Der Angeklagte im Gerichtssaal.
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Kehrtwende: Staatsanwaltschaft fordert Freispruch für Arzt
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Kehrtwende: Staatsanwaltschaft fordert Freispruch für Arzt

Kehrtwende: Staatsanwaltschaft fordert Freispruch für Arzt

Der Prozess um den Tod eines 79-jährigen Patienten am Krankenhaus Kelheim hat eine wohl entscheidende Wende genommen. Die Verteidigung sieht ohnehin Ermittlungsfehler, nun plädierte auch der Staatsanwalt selbst auf Freispruch für den Angeklagten.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Im Prozess um den Tod eines Patienten am Krankenhaus Kelheim sind am Landgericht Regensburg am Dienstag die Plädoyers gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft hatte einem ehemaligen Oberarzt der Klinik in ihrer Anklageschrift ursprünglich vorgeworfen, 2022 einen schwerkranken 79-jährigen Patienten ermordet zu haben – mit einer Überdosis des Schmerzmittels Morphin. Am Dienstag beantragte die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für den Mediziner.

Staatsanwalt geht inzwischen von gerechtfertigter Behandlung aus

Der Staatsanwalt geht mit Blick auf die Patientenunterlagen und die im Prozess gehörten Gutachter davon aus, dass die Umstellung auf eine palliative Behandlung gerechtfertigt war. Die vom Angeklagten angeführten Gründe dafür machten aber keinen Sinn, "auch für einen medizinischen Laien nicht", so der Staatsanwalt.

Die Höhe der Morphin-Dosis als mögliche Todesursache könne dem Angeklagten nicht angelastet werden. Woran der 79-jährige Patient letztlich gestorben ist, konnte vor Gericht nicht geklärt werden. Eine Obduktion der Leiche sowie ein toxikologisches Gutachten hatte es nicht gegeben. Am Ende seines Plädoyers sagte der Staatsanwalt, er sei von der Unschuld des Angeklagten nicht überzeugt, aber er müsse von der Schuld überzeugt sein und das sei nicht der Fall.

Verteidigung sieht Ermittlungsfehler

Für die Verteidigung ist klar, dass die Bedingungen für eine Änderung hin zu einer palliativen Behandlung erfüllt waren und die Gründe des Angeklagten für eine Umstellung der Therapie nachvollziehbar sind. Einen Tötungsvorsatz schlossen die Anwälte aus. Die Höhe der Dosis Morphin, wie sie vom Arzt angeordnet worden sein soll, sei außerdem nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.

Daneben kritisierte die Verteidigung in ihren Plädoyers einmal mehr die Arbeit der Ermittler. Dabei bezogen sich die beiden Anwälte etwa auf zum Teil widersprüchliche Zeugenaussagen. Außerdem sagte einer der beiden Anwälte, dass die Anklage auf einer "völlig unvollständigen Behandlungsdokumentation" beruht habe – teilweise, weil die Ermittler Unterlagen zunächst nicht sichergestellt hätten oder die Klinik gewisse Unterlagen nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung gestellt hätte.

"Ich glaube, dass es in der Ermittlungsarbeit zu kriminalistischen Fehlern gekommen ist und diese sich zu einer perfiden Kette zusammengewürfelt haben", so einer der Verteidiger. Weiterhin sprach er von "fahrlässig falschen" und "schlampigen Ermittlungen". Es seien Dinge im Dunkeln geblieben und da könne man keine Rückschlüsse zu Lasten des Angeklagten ziehen.

Nebenklage verweist auf psychische Belastung

Der Anwalt der Nebenkläger, zu der die beiden Schwestern des verstorbenen Patienten gehören, kritisierte bei seinem Plädoyer das Vorgehen in der Klinik. Er sprach von "prozessualen Defiziten", einer "schlechten Kommunikation" zwischen den Ärzten sowie mit den Angehörigen sowie einer "an vielen Stellen mangelhaften Dokumentation".

Weiterhin führte er die psychische Belastung seiner Mandanten an, die nach seiner Einschätzung fortwirken wird. Hoffnung, dass nach dem Verfahren Ruhe einkehre, habe er nicht. "Es gibt die Unsicherheit, die bleiben wird, viele offene Fragen und Schuldgefühle bei den Angehörigen", so der Anwalt. Gleichzeitig betonte er die Belastung für den Angeklagten selbst sowie für dessen Familie. Ein Urteil in dem Fall wird am 30. Juli erwartet.

Arzt war bereits wegen toter Krankenschwester vor Gericht

In dem Prozess machten einige Klinikmitarbeiter von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht möglicherweise selbst zu belasten. Die Verhandlung hatte sich zu einer medizinischen Gutachter-Schlacht entwickelt. Als Antwort auf die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Sachverständigen hatte die Seite des Angeklagten privat diverse Gegengutachten in Auftrag gegeben, um diese zu entkräften. Letztlich wurde ein weiterer Sachverständiger durch das Gericht selbst bestellt. Zuletzt war der Haftbefehl gegen den Arzt außer Vollzug gesetzt worden.

Der angeklagte Arzt musste sich bereits Anfang des Jahres in einem anderen Prozess vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, einer Krankenschwester Ende 2021 während ihrer Schicht wegen einer Migräneattacke die Narkosemittel Propofol und Ketamin gegeben und sie nicht weiter beobachtet zu haben. Sie starb in der derselben Nacht. Das Gericht sah den Vorwurf der Aussetzung mit Todesfolge gegen den Mediziner als nicht erwiesen an. Er wurde freigesprochen.

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