Ein Mann wird bei einer Großübung am Ochsenkopf aus einer Seilbahn abgeseilt.
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300 Leute müssen aus den Seilbahnkabinen evakuieren werden. Ein Kraftakt für Bergwacht und Feuerwehr, ein Erlebnis für Geretteten.

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Großübung an der Seilbahn: 300 Menschen warten in luftiger Höhe

Großübung an der Seilbahn: 300 Menschen warten in luftiger Höhe

300 Leute in drei Stunden aus den Seilbahnkabinen evakuieren – das ist die Aufgabe. Ein Kraftakt für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer von Bergwacht und Feuerwehr im Fichtelgebirge. Ein Erlebnis für die Geretteten in dieser Großübung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Vor der Talstation der Ochsenkopfbahn in Bischofsgrün stehen rund 300 Menschen. Die Stimmung ist heiter – wie das Wetter. Es wird gelacht, gescherzt. Sie freuen sich auf die kommenden mindestens drei Stunden in der Kabinenbahn, erzählen zwei junge Frauen aus der Nähe von Speinshart in der Oberpfalz. Die beiden haben sich, wie die anderen auch, freiwillig zur Rettungsübung gemeldet und wollen sich von der Bergwacht aus den Kabinen abseilen lassen.

Der Plan sieht vor, dass die neue Bergbahn auf dem Ochsenkopf eine Havarie hat und stehenbleibt. Die Bergwacht soll dann die Menschen retten. Das Besondere: So viele Leute waren es noch nie bei einer Übung. 32 Kabinen mit je zehn Personen hängen in der Bahn. Neun Rettungsteams zu je drei Personen aus allen Bergwachtbereitschaften des Fichtelgebirges treten an. Dazu die Feuerwehren aus Bischofsgrün im Landkreis Bayreuth und den Nachbarorten. Sie haben nach der Alarmierung drei Stunden Zeit.

Bis zu drei Stunden in der Seilbahn eingeschlossen

Angst hätten sie keine, sie würden ja auch klettern gehen und kennen das mit dem Abseilen, meinen die beiden jungen Frauen. Andere treibt die Abenteuerlust – mal was anderes erleben. Und wieder andere wollen durch ihre Teilnahme der Bergwacht zu einer erfolgreichen Übung verhelfen. Nun stehen sie am Eingang zur Bergbahn, nennen ihre Namen und werden auf die Kabinen verteilt. Wo sie am Ende mit ihrer Kabine stehenbleiben und aus welcher Höhe sie wann gerettet werden, wissen sie nicht.

Auf dem Plan von Betriebsleiter Andreas Schreyer könnten sie das sehen. Aber der ist natürlich nicht für die Teilnehmer gedacht. Es wird sowohl bergauf als auch bergab gerettet. Das heißt: Die Gondeln, die zuerst hinauffahren, drehen in der Bergstation um und fahren wieder hinunter. Für die jeweils zehn Passagiere in diesen Kabinen könnten das bis zu drei lange Stunden in einem engen, geschlossenen Raum werden.

Das Gelände erschwert die Übung

Die Bergwachtteams fahren unterdessen zu den zugeteilten Rettungsabschnitten. Die sind unterschiedlich lang. Das hängt vom Abstand der Seilbahnstützen zueinander ab – im oberen Bereich sind sie länger als bis zur Mittelstation. Und von der Zugänglichkeit im Gelände.

Zu einigen Einsatzorten kommen die Retter bequem mit dem Geländewagen über Forststraßen. Zu anderen nur mit ATVs, sogenannten All-Terrain-Vehicles, also geländegängigen Quads. Sobald die Bahn stehenbleibt und die Durchsage über die Havarie auf Deutsch und Tschechisch kommt, geht es los.

Moderne Technik und psychologisches Geschick

Andreas Becker von der Bergwacht Wunsiedel hat, soweit er von seinem Standort oberhalb der Bischofsgrüner Skisprungschanze sehen kann, mindestens zwei Kabinen zu evakuieren. Ob es drei sind, verbergen im Moment noch Gelände und Bäume. Becker ist Höhenretter und hat das Abseilen aus der Bahn schon mehrfach geübt. Dennoch hat er Respekt vor seiner Aufgabe: "Es ist zwar eine Übung und wir haben viel geprobt, aber wir wissen trotzdem nicht, was im Detail auf uns zukommt bei so vielen Leuten."

Sollte jemand Angst bekommen, kommt es auf Beckers psychologisches Geschick an. Blockiere jemand total und auch reden helfe nicht mehr, müsse der Passagier bis zum Ende der Übung in der Gondel bleiben, meint Becker. In seinem Rettungsabschnitt habe er die größte Höhendifferenz der ganzen Bergbahn: 20 Meter zwischen Kabine und Boden – bis hinunter in den Auslauf der Schanze.

Die Menschen zügig und sicher retten

Die Höhenretter klettern jeweils auf eine Seilbahnstütze. Dann klemmen sie von den Plattformen ein Seilfahrgerät in das Tragseil der Bergbahn, an dem sie sich mit einem Hüftgurt einhängen. Anschließend rollen sie mit dem Gerät über das Tragseil bis zur ersten Kabine hinab. Das Seilfahrgerät hat eine Handbremse und die Retter können mit ihm, anders als früher, auch bergauf am Tragseil fahren – das erleichtert die Rettung.

Auf dem Dach der Kabine befestigen sie das Rettungsgerät an der Aufhängung der Gondel. Schließlich sprechen sie mit den Insassen und erklären, was passiert. Dann öffnen sie die Tür, schnallen der ersten Person eine sogenannte Rettungswindel um und seilen sie ab. Durch eine automatische Seilbremse besteht keine Gefahr, dass jemand abstürzen könnte.

Übung unter Idealbedingungen

Am Boden achtet die Rettungsmannschaft darauf, dass die Leute richtig am Boden ankommen und bringen sie aus der Gefahrenzone – es könnte ja etwas aus der Kabine fallen, ein Rucksack, eine Tasche oder ein Schuh.

Henning Stoyke und Patrick Weiß assistieren ihrem Bergwachtkameraden Andreas Becker, der oben mit gespreizten Beinen über der Gondeltür steht und die Passagiere zügig abseilt. Damit es etwas zügiger geht, wird beim Ablassen über das Pendelseil gleichzeitig eine zweite Rettungswindel hinaufgezogen. Die Abgeseilten stehen im ersten Moment wackelig auf den Beinen, fassen aber schnell wieder Tritt.

Es habe ihr Spaß gemacht, berichtet eine Frau aus Lichtenfels. Ihr Freund ergänzt: "Die Höhe macht mir nichts aus, aber bei 200 bis 300 Meter wäre das etwas anderes. Ich freue mich, der Bergwacht helfen zu können." Ein anderer Mann dagegen gibt zu, dass ihm im ersten Moment freischwingend im Seil schon etwas mulmig war, er aber volles Vertrauen in die Bergwacht habe und alles gutging. Auch ein Industriekletterer ist unter den Geretteten. Für ihn sei das Abseilen ein Klacks gewesen. Er wendet aber ein: "Bei einer echten Notlage muss man dann schon mit ängstlichen Menschen in den Kabinen rechnen und entsprechend vorbereitet sein."

In den Kabinen wird es langsam heiß

Andreas Becker hat die erste Kabine geleert. Baut sein Rettungsgerät ab und verstaut alles an seinem Körpergeschirr. Dann hängt er sich wieder ins Seil und fährt weiter bergab. Vor der nächsten Kabine steht noch eine Stütze. Die muss er überklettern: aus dem Seil auf die Plattform der Stütze, das Seilfahrgerät abklemmen, auf der anderen Seite wieder einklemmen, sich wieder einhängen. Und immer dabei sich selbst sichern. Das dauert.

Die Passagiere in der nächsten Kabine hängen nur fünf Meter über dem Grund. Sitzen seit anderthalb Stunden dichtgedrängt. Die Sonne heizt das Innere auf, es gibt nur zwei kleine Fenster. Die Tür lässt sich nicht von innen öffnen. Endlich ist Becker bereit, die Rettung ist eine Erlösung. Aus der Nachbarkabine talwärts blicken sie neidisch herüber, schwitzen, haben die Jacken ausgezogen. Doch der nächste Höhenretter ist bereits in Anrollen.

Sobald ein Rettungsabschnitt geklärt ist, helfen die freigewordenen Höhenretter ihren Kameraden, die noch Kabinen vor sich haben. Die Feuerwehren sammeln die Abgeseilten ein und fahren sie zur Talstation. Dort gibt es erstmal eine Brotzeit und ein Getränk. Außerdem erhalten alle Teilnehmenden eine Freifahrt mit der Kabinenbahn. Die Übung, überwacht von TÜV und Seilbahnaufsicht, wird erfolgreich abgeschlossen.

Menschen von der Bergwacht seilen gerade bei einer Übung einen Menschen aus einer Gondel ab.
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Gondel-Rettungsübung am Ochsenkopf

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