Einst wegen seiner teuren Bauwut vom Landtag entmündigt, könnte König Ludwig II. knapp 140 Jahre nach seinem Tod dafür sorgen, dass Deutschland eine weitere Welterbe-Auszeichnung bekommt: Das Welterbe-Komitee der UNESCO tagt derzeit in Paris. Dort entscheiden die Experten unter anderem, welche Kultur- und Naturstätten sie heuer in das Welterbe-Verzeichnis aufnehmen wollen.
Deutschland hat Ludwigs Königsschlösser ins Rennen geschickt, also Schloss Neuschwanstein, Schloss Herrenchiemsee, Schloss Linderhof und das Königshaus am Schachen. Um in die renommierte Welterbeliste der UNESCO aufgenommen zu werden, müssen die Stätten "außergewöhnlichen universellen Wert für die gesamte Weltgemeinschaft" aufweisen. Die Frage: Haben die Schlösser des "Kini" wirklich diesen besonderen Wert?
Söder siegessicher: "Neuschwanstein kennt jeder"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist siegessicher: "Es gibt so viele Weltkulturerbestätten, die keiner kennt", sagte er bei seinem Besuch auf Schloss Neuschwanstein Anfang der Woche, "Neuschwanstein kennt jeder, also passt das dann." Auch Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) gibt sich zuversichtlich: "Wenn nicht die Königsschlösser den Titel verdient haben – wer oder was dann?"
1,7 Millionen Menschen besuchten 2024 die vier Königsschlösser
Die Ludwigsschlösser seien nicht nur architektonische Meisterwerke, sondern auch Ausdruck der Persönlichkeit und der Träume des Märchenkönigs, begründet das bayerische Heimatministerium die Entscheidung, mit den Schlössern ins Rennen zu gehen. Nach Angaben des Ministeriums besuchten vergangenes Jahr rund eine Million Menschen allein Schloss Neuschwanstein.
Auf Schloss Linderhof streiften immerhin rund 350.000 Besucher durch die Räume mit der kunstvollen Innenausstattung - und Herrenchiemsee und seine Gärten hießen rund 310.000 Menschen willkommen.
Das Königshaus am Schachen sei dagegen fast noch ein Geheimtipp, erklärte eine Sprecherin des Heimatministeriums auf Anfrage: Nur rund 10.000 Touristen hätten vergangenes Jahr das Holzschloss im Wettersteingebirge auf rund 1.900 Metern Höhe besucht.
Welterbe-Bewerbung: Nicht alle waren begeistert
Fest steht: Sollten die Königsschlösser tatsächlich den Welterbe-Status bekommen, wird das internationale Interesse an den Bauten wohl eher zu- als abnehmen - was nicht allen gefällt. Die Gemeinde Schwangau bei Schloss Neuschwanstein führte 2023 einen Bürgerentscheid durch. Einige Bürger hatten Bedenken, dass der Status als Weltkulturerbe zu noch mehr Tourismus führen würde. Eine Mehrheit entschied sich dann aber für die Bewerbung Neuschwansteins.
Die Diskussion habe sich seitdem beruhigt, sagt der Bürgermeister von Schwangau, Stefan Rinke (CSU): "Die Mehrheit war dafür, dass die Gemeinde den Antrag unterstützt."
Tourismus fester Bestandteil der Gemeinden
Die Gemeinde Ettal, in deren unmittelbarer Nähe Schloss Linderhof liegt, stehe dagegen grundsätzlich hinter der UNESCO-Welterbe-Bewerbung, sagt Bürgermeisterin Vanessa Voit (Freie Wählergemeinschaft). Denn der Tourismus sei seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Region und sichere das wirtschaftliche Überleben der Kommune.
Dennoch: Der stete Touristenstrom stellt die 700-Einwohner-Gemeinde auch vor Herausforderungen. Voit fordert, dass die Infrastruktur rund um Schloss Linderhof mitwachsen muss, sollte das Bauwerk ins Welterbe-Verzeichnis aufgenommen werden.
In Prien am Chiemsee, von wo mehrmals täglich Schiffe Besucher zur Insel Herrenchiemsee und zum gleichnamigen Schloss bringen, blickt man wohlwollend auf die UNESCO-Bewerbung. "Vor allem für die Nebensaison erhoffen wir uns mehr Gäste", teilte Priens Bürgermeister Andreas Friedrich (Überparteiliche Wählergemeinschaft Prien am Chiemsee) BR24 mit. Aus seiner Sicht wäre eine höhere Besucherzahl für die Region verkraftbar.
Ein langer Weg bis zur Bewerbung
Bestrebungen, Neuschwanstein in die UNESCO-Welterbe-Liste aufnehmen zu lassen, gibt es schon seit 22 Jahren. 2007 hatte der Landtag beschlossen, sich auch mit den anderen Königsschlössern zu bewerben. Seit 2015 stehen die vier Schlösser offiziell auf der deutschen Vorschlagsliste. Anfang 2024 hatte das Auswärtige Amt den entsprechenden Antrag bei der UN-Organisation eingereicht.
Königsschlösser würden Teil einer imposanten Liste
Falls die Entscheidung des UNESCO-Welterbe-Komitees positiv für die bayerischen Königsschlösser ausfällt, reihen sie sich ein in eine beeindruckende Liste an Kultur- und Naturstätten, auf der etwa die Akropolis in Athen, die Pyramiden von Gizeh in Ägypten und die Chinesische Mauer stehen.
In Deutschland sind bislang 54 Natur- und Kulturerbestätten in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen worden (externer Link).
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!