Viele Bürgergeldempfänger fühlen sich bei der Arbeitssuche zu wenig vom Jobcenter unterstützt, wie eine aktuelle Studie zeigt. Dafür hat das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung rund 1.000 Bürgergeldempfänger befragt, die seit mindestens einem Jahr Leistungen erhalten. Fast die Hälfte der Erwerbsfähigen sucht demnach aber auch nicht intensiv nach einer neuen Beschäftigung. Demnach geben 57 Prozent der Befragten an, in den vier Wochen vor der Befragung nicht aktiv einen Job gesucht zu haben.
Betroffene nennen Gesundheitsprobleme als Hauptgrund
Unter den Gründen für eigene Passivität nannten fast drei Viertel der Nicht-Jobsuchenden gesundheitliche Probleme. Knapp die Hälfte begründete die passive Haltung mit zu wenigen passenden Stellen. 22 Prozent nannten als Hinderungsgrund, dass sie Angehörige pflegen oder Kinder betreuen müssen. Ein gutes Viertel erklärte, dass sich die eigene finanzielle Lage durch reguläre Arbeit nicht verbessern würde. Elf Prozent sagten, dass sie sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten.
Auch von den Befragten, die aktiv eine neue Stelle suchen, investiert ein Großteil nur wenig Zeit in die Jobrecherche: Laut der Untersuchung suchen nur 26 Prozent der Befragten bis zu neun Stunden pro Woche. Nur sechs Prozent investieren 20 Stunden oder mehr in die Suche.
43 Prozent erhielten noch kein Stellenangebot
Die Studie gibt laut Bertelsmann Stiftung aber auch Hinweise auf Lücken in der Betreuung durch die Jobcenter. 43 Prozent der Befragten gaben an, vom Jobcenter noch nie ein Stellenangebot erhalten zu haben. Knapp 38 Prozent monierten, sie seien bislang bei Weiterbildungsmaßnahmen leer ausgegangen. "Die Jobcenter müssen den Schwerpunkt neu setzen. Weniger Bürokratie, mehr Vermittlung. Jobcenter müssen Menschen in passende Arbeit bringen", sagt Roman Wink, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung.
Sozialverband warnt vor Fehlinterpretation
Der Paritätische Gesamtverband warnte davor, die Ergebnisse der Studie falsch darzustellen. Die Untersuchung erfasse ausschließlich Langzeitbeziehende von mehr als einem Jahr im Bürgergeld und nicht "die Bürgergeldbeziehenden" insgesamt, was das Bild verzerre. Die Aussage, die Hälfte suche keinen Job, sei irreführend. Tatsächlich hätten 59 Prozent der Nicht-Suchenden legitime Gründe wie Krankheit oder die Teilnahme an einer Maßnahme. Von den übrigen 41 Prozent seien wiederum 73 Prozent aktiv auf Arbeitssuche.
Gesetzentwurf in der Abstimmung
Laut Statistik beziehen derzeit rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld, sind arbeitslos gemeldet und zugleich grundsätzlich erwerbsfähig. Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich auf eine Reform des Bürgergeldes, das in Zukunft Grundsicherung heißen soll, geeinigt. Demnach sind verschärfte Mitwirkungspflichten und strengere Sanktionen geplant.
Die zuständige Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat die Reform dennoch auf den Weg gebracht und den Gesetzentwurf vor einer anstehenden Kabinettsentscheidung in die Ressortabstimmung gegeben. In der SPD gibt es dagegen aber noch Widerstand.
Mit Informationen von DPA, EPD und Reuters
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