Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sieht keinen kirchenrechtlichen Verstoß gegen den Passauer Bischof Stefan Oster im Fall Hauzenberg. Dies geht aus einem Schreiben hervor, das dem BR vorliegt. Damit reagierte Marx als zuständiger Erzbischof auf eine Meldung von Timo Ranzenberger. Dieser wirft Oster vor, die Vorwürfe gegen den abgesetzten Pfarrer nicht rechtzeitig an den Vatikan gemeldet zu haben. Dabei berief sich Ranzenberger auf eine Regelung von Papst Franziskus, die eine Sanktionierung von Bischöfen vorsieht, wenn sie nicht konsequent mit Vorwürfen umgehen.
In eigener Sache hatte Ranzenberger vor Jahren einen Priester aus dem Bistum Trier angezeigt, der ihn als Jugendlicher sexuell missbraucht hatte. Der Priester wurde verurteilt und aus dem Klerikerstand entlassen. Dass Vorwürfe gegen Geistliche – welcher Art auch immer – aufgeklärt und Meldeverfahren eingehalten werden, ist Ranzenberger daher wichtig.
Begründung: Ermittler sehen bisher keinen Anfangsverdacht
Marx argumentiert in seinem Schreiben, die Regelung des Papstes sehe vor, dass mögliche Taten zunächst durch den zuständigen Bischof untersucht werden müssten. Oster habe dies getan, nachdem ihm die Interventionsbeauftragte im März geraten habe, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Beauftragte habe zuvor neues Dokumentationsmaterial einsehen können. Die staatlichen Ermittler sähen bisher keinen Anfangsverdacht, so Marx. Außerdem seien ihm keine Meldung konkreter Betroffener bekannt. Deshalb könne er Ranzenbergers "Auslegung der Rechtslage nicht zustimmen", schreibt der Kardinal.
Missbrauchsbetroffener sieht das Ergebnis der Prüfung kritisch
Ranzenberger sieht das anders. Er sagte dem BR, Bischof Oster habe in seinem Video-Statement erklärt, schon vor der Versetzung des Geistlichen nach Hauzenberg und dessen Ernennung zum Dekan Meldungen wie nun in Hauzenberg bekommen und deshalb ein intensives Gespräch mit dem Geistlichen geführt zu haben. Dies sei vor Januar 2023 gewesen.
In seiner Meldung an Marx bezog sich Ranzenberger ebenso auf das Video-Statement von Passaus Bischof. Darin habe Oster unter anderem eingeräumt, schon seit September 2023 von Vorwürfen gegen den Geistlichen gewusst zu haben. Außerdem hätte ein Präventionskonzept in der Pfarrei nicht umgesetzt werden können, da der Pfarrer in dieser Hinsicht kompromittiert sei, heißt es in dem Schreiben Ranzenbergers. Zudem verweist er auf Medienberichte, nach denen zu den Vorwürfen auch Verhaltensweisen gehörten, die als Grenzüberschreitungen zu werten seien.
Solidarität mit abgesetztem Pfarrer
Hauzenbergs Pfarrer war vor drei Wochen von Bischof Oster suspendiert worden. Der Grund: mutmaßliches Fehlverhalten in der Jugendarbeit. Der Pfarrer ließ über seinen Verteidiger sämtliche Vorwürfe abstreiten. Die zuständige Staatsanwaltschaft sieht nach einer Anzeige durch das Bistum hinsichtlich aller Vorwürfe bisher keinen Anfangsverdacht.
Der Bischof erteilte dem Pfarrer ein vorläufiges Zelebrations- und öffentliches Auftrittsverbot. Zuvor hatten sowohl die Unabhängige Aufarbeitungskommission als auch der Betroffenenbeirat ein Handeln angemahnt.
Seitdem bekunden Tausende Hauzenberger ihre Solidarität mit dem Geistlichen. Am Samstag demonstrierten etwa 1.000 Menschen in Passau für den Geistlichen. In Hauzenberg herrscht seit Längerem ein massiver Konflikt. Alleine in den ersten beiden Wochen nach der Absetzung des Pfarrers sind dort nach Behördenangaben mehr als 100 Katholiken aus der Kirche ausgetreten. Ein Großteil der Ministranten will den Dienst beenden. Eine Onlinepetition wurde bereits von mehr als 10.000 Personen unterzeichnet.
Annäherung zwischen Bischof und Pfarrei-Vertretern
Zuletzt gab es in zwei Gesprächen zwischen dem Bischof und Vertretern des Pfarrverbands erste Anzeichen von Annäherung in diesem Konflikt. "Wir suchen und gehen miteinander Schritte nach vorne", hieß es in einer Pressemitteilung nach diesen Gesprächen.
Hinweis: Wir haben den Artikel um weitere Informationen zu Timo Ranzenberger und zum Stand der Ermittlungen ergänzt.
Im Video: Hunderte demonstrieren für abgesetzten Pfarrer
Demo in Passau für Hauzenberger Pfarrer
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