Hochspannungsleitung vor Alpen
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In Bayern würde der Strom teurer, wenn die einheitliche Strompreiszone Deutschlands geteilt wird.

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Fünf Strompreiszonen für Deutschland? Was da auf Bayern zukommt

Fünf Strompreiszonen für Deutschland? Was da auf Bayern zukommt

Der Verband der europäischen Netzbetreiber hat der EU vorgeschlagen, Deutschland in fünf verschiedene Strompreiszonen aufzuteilen. Bayern befürchtet deshalb höhere Strompreise. Auf was wir uns einstellen müssen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

In der Debatte um eine Reform des Stromnetzes in der EU haben sich die europäischen Übertragungsnetzbetreiber für eine Abschaffung der deutschlandweit einheitlichen Strompreiszone ausgesprochen. Sie schlugen in einer am Montag veröffentlichten Analyse vor, das bislang einheitliche Gebiet in fünf kleinere Zonen aufzuteilen und damit unterschiedlich hohe Preise am Strommarkt zuzulassen.

Aus Bayern kommt breite Kritik. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum das Ganze, wo ist das Problem?

Eine einzige Preiszone bedeutet: Wenn an der Nordseeküste viel Wind weht, kann der billige Strom immer nach Bayern verkauft werden – auch wenn in er in Wirklichkeit gar nicht transportiert werden kann, weil die Leitungen fehlen. Dann müssen im Süden teure Gaskraftwerke anspringen, um den Strom trotzdem zu liefern, der sogenannte "Redispatch". Die Kosten dafür werden auf die Stromverbraucher umgelegt, 2024 waren das 2,8 Milliarden Euro. Die EU verfolgt den Grundsatz, dass nur Strom verkauft werden soll, der auch tatsächlich physisch geliefert werden kann. Wo dauerhaft Netzengpässe bestehen, sollten demnach Strompreiszonen getrennt werden.

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Deutschland soll so in fünf Strompreiszonen aufgeteilt werden, schlagen die Netzbetreiber der EU vor.

Was bedeutet eine Preiszonenteilung für die Stromrechnung?

Weil in Bayern so wenig Windräder stehen, würde der Strom dort teurer – denn trotz der vielen Photovoltaik produziert Bayern deutlich weniger Strom als es verbraucht. Allerdings geht es dabei nur um einen Anstieg in der Größenordnung von 0,1 Cent pro Kilowattstunde. Für Haushalte, die für eine Kilowattstunde im Durchschnitt knapp 40 Cent bezahlen, wäre das nicht spürbar. In Ostdeutschland sänke der Strompreis um rund einen halben Cent pro Kilowattstunde, in Schleswig-Holstein und Hamburg um 0,7 Cent. Diese regionalen Preisunterschiede durch den Börsenstrompreis wären geringer als bisher schon bestehende regionale Unterschiede bei den Netzentgelten – diese sind im Süden geringer als im Norden.

Was ist mit der Industrie?

Für den extrem energieintensiven Teil der Industrie können auch solch geringe Strompreisunterschiede bereits relevant sein. Es handelt sich dabei etwa um Chemieindustrie, Zement- oder Stahlwerke. Weil sie von Steuern, Netzkosten und weiteren Umlagen weitgehend befreit sind, kommen Ausschläge des Börsenstrompreises direkt bei ihnen an. Es gäbe die Möglichkeit, solchen Firmen diese Mehrkosten zu kompensieren. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sieht das unter dem Stichwort "Industriestrompreis" ohnehin vor.

Wie hoch wäre der Aufwand durch neue Strompreiszonen?

Die Einführung neuer Strompreiszonen dauert drei bis fünf Jahre und kostet auch Geld. Die Stromnetzbetreiber gehen davon aus, dass erst Mitte der 2030er Jahre die Mehrkosten dafür wieder eingespielt werden könnten. Allerdings gibt es in solchen Rechnungen auch große Unbekannte. Für das Jahr 2025 werden volkswirtschaftliche Vorteile der Strompreiszonentrennung von 339 Millionen Euro errechnet. In Zukunft könnten diese Vorteile einerseits steigen, weil immer mehr schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne im Netz ist – andererseits aber auch sinken, weil durch Netzausbau die Engpässe bei den Stromleitungen entschärft werden. Dass Änderungen der Marktgebiete prinzipiell funktionieren, zeigt zum Beispiel die Abtrennung Österreichs von der deutschen Strompreiszone 2018.

Warum wollen Energieökonomen unbedingt lokale Preise?

Die Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft lautet, dass die einheitliche Preiszone für ganz Deutschland nicht mehr zum Energiesystem der Zukunft passt. Elektroautos und Batterien zu laden, wenn es billig ist und zu entladen, wenn der Strom knapp und teuer ist, stabilisiert das Stromsystem. Aber nur, wenn der Marktpreis das aktuelle Stromangebot vor Ort auch wirklich widerspiegelt. Und nicht durch teure Eingriffe künstlich deutschlandweit auf gleichem Niveau gehalten wird. In der Wissenschaft wird auch ein sogenanntes "nodales Preissystem" mit einem eigenen Preis für jeden Netzknoten diskutiert. So etwas gibt es bereits in vielen Regionen der USA.

Wie geht es jetzt weiter?

Deutschland will die Aufteilung in mehrere Strompreiszonen verhindern. Dabei wird die neue Bundesregierung – wie schon die Ampel – damit argumentieren, dass der Netzausbau zwischen Nord- und Süddeutschland nach langen Verzögerungen mittlerweile im Gange ist. Die Forderungen der EU könnten also erfüllt werden, indem man den Engpass bei den Leitungen beseitigt.

Wer hat am Ende das letzte Wort?

Es gibt die Möglichkeit, dass Deutschland sich mit seinen Nachbarstaaten einigt, wie die Strompreiszonen künftig zugeschnitten werden sollen. Wenn dies nicht gelingt, hat die EU-Kommission das letzte Wort. Die will aber, wie ein Sprecher auf BR-Anfrage schreibt, nur "als letztes Mittel (…) eine Rolle in dem Verfahren spielen."

Im Video: Netzbetreiber empfehlen verschiedene Strompreiszonen für Deutschland

Stromleitungen
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