Winterräume in den Alpen, die eigentlich als Rückzugsorte bei schlechtem Wetter oder Notlagen gedacht sind, werden immer häufiger zweckentfremdet oder gar zerstört. Ehrenamtliche Helfer berichten von Vandalismus. Zuletzt traf es den Winterraum der hochalpinen Stüdlhütte, gelegen auf etwa 2.800 Metern Höhe in der Glocknergruppe: Die Notunterkunft wurde verwüstet. Die Betreiber der Stüdlhütte veröffentlichten in Sozialen Netzwerken Fotos der Schäden und schrieben dazu: "Unser Winterraum wurde erneut mutwillig zerstört" sowie "Wir sind traurig, dass es so weit kommen muss".
Müllberge und kaputte Fenster in Berghütte
Die Stüdlhütte gehört der Sektion Oberland des Deutschen Alpenvereins (DAV). Die Fensterscheiben waren eingeschlagen, die Einrichtung war zerstört, Müllberge hinterlassen worden. Das ist kein Einzelfall: Auch in der Knorrhütte im Wettersteingebirge, an der Mindelheimer Hütte im Allgäu und am Watzmann-Hocheck im Berchtesgadener Land wurden in diesem Jahr bereits Notunterkünfte massiv beschädigt - Möbel wurden zerstört, Feuerholz verbrannt oder die Übernachtungskasse gestohlen.
DAV: Winterräume kein Partyraum
Der DAV appelliert deshalb eindringlich: Winterräume sind kein Partyraum, kein Gratis-Schlafplatz und schon gar keine Müllhalde. Wer sie nutzt, trägt Verantwortung. Denn im Gebirge gilt: Notunterkünfte entscheiden im Zweifel über Sicherheit oder Gefahr. Die Reparatur der Schutzräume fordert die Alpenvereine - sie sei oft nur mit großem Aufwand möglich, manche Ersatzteile müssen sogar per Hubschrauber angeliefert werden.
Der Winterraum der Stüdlhütte ist seit dem Winter 2021 offiziell geschlossen und daher nur als Notunterkunft zugänglich, teilt der Alpenverein München und Oberland mit. Damals löste eine zu nah am Ofen gelagerte Gaskartusche eines Übernachtungsgastes eine Explosion aus, bei der das Dach beschädigt wurde. Im Anschluss an den Vorfall richtete die Sektion Oberland des DAV einen Notraum ein. Eine vollständige Restaurierung des Winterraums ist laut Alpenverein im Rahmen umfangreicher Baumaßnahmen geplant.
Mini-Abenteuer für Instagram
Der Missbrauch von Notunterkünften hat nicht nur zugenommen, sondern nimmt auch neue Ausmaße an. Früher sei schlimmstenfalls Müll zurückgeblieben, mittlerweile würden mutwillig Möbel zerstört, sagt Markus Block, Sprecher des Alpenvereins München, dem BR. "Wir vermuten hier einen Social-Media-Trend, bei dem junge Menschen zu Micro-Adventures in Notunterkünften aufbrechen, um dann Fotos davon online zu posten", so Block.
Besonders groß war der Schaden laut DAV vergangenen Winter bei der Knorrhütte samt Winterraum. Dort fand man billige Schlafsäcke und Alkoholflaschen. "Wir gehen stark davon aus, dass Leute hier nur hergekommen sind, um schöne Fotos zu machen, zu feiern und wieder abzuhauen", sagt der DAV-Sprecher. Die Lage der Knorrhütte mache, laut Block, die Unterkunft noch zugänglicher für ungeübte Wanderer.
Die meisten Bergsteiger nutzen Hütten richtig
Abgesehen von den Vandalismus-Fällen würde nach wie vor der Großteil der Bergsteiger in den Alpen Notunterkünfte richtig nutzen und deren besondere Bedeutung als Schutzräume zu schätzen wissen, sagt der DAV-Sprecher. Deshalb hält es Block vom DAV auch für notwendig, Winterräume, wie den der Stüdlhütte, weiterhin unabgesperrt zu lassen. "Denn wer in den Bergen festsitzt, hat auch keine Möglichkeit, irgendwo einen Schlüssel abzuholen", so Block.
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