(Archivbild) Einsatzkräfte am Ufer des Eibsees. Im Juli sind dort ein Vater und Sohn ertrunken; ihre Körper wurden erst nach einer Woche Suche gefunden.
(Archivbild) Einsatzkräfte am Ufer des Eibsees. Im Juli sind dort ein Vater und Sohn ertrunken; ihre Körper wurden erst nach einer Woche Suche gefunden.
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(Archivbild) 2021 ertranken in Deutschland weniger als 300 Menschen – drei Jahre später waren es schon über 400.
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(Archivbild) 2021 ertranken in Deutschland weniger als 300 Menschen – drei Jahre später waren es schon über 400.

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Jedes Jahr mehr Badetote – ein Trend, für den es Gründe gibt

Jedes Jahr mehr Badetote – ein Trend, für den es Gründe gibt

Die Zahl der Badetoten steigt. Für Wasserwacht und DLRG ist das kein Zufall: Es geht um Kinder, die immer schlechter schwimmen, marode Bäder, Männer, die sich überschätzen und Hitzewellen. Aber es gibt praktische Tipps, um das Risiko zu senken.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Entwicklung ist eindeutig: In Deutschland ertrinken aktuell jedes Jahr mehr Menschen beim Baden. 2021 waren es laut der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) noch 299 Badetote, im vergangenen Jahr schon 411 – ein Plus von mehr als 37 Prozent in drei Jahren. In Bayerns Seen und Flüssen starben im vergangenen Jahr 70 Menschen – mehr als in jedem anderen Bundesland. Dabei ertrinken bei weitem nicht nur Senioren: Jeder fünfte Badetote ist unter 30.

Zwar lagen die Zahlen Mitte der 2010er-Jahre teils höher (2016: 537 Badetote) – der jüngste Trend geht aber wieder steil nach oben. Auch in diesem Sommer reihen sich Todesmeldungen aneinander: Bodensee, Starnberger See, Eibsee, Donau. Seit Sonntag wird ein 17-Jähriger nach einem Badeunfall auf dem Main im Kreis Würzburg vermisst. Für DLRG und Wasserwacht ist dieser Trend kein Zufall – sondern hat vor allem drei Gründe.

Grund 1: Immer mehr Nichtschwimmer

"Bis zu 60 Prozent der Zehnjährigen können heute nicht mehr sicher schwimmen", sagt Nils Neumann von der Wasserwacht in Lindau am Bodensee. 20 Prozent der Kinder im Grundschulalter können laut einer DLRG-Erhebung von 2022 sogar gar nicht schwimmen. "Bei der Kinderschwimmausbildung haben wir das große Problem, dass immer mehr Schwimmbäder zumachen, weil sie einfach marode sind", sagt Michael Förster von der DLRG Bayern. Laut den Zahlen des bayerischen Bauministeriums ist mehr als die Hälfte der rund 850 Schwimmbäder im Freistaat sanierungsbedürftig.

Laut den Rettungsorganisationen sind es häufig auch Migranten oder Geflüchtete, die nicht gut schwimmen können. Sie kommen teils aus Ländern, "in denen Wasser als Freizeitelement keine Rolle spielt", sagt Oliver Welter, stellvertretender Technischer Leiter der Wasserwacht in Bayern. Baden oder Schwimmen in Freigewässern sei dort nicht üblich. "Die Zahlen zeigen, dass wir da was tun müssen", sagt Arif Taşdelen, integrationspolitischer Sprecher der SPD im Landtag. Vielleicht müsse neben Spracherwerb auch Schwimmen bei der Integration eine Rolle spielen.

Im Video: Badetote: Darum ertrinken immer mehr Menschen in Seen und Flüssen

Grund 2: Selbstüberschätzung (vor allem bei Männern)

Ein weiteres Problem: Viele erkennen gar nicht, dass sie nicht gut genug schwimmen. "Es ist leider doch zu beobachten, dass vor allem jüngere Männer ihre Kräfte selbst überschätzen, vielleicht auch ein bisschen angeben wollen", sagt Rettungsschwimmer Welter. Womöglich könnten manche auch aufgrund von Social Media die Gefahr schlecht einschätzen. Dabei müsse man wissen: "Im Wasser ist jeder Fehler potentiell tödlich". Tatsächlich sind mehr als 75 Prozent der Badetoten Männer.

Zudem kann Alkohol die Selbstüberschätzung befeuern. Deswegen sagt Nils Neumann von der Lindauer Wasserwacht: "Alkohol und Drogen haben im und am Wasser einfach nichts verloren."

Grund 3: Hitzewellen

Eine weitere Gefahr sind immer häufigere Hitzewellen. Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung liegen alle innerhalb der letzten 25 Jahre – 2024 war ein neues Rekordjahr. Je heißer es wird, desto mehr Menschen zieht es an Seen und Flüsse – gerade, wenn immer mehr Schwimmbäder marode sind. Dort gibt es aber häufig keine Bademeister, die aufpassen.

Zudem steigt laut Michael Förster (DLRG) die Gefahr, je höher der Unterschied zwischen Luft- und Wassertemperatur ist. Wenn man von der Sonne aufgeheizt ins kalte Wasser springt, "ziehen sich die Blutgefäße außen im Körper zusammen. Das Herz wird mehr belastet. Das wirkt sich auf das Gehirn aus, der Blutdruck steigt und das kann zu einer Ohnmacht führen."

Und was jetzt?

Damit wieder mehr Kinder schwimmen lernen, fordert Förster von der Politik: "Saniert die Hallenbäder, macht sie danach wieder auf. Baut wieder neue Hallenbäder." Dabei müsse man die Kommunen finanziell unterstützen, sagt SPD-Politiker Taşdelen. Genau das versuche Bayern mit der Schwimmbadförderung, entgegnet CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek: "Da ist einiges passiert. Aber es ist eine Daueraufgabe."

Bis sich die Lage grundsätzlich verbessert, haben die Rettungsschwimmer Tipps, wie man das Risiko senken kann: Zum Beispiel nicht bei größter Hitze ans Wasser gehen, nicht vor dem Baden in die Sonne legen, sondern im Schatten bleiben und ganz langsam abkühlen.

"Schwimmen Sie nicht alleine und vor allem schwimmen Sie niemals über den See alleine. Oder nehmen Sie zumindest eine Boje mit", rät Oliver Welter von der Wasserwacht. Man solle mit Bedacht ans Wasser rangehen und Rücksicht nehmen. "Verantwortung und ein bisschen kritische Selbsteinschätzung würden helfen, viele Badeunfälle, die wir derzeit sehen, zu vermeiden." Welters Appell an risikofreudige junge Männer: "Liebe Jungs, lasst euer Ego am Radlständer."

Transparenzhinweis: Wir haben am Mittwoch (23.07) um 13.00 Uhr ergänzt, dass die Zahlen der Badetoten Mitte der 2010er-Jahre teils höher lagen als heute. Vielen Dank für den Hinweis aus der Community.

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