Der Fall hat in den letzten Tagen im Raum Aschaffenburg für große Aufregung gesorgt: Ein Mann aus Somalia, der im Januar mutig den Messerangreifer durch den Park Schöntal verfolgte, bis die Polizei diesen festnehmen konnte, solle abgeschoben werden. So hieß es in vielen Berichten. Zwei Petitionen fordern deshalb ein Bleiberecht für den Mann, der so viel Zivilcourage bewies. Mehr als 90.000 Menschen haben diese bis Montagnachmittag unterzeichnet. Nun wird klar: Der Mann muss Deutschland trotz eines abgelehnten Asylantrags vorerst nicht verlassen. Das erklärte das Bayerische Innenministerium auf BR-Nachfrage.
Ministerium: Somalier wird als Zeuge zunächst geduldet
Im laufenden Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Doppelmörder von Aschaffenburg sei Ahmed Mohamed Odowaa ein wichtiger Zeuge, weshalb er in Abstimmung mit der Justiz zunächst geduldet werde. In einem Bericht des Main-Echos (externer Inhalt, möglicherweise Bezahl-Inhalt) hatte es geheißen, der 30-jährige Somalier habe die mündliche Information erhalten, dass er bis zum 8. Juli nach Italien ausreisen müsse. Dies sei ein Missverständnis, so das Ministerium nun: "Duldungen werden regelmäßig befristet erteilt und entsprechend verlängert, so auch hier. Fest steht deshalb: Eine Rückführung nach Italien steht bis auf Weiteres nicht im Raum."
Ahmed Mohamed Odowaa habe "bei der schrecklichen Gewalttat in Aschaffenburg in herausragender Weise Entschlossenheit und Mut bewiesen". Seine Zivilcourage verdiene Anerkennung und höchsten Respekt, heißt es aus dem Ministerium. Als nächsten Schritt wolle die Ausländerbehörde jetzt auch den Antrag von Ahmed Mohamed Odowaa auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis genehmigen. So könne er "wunschgemäß arbeiten, seinen Lebensunterhalt möglichst bald selbst bestreiten und die Integrationsbemühungen intensivieren – und so die Voraussetzungen für eine Bleibeperspektive in Deutschland eröffnen, wenn er das möchte", schreibt das Bayerische Innenministerium.
Somalier bisher nicht in Berichterstattung aufgetaucht
Erst durch die vermeintlich drohenden Abschiebung tauchte der aus Somalia Geflüchtete erstmals in der medialen Berichterstattung auf. Er spricht kein Deutsch und auch nur gebrochen Englisch. Bislang war nur über einen zweiten Mann – wohl ein Italiener – berichtet worden, der den Messerangreifer zusammen mit Ahmed Mohamed Odowaa verfolgte und die Polizei per Handy zu ihm lotste.
Der Somalier, der am 22. Januar zufällig im Park Schöntal war, als der Messerangreifer dort eine Kindergruppe angriff und dabei einen zweijährigen Jungen und einen Mann tötete, lebt aktuell in einer Unterkunft im Landkreis Aschaffenburg. Ein 41-jähriger Familienvater, der versucht hatte, den Attentäter zu stoppen, hatte dies mit seinem Leben bezahlt. Als der Täter mit diesem rang, soll Ahmed Mohamed Odowaa dazu gekommen sein und den Afghanen dann bis zum Eintreffen der Polizei verfolgt haben, berichtet das Main-Echo.
Vor Einreise nach Deutschland in Italien als Flüchtling anerkannt
Grund für die Verwirrung um die mögliche Abschiebung von Ahmed Mohamed Odowaa war wohl auch dessen Einreise über Italien. Denn: Schon vor seiner Einreise nach Deutschland hatte er in Italien eine Anerkennung als Flüchtling erhalten. Das bestätigten dem BR das Bayerische Innenministerium und das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg. Anfang 2024 soll er hier nochmals Asyl beantragt haben. Dies ist nach geltendem europäischen und deutschen Recht nicht vorgesehen, weshalb das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Asylantrag ablehnte, heißt es vom Ministerium.
Das Verwaltungsgericht bestätigt, dass es eine Klage von Ahmed Mohamed Odowaa gegen den BAMF-Bescheid gibt. Ende Mai 2024 soll das BAMF ihm den Drittstaatenbescheid verbunden mit der Aufforderung zur Ausreise nach Italien zugestellt haben. Dagegen habe der Somalier im Juni 2024 geklagt. Mit einem Gerichtsbescheid von Ende Oktober 2024 sei die Klage abgewiesen worden – im Wesentlichen deshalb, weil der BAMF-Bescheid rechtmäßig sei und den Somalier nicht in seinen Rechten verletze, so das Gericht. Sein Asylantrag sei in Deutschland unzulässig, da ihm mit Italien bereits ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz gewährt habe. Der Gerichtsbescheid sei seit 20. November 2024 rechtskräftig, womit Ahmed Mohamed Odowaa ab diesem Tag eigentlich vollziehbar ausreisepflichtig sei. Wann genau die Duldung erfolgte, durch die er doch vorerst bleiben kann, ist derzeit nicht bekannt.
Dankes-Schreiben und Medaille aus München
Wie erst durch die Berichterstattung des Main-Echos bekannt wurde, hatte Odowaa für sein mutiges Einschreiten bei dem Messerangriff in Aschaffenburg auch Dankes-Schreiben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) erhalten. Im Mai soll Odowaa zudem, laut Main-Echo, die Christophorus-Medaille des Ministerpräsidenten verliehen bekommen.
Der Fall des Somaliers erinnert an einen Flüchtling in Würzburg, der sich 2021 einem Messerangreifer in Würzburg mutig in den Weg stellte. Auch dieser Mann war von Abschiebung bedroht. Das Verwaltungsgericht Würzburg entschied 2023, dass der Kurde, der die iranische Staatsbürgerschaft hat, in Deutschland bleiben darf. Das Gericht begründete damals nach Angaben des Anwalts des Flüchtlings, dass dem Asylbewerber durch seine Popularität hierzulande in seinem Heimatland Iran Probleme drohten. Der Flüchtling erhielt eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre und kann danach einen Antrag auf Einbürgerung stellen.
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