Eines stellt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) voran: Die ganz große Mehrheit der Menschen und Unternehmen zahle ordnungsgemäß Steuern. Dennoch will Bayern mit einer neuen Einheit künftig effektiver gegen Steuerstraftäter vorgehen. "Durch Steuerhinterziehung entgehen dem deutschen Staat nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft jedes Jahr 50 Milliarden Euro", sagt Eisenreich bei der Vorstellung in München. Eine Summe, die in etwa zwei Drittel des bayerischen Haushalts entspricht. Das mache "schlechte Stimmung", so Eisenreich. "Wir gehen gegen die schwarzen Schafe vor."
Komplexe Ermittlungen: Spezialisierung soll helfen
Seit Februar ist bei der Staatsanwaltschaft München I ein "Kompetenzzentrum Steuerstrafrecht" angesiedelt. Das Team besteht laut Eisenreich aus vier Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die Spezialwissen im Steuerstrafrecht sammeln, koordinieren und weitergeben. Gleichzeitig sind sie Ansprechpartner für Fachfragen von Kollegen und sorgen für Vernetzung mit anderen Behörden.
Die Ermittlungen im Bereich des Steuerstrafrechts sind laut Eisenreich oftmals umfangreich und komplex, Straftaten nur schwer nachweisbar. "Hinzu kommen neue Deliktsphänomene und zunehmend große Datenmengen." Deshalb setze die bayerische Justiz auf Spezialisierung. Das Kompetenzzentrum soll unter anderem Briefkasten-Firmen in Gewerbesteueroasen verstärkt in den Blick nehmen, sowie Aktiendeals wie Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäfte, die illegale Steuervorteile verschaffen.
Grüne: "Bayern als Steueroase für große Fische"
Die Grünen im bayerischen Landtag sehen in der neuen Einheit einen "großen Erfolg". "Bisher war Bayern eine Steueroase, weil sich die großen Fische ausrechnen konnten, nicht erwischt zu werden", sagt Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, auf BR24-Anfrage.
Das neue Kompetenzzentrum allein genüge jedoch nicht. Schuberl fordert zusätzlich mehr Personal bei Steuerfahndung und Justiz. "Erst dann können unsere Behörden schlagkräftiger werden."
SPD fordert weitere Kompetenzzentren
Den Personalmangel im Steuervollzug sieht auch die Landtags-SPD als Problem: "Denn ermittelt werden kann ja nur, wenn dafür auch genügend Anhaltspunkte geliefert werden - sonst ist das Ganze ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Horst Arnold, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Für den Juristen ist das neue "Kompetenzzentrum Steuerstrafrecht" bei der Generalstaatsanwaltschaft München aktuell nur eine Art Pilotprojekt, ein erster Schritt: "Denn natürlich muss es das Ziel sein, flächendeckend voranzukommen - also auch in den beiden anderen Oberlandesgerichtsbezirken entsprechende Kompetenzzentren einzurichten."
AfD: "Signal der Kontrolle und Einschüchterung"
Die AfD dagegen lehnt "diese Initiative" ab. Laut AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner braucht Bayern ein "Signal des Aufbruchs – nicht eines der Kontrolle und Einschüchterung". Zwar sei Steuerhinterziehung zu bekämpfen, "allerdings handelt es sich bei diesem Delikt sehr oft nicht um einen Ausdruck von Habgier, sondern der Verzweiflung fleißiger Bürger angesichts völlig überzogener Steuersätze", so Ebner-Steiner zu BR24. Unternehmer und andere Leistungsträger fühlten sich ausgebeutet. "Der alleinige Fokus der Staatsregierung auf Steuerhinterziehung ist ein Ablenkungsmanöver."
In den vergangenen Jahren hat Bayern seine Strukturen im Bereich Wirtschaftskriminalität mit Zentralstellen und Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften mehrfach verstärkt. Zuletzt nahm Anfang April die "Zentralstelle Geldwäschebekämpfung und Vermögensabschöpfung" die Arbeit auf und ermittelt seither in "Geldwäscheverfahren von besonderer Bedeutung".
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