Plakate zum Olympia-Bürgerentscheid in München.
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Plakate zum Olympia-Bürgerentscheid in München.
Bildrechte: Montage: BR, Quelle: picture alliance / Stephan Rumpf, Wolfgang Maria Weber
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Plakate zum Olympia-Bürgerentscheid in München.

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Für faire Plakatwerbung: Gleiche Fläche für alle?

Für faire Plakatwerbung: Gleiche Fläche für alle?

Plakate zum Olympia-Bürgerentscheid in München werfen die Frage auf, wie ausgeglichen politische Werbung im öffentlichen Raum sein kann. BR24-User kommentieren: Was wäre, wenn allen eine gleich große, geteilte Plakatfläche zur Verfügung stünde?

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Von Rekorden, Helden und Wohnraum ist die Rede, zu sehen sind euphorische Gesichter von Profisportlern oder Medaillengewinnerinnen: Eine Plakatkampagne in München zeigt die positiven Auswirkungen, die sich unter anderem das Sportreferat von Olympischen Spielen für die Stadt erhofft. Ob sich München dafür überhaupt bewerben sollte, darüber stimmen die Einwohner Ende des Monats bei einem Bürgerentscheid ab.

Kritik an der Plakatkampagne kommt von den Gegnern der Olympia-Bewerbung, sie halten das Ganze für einseitige und unsachliche Werbung, wie ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff gegenüber der Nachrichtenagentur dpa formulierte.

Plakatwerbung "gleichmäßig verteilen"

Im Kontext der Berichterstattung über den Bürgerentscheid schlug BR24-User "Andi1971" vor: "Warum stellt man nicht einfach weiße, geteilte Plakatwände auf? Zu gleichen Teilen und gleichmäßig im Stadtgebiet verteilt links OlympiJA, rechts NOlympia und umgekehrt. Wer auf der linken Seite steht, darf zuerst seine Argumente drunter pinseln und die Gegenseite darf im Abschluss ihre konträre Meinung daneben schreiben. Quasi eine analoge Kommentarfunktion."

Welche Regeln für Plakate gelten

Wie, wann und wo plakatiert werden darf, das regelt in Bayern grundsätzlich neben der Gemeindeordnung jede Kommune selbst – wobei die Kampagne in München eine Ausnahme davon ist, wie das Kreisverwaltungsreferat (KVR) als zuständige Behörde erklärt: "Anlässlich besonderer Ereignisse" hätte die Verwaltung hier in eigener Verantwortung plakatiert. Auch die Gegenseite könne – wie geschehen – eine Erlaubnis für Plakate beantragen, heißt es weiter vom KVR. "Hinsichtlich der Anzahl der Plakate gibt es keine Höchstzahl", so das KVR. Und: "Eine Kontrolle hinsichtlich Parität sieht die Plakatierungsverordnung nicht vor."

Die Verwaltung argumentiert auf BR24-Nachfrage, dass es im speziellen Fall eines Ratsbegehrens, wie es Grundlage für den Bürgerentscheid in München ist, keine institutionelle Gegenseite gebe. Der Stadtrat gebe hier eine Frage an die Bürgerschaft weiter.

So regeln es andere Länder

Um die Frage zu beantworten, "was wäre, wenn Plakatwerbung paritätisch wäre", lohnt sich der Blick in andere Länder – denn dort gibt es wesentlich strengere Regeln. In Frankreich beispielsweise weist jede Gemeinde den einzelnen Parteien oder Kandidierenden eine bestimmte Fläche zu. In Japan wurde das Public Election Law heuer verschärft, es sieht unter anderem vor, dass Wahlplakate nur 41 mal 28 Zentimeter groß sein dürfen.

Insgesamt legen beide Länder per Gesetz fest, dass den einzelnen Parteien oder Kandidierenden die gleiche Fläche zur Verfügung steht. Es gibt bislang zwar keine Studien, die einen direkten Vergleich mit Deutschland ziehen, doch einige Untersuchungen legen nahe, dass strengere Plakatierungsregeln einen Effekt haben – dass die Wahl beispielsweise als "fairer" wahrgenommen wird (externer Link), wie eine Studie zu französischen Wahlplakaten von 2015 ergab.

Forderung: Neutralität statt Werbung

Genau diesen Punkt betont auch der Verein "Mehr Demokratie", der sich für mehr Bürgerbeteiligung einsetzt: "Wer das Gefühl hat, gehört worden zu sein, kann viel leichter eine Entscheidung akzeptieren, die nicht in seinem Sinne ausfällt", sagt Susanne Socher, Teamleiterin und Expertin für Bürgerbegehren. Eine ausgewogene Darstellung der Argumente hält sie für "unabdingbar". Der Verein empfiehlt ein neutrales "Abstimmungsheftlein" oder eine Website, auf der neutral die Pro- und Contra-Argumente aufgeführt werden, so Socher.

Wie Entscheidungswerbung wahrgenommen wird

Eine Studie, die zum konkreten Fall in München passt, kommt aus der Schweiz – ein Land, das auf dem Feld der direkten Demokratie einige Praxiserfahrungen hat. Forschende von der Universität Bern haben 2024 untersucht, wie Werbung im Vorfeld eines Volksentscheids wahrgenommen wird. Das Ergebnis: "Wer Ja zu einer Vorlage (gemeint ist das Abstimmungsthema, Anm. d. Redaktion) sagt, findet in der Regel, dass das Nein-Lager stärker geworben hat – und umgekehrt." Die Forschenden sprechen hier von einem "Selbstopfer-Effekt" (externer Link).

Die Werbekampagne rund um den Olympia-Entscheid wird nicht nur vom Nein-Lager kritisiert – auch Susanne Socher hält sie für einseitig: "Die Bürger bei der Frage der Olympia-Bewerbung einzubeziehen, befürworten wir, für eine ausgewogene Diskussion sollte die Stadt aber sorgen." Rein formal könne die Stadt Werbung in ihrem Sinne machen. Für eine ausgewogene Darstellung müsste aber überhaupt erst einmal eine Gegenseite benannt werden. Diese besteht derzeit aus verschiedenen Stadtrats-Parteien und Organisationen. "Dazu bräuchte es Kriterien, wer für welche Sicht sprechen darf", erklärt Socher. Und die hätten wohl – für gleiche Sichtbarkeit am Ende – schon viel früher festgelegt werden müssen.

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