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Noch gibt es nur einen Börsenstrompreis für ganz Deutschland. Das könnte sich ändern.

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Netzbetreiber empfehlen mehrere Strompreiszonen für Deutschland

Netzbetreiber empfehlen mehrere Strompreiszonen für Deutschland

Deutschland würde mit fünf verschiedenen Strompreiszonen künftig besser fahren, ergibt ein Bericht an die EU. In Bayern würde der Strom dadurch teurer. Profitieren würden Nord- und Ostdeutschland. Nicht nur die bayerische Staatsregierung ist dagegen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Deutschland künftig in fünf verschiedene Strompreiszonen aufzuteilen wäre die vorteilhafteste Organisationsform für den künftigen Strommarkt. So lautet das Ergebnis eines heute veröffentlichten Berichts des Verbands der europäischen Stromnetzbetreiber, ENTSO-E, im Auftrag der EU. Durch die Aufteilung der bisher einheitlichen Strompreiszone würde demnach im Jahr 2025 ein volkswirtschaftlicher Gewinn von 339 Millionen Euro entstehen. Stromkunden müssten unter dem Strich weniger bezahlen, Kraftwerksbesitzer dagegen auf Gewinn verzichten.

In Bayern würde Strom teurer – aber nur hinter dem Komma

In Bayern würde der Strom teurer – freilich im Jahresschnitt nur um etwa einen Zehntelcent pro Kilowattstunde. Das wäre für Haushalte, die laut BDEW-Strommonitor pro Kilowattstunde im Durchschnitt knapp 40 Cent bezahlen, nicht spürbar. Eher dagegen für Großverbraucher wie Wacker Chemie in Burghausen oder die Lech-Stahlwerke bei Augsburg. In Ostdeutschland sänke der Strompreis dagegen um rund einen halben Cent pro Kilowattstunde, in Schleswig-Holstein und Hamburg um 0,7 Cent.

Wenig Windräder könnten zum Standortnachteil werden

Der Grund: Bayern verfügt über viel Industrie, aber hier stehen nur wenige Windräder. Trotz der vieler Photovoltaik produziert Bayern deutlich weniger Strom als es verbraucht. In Nord- und Ostdeutschland ist die Situation umgekehrt. Die bayerische Staatsregierung befürchtet einen Standortnachteil für den Freistaat. "Die Aufteilung der deutschen Strompreiszone wäre eine Fehlentscheidung", kommentiert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). "Die Empfehlung ist skandalös und kurzsichtig", schreibt der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek. Auch der Grüne Martin Stümpfig hält die mögliche Aufteilung der Strompreiszonen für wenig sinnvoll, betont jedoch gleichzeitig, CSU und Freie Wähler hätten das Bayern eingebrockt: "Sie haben Windräder und den dringend notwendigen Netzausbau verhindert und damit die Energiewende in Bayern an die Wand gefahren."

Schwarz-rot will alles beim Alten lassen

Neben Bayern haben sich auch Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland gegen eine Aufteilung des Landes in Strompreiszonen positioniert. Auch Verbände der Energiewirtschaft wollen den einheitlichen Börsenstrompreis behalten. Norddeutsche Bundesländer wie Schleswig-Holstein dagegen fordern die Aufteilung. Die kommende schwarz-rote Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag bereits darauf festgelegt, dass die einheitliche Strompreiszone für Deutschland bleiben soll. Das unterstrich auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Gespräch mit dem Münchner Merkur (externer Link). "Alles andere wäre zum schweren Schaden für ganz Deutschland und auch insgesamt für die EU", sagte Söder.

Stromnetzbetreiber mit Zweifeln an eigener Studie

Nicht nur deshalb ist fraglich, ob die Aufteilung der Strompreiszonen wirklich kommt. Denn auch die Übertragungsnetzbetreiber als Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass der errechnete volkswirtschaftliche Vorteil daraus für Deutschland im Verhältnis klein wäre. Er entspräche weniger als einem Prozent der Systemkosten für Stromnetze und ihren Betrieb. Dem stünde ein erheblicher Aufwand gegenüber. Die neue Marktaufteilung könnte erst ab etwa 2030 wirksam werden, erst Ende der 2030er Jahre wären dann die Umstellungskosten wieder eingespielt.

Laufender Netzausbau ist noch nicht eingerechnet

Außerdem ist in dem nach Vorgaben der EU erstellten Bericht vieles nicht eingerechnet – unter anderem der bereits auf Hochtouren laufende Netzausbau zwischen Nord- und Süddeutschland. Wichtige Leitungen wie Südlink und Südostlink wären bereits in Betrieb, bevor der neue Strompreiszonen-Zuschnitt in Kraft wäre – und würden die Grundlagen des Strommarkts deutlich verändern.

Wenn sich Staaten nicht einigen ist die EU-Kommission gefragt

Nach der heutigen Veröffentlichung des Berichts haben die betroffenen EU-Mitgliedstaaten sechs Monate Zeit, sich für eine Lösung zu entscheiden. Andere Staaten, wie etwa Schweden, sehen im bisher einheitlichen Börsenstrompreis für ganz Deutschland eine Verzerrung des Marktes. Im Konfliktfall liegt die Entscheidung über die Aufteilung der Strompreiszonen letztlich bei der EU-Kommission. Sie hat dafür dann weitere sechs Monate Zeit, also bis Mitte 2026.

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