Bis zu 24 Tage am Stück sind Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt Gablingen bei Augsburg in dem besonders gesicherten Haftraum (bgH) eingesperrt worden. Das geht aus einer Antwort des bayerischen Justizministeriums auf eine Anfrage des Rechtsexperten der Grünen im Landtag, Toni Schuberl, hervor. Das Dokument liegt dem BR vor. Zuerst hatte die "Augsburger Allgemeine" darüber berichtet (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt).
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Unterbringung im bgH ein "gravierender Grundrechtseingriff"
Am Boden eine dünne Matratze, daneben eine Papierunterhose und ein Papier-Überhemd auf einem Sitzwürfel, im Boden ein Edelstahl-Loch, wo die Häftlinge ihre Notdurft verrichten können: Die Einrichtung der sogenannten "besonders gesicherten Hafträume" ist spartanisch.
Gedacht ist dieser Raum ohne Gegenstände eigentlich nur für eine kurzfristige Unterbringung von Häftlingen, die etwa suizidgefährdet sind und sich oder andere verletzen könnten. Das Ministerium betont: "Die Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen [...] stellt eine drastische Maßnahme, einen gravierenden Grundrechtseingriff dar. Deshalb muss es sich um eine ultima ratio-Maßnahme handeln, zur Abwehr von Gefahren."
In dem Schreiben vom 5. Dezember heißt es, es gebe mindestens zwei Gefangene, die bis zu drei Wochen am Stück im bgH bleiben mussten. Die Unterbringung in einem solchen Raum, so das Ministerium, ordne der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin an. Eine Maximaldauer gebe das Gesetz nicht vor, doch im Schreiben heißt es: "Besondere Sicherungsmaßnahmen, wie die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände, dürfen jedoch nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert."
Zahl der Unterbringungen im bgH hat sich nahezu verdoppelt
In den bayerischen Justizvollzugsanstalten gibt es nach Aussage des Justizministeriums insgesamt 104 besonders gesicherte Hafträume ohne gefährdende Gegenstände, fünf davon in der JVA-Gablingen. Hier wurden dem Ministerium zufolge in den Jahren 2018 bis 2022 jeweils zwischen 55 und 65 Unterbringungen dokumentiert.
Für das Jahr 2023 verzeichnet die Statistik einen deutlichen Anstieg. 126 Unterbringungen wurden vermerkt, auch im aktuell laufenden Jahr (Stand 31.10.2024) liegt die Zahl mit 111 dokumentierten Aufenthalten im bgH über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Erfasst wird die Zahl seit 2018 nach bundeseinheitlichen Kriterien in der sogenannten Statistik StV11.
Grünen-Abgeordneter: "Systematisches Versagen"
Dass die deutliche Zunahme an Unterbringungen in den bgHs lediglich registriert, von niemandem aber hinterfragt worden sei, zeige, wie schlecht das System funktioniere, prangert Toni Schuberl von den Grünen an. "Da hat keiner reagiert." Das Ministerium habe eine Schutzverpflichtung und eine Kontrollfunktion gegenüber den Inhaftierten – doch diese habe man nicht erfüllt.
Schuberl zufolge handelt es sich um ein systematisches Versagen. Man habe "viel zu wenig hingesehen" und räume Anstaltsleiterinnen und -leitern zu viele Freiheiten ein.
Aktuell laufen Ermittlungen gegen 17 Bedienstete
Nachdem Ende Oktober Misshandlungsvorwürfe bekannt geworden sind, steht die JVA Gablingen im Fokus der Ermittlungsbehörden. Inzwischen wird gegen 17 Bedienstete der Justizvollzugsanstalt ermittelt, darunter die mittlerweile freigestellte stellvertretende Leiterin der JVA. Ihnen wird unter anderem Körperverletzung im Amt und Strafvereitelung vorgeworfen. Bei der Staatsanwaltschaft Augsburg wurde eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, die aus inzwischen fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälten besteht. Diese befindet sich in engem Austausch mit einer Ermittlungsgruppe, die bei der Kriminalpolizei Augsburg eingerichtet wurde und an der bis zu 15 Mitarbeitenden mitwirken.
Es mangle nicht am Willen, die Vorfälle aufzuklären, betont Justizminister Eisenreich in seiner Stellungnahme. Auf die Frage, wie die Staatsregierung auf den Hinweis der Strafverteidiger reagiere, dass die Gefahr bestehe, dass Verantwortliche in der Staatsregierung Verdunklungshandlungen vornehmen könnten, antwortet der Minister: "Dieser Hinweis der Strafverteidiger entbehre jeder Grundlage."
Bis zum Abschluss der Ermittlungen gilt die Unschuldsvermutung.
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