Die drei Anwälte der stellvertretenden Leiterin der JVA Gablingen haben dem Justizministerium und der Leiterin der JVA schwere Vorwürfe gemacht. Um eine unabhängige Aufklärung der Vorwürfe zu gewährleisten, fordern sie eine Art "Sonderermittler". Ihre Mandantin sei eine äußert pflichtbewusste Beamtin, die in der JVA nahezu alle Leitungs-Aufgaben übernehmen musste.
Die eigentliche langjährige Leiterin sei dagegen "maximal an zwei Tagen pro Woche in der JVA gewesen, und dann nur ab 17 Uhr", so einer der Anwälte. "Die Anwesenheiten der Leiterin waren kurz und sporadisch." Dennoch sei die Leiterin über alle Vorgänge innerhalb der JVA informiert gewesen: "Nichts geschah ohne das Wissen der Leiterin", so ein Anwalt. Hunderte Mails seien zwischen den beiden Frauen ausgetauscht worden. Inzwischen wurde sie vom Justizministerium freigestellt.
Anwälte: Stellvertretende JVA-Leiterin ein "Bauernopfer"
Die Anwälte, die sich selbst als "Verteidiger" ihrer Mandantin vorstellten, kritisierten, dass das Ministerium die Abwesenheit der Leiterin so hingenommen habe. Viele Mitarbeiter der JVA Gablingen seien bereit, dazu auszusagen, doch das geschehe nicht. "Soll die Leiterin geschützt werden, soll hier vertuscht werden?", so zitiert einer der Anwälte aus der Mail eines Justizbeamten. Die Anwälte beklagen, dass die Verantwortung auf ihre Mandantin abgewälzt werde und sie eine Art "Bauernopfer" sei.
Die Anwälte betonten, dass die stellvertretende Leiterin, gegen die ein Betretungsverbot für die JVA verhängt wurde, lediglich ein bestehendes System fortgeführt habe, auch was die viel kritisierte Unterbringung in den sogenannten besonders gesicherten Hafträumen (BgH) anbelangt. Ihre Mandantin habe zwar die Anordnung für die BgH-Unterbringung alleine getroffen. Bei den berichtpflichtigen Fällen – also wenn Häftlinge länger als drei Tage in den Gablinger Keller-Zellen einsitzen mussten – habe jedoch die Leiterin die meisten der Berichte ans Ministerium unterzeichnet.
Auf "bestehendes System" zurückgegriffen?
Dass ihre Mandantin viel mit der "Sicherheitsgruppe" - ein Trupp kräftiger und offenbar auch kampfsporterfahrener Männer - im Haus unterwegs war, sei dem Schutz des Personals und der Häftlinge geschuldet gewesen. Auch diese Gruppe habe sie nicht gegründet oder ausgebaut, sondern auch hier auf ein bereits bestehendes System zurückgegriffen. Dass die Sicherheitsgruppe eine Sonderstellung innerhalb der Anstalt habe, sei sogar in einer Pressemitteilung des Justizministeriums aus dem Jahr 2009 verkündet worden.
Die Anwälte bestätigten, dass ihre Mandantin zusammen mit der Sicherheitsgruppe Häftlinge in den BgH begleitet habe. Das sei eine Amtspflicht gewesen, der sie nachgegangen sei. In die Zellen selbst habe sie die Häftlinge jedoch nicht begleitet. Auch die konkrete Ausgestaltung der BgH-Haft und die Einrichtung der Räume seien nicht ihre Zuständigkeit gewesen und sie habe sich auch nicht darum gekümmert. Dies sei Sache der Hausdienstleiter der jeweiligen Haftbereiche gewesen.
Schwere Vorwürfe gegen Justizministerium
Die Anwälte der stellvertretenden Leiterin kritisierten eine Vorverurteilung ihrer Mandantin. "Von der Unschuldsvermutung bleibt faktisch nicht viel übrig", so ein Anwalt. Sie kritisierten, dass sie etwa als "Sadistin" oder "Rädelsführerin" bezeichnet wurde.
Schwere Vorwürfe machten die Anwälte auch dem bayerischen Justizministerium. Zum Zeitpunkt der gestiegenen BgH-Unterbringungen habe es beispielsweise regelmäßige Sicherheitsverlegungen schwieriger Straftäter nach Gablingen gegeben, wodurch ein Anstieg in der BgH-Belegung begründet sei. Dass dies nicht erwähnt wurde, sei ein "schmutziges Spiel des Ministers".
Vor allem aber kritisierten die Anwälte, dass aus ihrer Sicht nicht gegen "alle Verantwortlichen" ermittelt werde, zumal das Ministerium als Aufsichtsbehörde durch das Schreiben einer früheren Ärztin der JVA-Gablingen Kenntnis von den Vorwürfen hatte, "allen voran der frühere Amtschef des Ministeriums". Die Anwälte erwarten, dass die Staatsanwaltschaft auch in die Richtung dieser Personen ermittelt.
Anwälte bringen Sonderermittler ins Spiel
Zugleich bezweifeln sie massiv die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft Augsburg "als Behörde, die der direkten Weisungsbefugnis des Ministers untersteht". Die Anwälte fordern, dass eine unabhängige Behörde die Ermittlungen leiten sollte. Beispielsweise sei ein Sonderermittler aus Baden-Württemberg denkbar. Ein solches Vorgehen habe es auch schon in anderen Fällen gegeben.
Das bayerische Justizministerium betonte, dass Minister Eisenreich "eine rückhaltlose Aufklärung angekündigt" habe. Die Aufklärung werde mit Nachdruck betrieben, Sofortmaßnahmen seien beschlossen worden. Im "Einzelfall" habe das Justizministerium "Weisungsrecht" gegenüber der Staatsanwaltschaft. Davon habe der Minister aber keinen Gebrauch gemacht. "Dies gilt auch in diesem Fall. Die Staatsanwaltschaft ermittelt selbstständig", so eine Sprecherin. Da gegen Beamte der JVA Gablingen ermittelt werde, könne man sich zu strafrechtlichen Einzelfällen nicht äußern.
Die bisherige Leitung der JVA war vom BR mehrfach für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen angefragt worden. Es kam jedoch keine Rückmeldung. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Im Video: Anwälte der Hauptbeschuldigten sprechen über Vorwürfe
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