"Ein echter Rettungsanker" sei das Würzburger Projekt M.U.T. – also die mittel- und unterfränkische Themenstelle gegen Diskriminierung – für ihn gewesen, sagt der 33-jährige Habib Ayfarah aus Nürnberg. Aufgrund seiner Hautfarbe und seiner sexuellen Orientierung habe er Diskriminierung erfahren: Nach einem Supermarktbesuch hätten ihn Sicherheitsmitarbeiter homophob und rassistisch beleidigt. Zudem hätten sie ihm fälschlicherweise Diebstahl vorgeworfen und ihm Hausverbot erteilt.
Er nahm Kontakt zu M.U.T. auf, wo er sich sicher gefühlt habe – "ohne Angst vor Verurteilung oder Belästigung". Bei der Beratung habe er zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl gehabt, dass ihm jemand beistand: "Das gab mir die Kraft, schwierige Situationen zu meistern, und den Mut, wieder an mich selbst zu glauben." Nach Vermittlungsgesprächen hat sich die Supermarktkette schließlich bei Habib Ayfarah entschuldigt und das Hausverbot aufgehoben. Dass es die Beratungsstelle mit Anlaufstellen in Würzburg, Schweinfurt und Nürnberg ab Januar nicht mehr geben wird, bedauert er sehr.
Unter- und mittelfränkische Antidiskriminierungsstelle muss schließen
Ende Dezember 2025 muss die Antidiskriminierungsstelle für Mittel- und Unterfranken ihre Arbeit einstellen. Grund dafür ist die fehlende Finanzierung. Vor drei Jahren ist das Projekt mit dem Ziel gestartet, Strukturen für eine wohnortnahe Antidiskriminierungsberatung zu schaffen.
Wer aus rassistischen oder antisemitischen Gründen, wegen seines Geschlechts, der Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Identität diskriminiert wurde, hatte mit M.U.T. eine Anlaufstelle. Projektleiterin Nadja Kutscher und ihr Team haben vermittelnde Gespräche geführt, Beschwerdebriefe verfasst und auch juristische oder psychosoziale Beratung vermittelt.
Ratsuchende müssen nun abgewiesen werden
"Die Entscheidung, dass es mit dem Projekt nicht weitergeht, ist vor allen Dingen für die Menschen, die bei uns Rat gesucht haben, eine große Enttäuschung", beklagt Kutscher. "Es ist für uns auch nur sehr schwer verständlich, weil wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren gemerkt, wie groß der Bedarf an einer Beratung ist."
Schon seit einigen Wochen müsste das Team nun ratsuchenden Menschen mitteilen, dass ihre Fälle abgeschlossen werden müssen und sie keine neuen Fälle annehmen können. "Das ist für die Betroffenen eine riesige Enttäuschung", erzählt die Beraterin.
Keine Mittel: Aus für vier Antidiskriminierungsprojekte in Bayern
Das Projekt war Teil des Förderprogramms "respekt*land" der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Mit der finanziellen Unterstützung sollten in Bayern flächendeckende Beratungsstrukturen aufgebaut werden. Neben M.U.T. wurden bayernweit drei weitere Projekte gegründet – so die Antidiskriminierungsstelle für Oberbayern, die Beratung des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma und die Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten und Integrationsbeiräte Bayerns (Agaby). Auch diese Projekte beenden nun ihre Arbeit.
Weder Geld vom Freistaat noch vom Bund
Eigentlich habe man auf eine Weiterfinanzierung vom Freistaat gehofft. Doch das habe nicht geklappt. Auf Anfrage teilt das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales mit, dass überregionale Antidiskriminierungsberatung Aufgabe des Bundes sei: "Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss die entsprechende Personal- und Sachausstattung bereitstellen", heißt es.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes teilt wiederum mit: "Leider hat der Deutsche Bundestag keine Mittel zur Weiterentwicklung der Modellprojekte in respekt*land zur Verfügung gestellt. Insbesondere für Bayern ist dies sehr bedauerlich." Im Freistaat gebe es, anders als in anderen Bundesländern, "keine Landes-Antidiskriminierungsstelle, die Beratungsangebote für Betroffene von Diskriminierung koordinieren oder finanzieren könnte."
Beratungsangebot fehlt vor allem in ländlichen Regionen
Das bemängelt auch die Würzburger Projektleiterin Nadja Kutscher. "Andere Bundesländer sind schon viel weiter." Während es etwa in Baden-Württemberg ein flächendeckendes Angebot gebe, blieben Betroffene in Bayern häufig ohne Unterstützung – besonders in ländlichen Regionen. Doch auch die Menschen in Bayern hätten ein Recht darauf, "professionell beraten zu werden, um kompetent handeln zu können", betont Kutscher. Ab Januar bieten lediglich einzelne Kommunen – wie Würzburg mit dem Ombudsrat und Nürnberg mit dem Menschenrechtsbüro – eigeninitiierte Anlaufstellen. Jedoch sind diese nur für Einwohner der jeweiligen Stadt.
Die respekt*land-Projekte haben gemeinsam mit den kommunalen Beratungsstellen die "Landesarbeitsgemeinschaft Antidiskriminierung Bayern" gegründet, um in Zukunft politische Lobbyarbeit für die Finanzierung flächendeckender Beratung zu leisten. Am Freitagnachmittag soll bei der Abschlussveranstaltung der Projekte in München auch kritisch thematisiert werden, warum es nun zum Ende der Beratungsprojekte kommt.
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