Ein Mann schiebt bei sonnigem Wetter einen Kinderwagen
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Kinderstartgeld: "Weiterentwicklung" oder "Mogelpackung"?

Kinderstartgeld: "Weiterentwicklung" oder "Mogelpackung"?

Familien mit kleinen Kindern bekommen in Bayern künftig einmal statt monatlich Geld – und deutlich weniger als bisher. Die schwarz-orange Koalition spricht von einer Weiterentwicklung des Familiengelds, von der Opposition kommt scharfe Kritik.

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"Besondere Leistung", "menschlich", "Rückhalt nicht nur in Worten, sondern ganz klar auch in Euro": Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) ist in der Landtagsdebatte voll des Lobes für das Kinderstartgeld, das zum 1. Januar eingeführt werden soll. Jedes Kind, das in Bayern zur Welt komme, erhalte künftig 3.000 Euro zum ersten Geburtstag. Das gebe es nur im Freistaat.

Mit dem Kinderstartgeld werde das bisherige Familiengeld weiterentwickelt. In der Summe bleibe das Budget für Familien erhalten: Ein Teil gehe weiter direkt an Eltern, der andere Teil fließe in den Ausbau der Kindertagesbetreuung. "Es gibt keine Kürzungen", betont Scharf. Die Opposition sieht das völlig anders: "Augenwischerei" (AfD), "Etikettenschwindel" (Grüne), "Mogelpackung" und "Taschenspielertrick" (SPD).

Kehrtwende unter Söder

Bayern hat seine Familienleistungen über die Jahre mehrfach geändert. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das als "Herdprämie" verspottete bundesweite Betreuungsgeld stoppte, gab es unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ab 2016 das bayerische Betreuungsgeld: 150 Euro monatlich für Ein- und Zweijährige, die keine Krippe besuchen.

Unter Markus Söder (CSU) die Kehrtwende. Aus Betreuungsgeld und einkommensabhängigem Landeserziehungsgeld wurde ein Familiengeld für alle: Zwei Jahre lang 250 Euro monatlich, ab dem dritten Kind 300 Euro - unabhängig davon, ob sie zu Hause oder in einer Kita betreut werden. Insgesamt bekommen Familien 6.000 Euro pro Kind, ab dem dritten Kind 7.200 Euro. Für einkommensschwache Familien kommt das Krippengeld von bis zu 100 Euro monatlich hinzu, also maximal 2.400 Euro. Zum 1. Januar werden Familien- und Krippengeld nun zum Kinderstartgeld zusammengelegt.

"Das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit"

Eine Einmalzahlung von 3.000 Euro klinge zunächst großzügig, sagt SPD-Sozialexpertin Doris Rauscher. Tatsächlich handle es sich um eine "massive Kürzung". Besonders hart treffe dies einkommensschwache Familien. "Die verlieren nicht nur das Familiengeld zu 50 Prozent, sondern auch das Krippengeld, das gezielt Familien mit einem Einkommen bis zu 60.000 Euro unterstützt hat." Bis zu 5.400 Euro weniger pro Kind: Das sei "das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit".

Den Verweis darauf, dass es eine solche Leistung nur in Bayern gebe, lässt Rauscher nicht gelten. In vielen Bundesländern zahlten Eltern sehr geringe oder keine Kindergarten-Gebühren, "während sie bei uns zum Teil durch die Decke gehen".

"Echte Wahlfreiheit"

Scharf will das Kinderstartgeld nicht als "Ersatz", sondern als "guten Nachfolger" für das Familiengeld verstanden wissen. "99 Prozent unserer Kinder besuchen vor der Einschulung eine Kita. Und deshalb ist es so wichtig, auch die Einrichtungen zu stärken."

Laut Anton Rittl von den Freien Wählern bringt die Reform "finanziellen Spielraum": Statt 793 Millionen würden künftig 360 Millionen Euro im Jahr direkt an Familien gezahlt. "Die restlichen 433 Millionen werden in die Kinderbetreuung effizienter investiert und nicht mehr mit dem Gießkannenprinzip verteilt." Die CSU-Abgeordnete Melanie Huml lobt das Kinderstartgeld als "unbürokratisch" und "gerecht". Denn es sei einkommensunabhängig und hänge auch nicht von der Betreuungsform ab. "Das ist Wahlfreiheit."

AfD kritisiert Wegfall der "Mehrkind-Komponente"

Franz Schmid von der AfD kritisiert es als "fast schon unverschämt", dass die Staatsregierung den gebeutelten Familien die Hälfte des Geldes kürze und sich dann auch noch als Retter verkaufen wolle. Es sei ein "Schlag ins Gesicht" für alle, die auf Unterstützung angewiesen seien. Ein Rückschritt sei auch der Wegfall der "Mehrkind-Komponente", die es beim Familiengeld gebe. "Kinderreiche Familien verdienen eine besondere Wertschätzung, doch diese wird ihnen nun verwehrt."

Grüne: "Wo bleibt die Gerechtigkeit"?

Die Grünen-Abgeordnete Julia Post mahnt "Klartext" an: "Wer Unterstützung streicht, soll es auch so nennen." Eltern und Erzieherinnen warten laut Post seit Jahren auf Verbesserungen in den Kitas. In 13 Jahren habe der Freistaat 1,9 Milliarden Euro in neue Kita-Plätze investiert.

Für das Familiengeld seien in nur sechs Jahren mehr als 4,6 Milliarden Euro ausgegeben worden, auch für Menschen mit hohem Einkommen. "Wo bleibt da die Gerechtigkeit?" Jetzt sei das Geld weg. "Hätten wir die 4,6 Milliarden in den Kita-Ausbau gesteckt, in die Qualität, in kleinere Gruppen, in besser bezahlte Fachkräfte, dann gäbe es heute echte, nachhaltige Entlastung für Familien."

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