licht auf die Kelheimer Klinik, die damals noch den Namen Goldberg-Klinik trug. Zeugen hatten ausgesagt, dass das Mittel Propofol für das Personal frei zugänglich war. Zeugenaussagen haben außerdem gezeigt, dass es unter den Mitarbeitern im Kelheimer Kreiskrankenhaus üblich bis normal war, sich gegenseitig intravenöse Zugänge zu legen. Ärzte und die Klinikleitung schritten aber wohl nicht ein.
BR-Reporterin Corinna Ballweg berichtet aus dem Landgericht Regensburg
Prozess erregt große Aufmerksamkeit
Der angeklagte Arzt nahm den Freispruch genauso erleichtert zur Kenntnis wie seine Frau. Diese hatte den Prozess durchgehend als offizieller Beistand zusammen mit ihm auf der Anklagebank verfolgt. Dem Verteidiger ihres Mannes hatte sie immer wieder Anmerkungen und Hinweise auf kleinen gelben Zetteln gereicht, um ihn zu unterstützten. Insgesamt hatte der Prozess an allen Verhandlungstagen viele Zuschauer angezogen.
Im Zuschauerraum bildeten sich regelmäßig zwei Blöcke. Der eine unterstützte den Arzt, der andere den als Nebenkläger auftretenden Vater der jungen Frau. Zur Urteilsverkündung musste der Zuschauerraum geschlossen werden. Zahlreiche Zuschauer mussten vor dem Gerichtssaal auf die Entscheidung des Gerichts warten.
Arzt steht in weiterem Verfahren vor Gericht
Der Arzt hatte die Vorwürfe gegen ihn stets zurückgewiesen. In seinem letzten Wort sagte der Angeklagte, er habe von Anfang an an einer Lösung mitgearbeitet. Ihm fehle jegliches Verständnis für die Vorwürfe gegen ihn.
In einem weiteren Verfahren am Landgericht Regensburg wird dem Arzt vorgeworfen, einem 79 Jahre alten Patienten im Juli 2022 eine Überdosis Morphin verabreicht zu haben, um dessen Leben "nach eigenem Gutdünken selbstherrlich gezielt zu verkürzen". Der Arzt weist auch diesen Vorwurf zurück. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen.
Mit Informationen von dpa.
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