Viele Straßen sind in Babenhausen im bayerisch-schwäbischen Landkreis Unterallgäu überflutet (Aufnahme mit einer Drohne). Das Wasser läuft in die Keller der Häuser.
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Viele Straßen sind 2024 in Babenhausen im bayerisch-schwäbischen Landkreis Unterallgäu überflutet.

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Kritik an Hochwasserschutz: "Bayern steht da wie letztes Jahr"

Kritik an Hochwasserschutz: "Bayern steht da wie letztes Jahr"

Nach der Flutkatastrophe 2024 in Bayern versprach die Staatsregierung mehr Geld für Hochwasserschutz und Reparaturen. Ob sie ihr Versprechen gehalten hat, was die Kommunen selbst fordern, was fehlt – eine erste Bilanz.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Braune Wassermassen, gebrochene Dämme, vollgelaufene Häuser, Evakuierungen. Erschöpfte Helfer, Vermisste und mindestens vier Tote – Bilder der Flut, die Schwaben und Oberbayern im Mai und Juni vergangenen Jahres schwer getroffen hat. Die Schäden waren immens, sind teils noch längst nicht behoben. Und über allem schwebt die Angst: was, wenn das Wasser wieder kommt?

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) versprach damals die Wiederinstandsetzung der belasteten Hochwasserschutzanlagen sowie neue staatliche Hochwasser-Mittel. Um Hochwasserschutzprojekte voranzutreiben, müsse auch über das Instrument der Enteignung von Grundstücken gesprochen werden. Wie ist der Stand ein Jahr nach der Flut?

Ministerium: mehr Geld, viele Projekte

Seit 2021 folgt Bayern seiner "Hochwasserschutzstrategie". 280 Millionen Euro hat der Freistaat laut Umweltministerium im vergangenen Jahr für den Hochwasserschutz ausgegeben, 60 Millionen mehr als 2018. Im Nachtragshaushalt 2025 wurden weitere 40 Millionen Euro bereitgestellt. "Das heißt, wir können tatsächlich mehr Projekte jetzt realisieren", sagt Glauber.

Für Sofortmaßnahmen zur Sanierung von Schutzanlagen wurden laut Ministerium "bereits rund sieben Millionen Euro" investiert, bis zu 30 Millionen könnten abgerufen werden. Auch Vorhaben, wie das Wildbachprojekt an Kanker und Partnach, seien im vergangenen Jahr abgeschlossen worden. Zudem werde das Flutpolderprogramm an der Donau schrittweise verwirklicht.

Die Arbeit an einer Gesetzesänderung ist Glauber zufolge "auf der Zielgeraden". Zum einen werde Kommunen ermöglicht, in Eigenregie Projekte vorzuziehen – also jetzt Schutzmaßnahmen umzusetzen, für die sie erst in einigen Jahren Geld vom Freistaat bekommen. Zum anderen solle das "überragende öffentliche Interesse" des Hochwasserschutzes gesetzlich verankert werden, was bei Grundstückskonflikten Enteignungen erleichtern würde.

Opposition: falscher Fokus, zu langsam

Der Opposition ist das zu wenig. Statt auf teure Polder sollte Bayern auf natürlichen, passgenauen Hochwasserschutz setzen, sagt Christian Hierneis, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Doch neue Maßnahmen aufgrund der Flutkatastrophe 2024 habe die Regierung nicht getroffen. "Es hat sich seit letztem Jahr nichts geändert, es gab keine Beschleunigung, Schwerpunktsetzung oder Ähnliches."

Bayern stehe heute nicht wesentlich besser da, bemängeln auch SPD und AfD. Gerd Mannes (AfD) stört sich an einzelnen Leuchtturmprojekten. Vorhandenes Geld müsse mehr in der Fläche ankommen – bei Gewässern, bei denen der größte Schutzbedarf bestehe. Dazu gehörten auch kleine Bäche. "Bei gleicher Wetterlage würde uns vermutlich das Gleiche blühen", schätzt Mannes. Das Geld, das Bayern in den Hochwasserschutz investiere, reiche nicht aus.

Die Staatsregierung sei "viel zu langsam", kritisiert auch SPD-Umweltexpertin Anna Rasehorn. "Wir wollen schnellere Genehmigungsverfahren und pragmatische Lösungen vor Ort. Gemeinden, die Konzepte in der Schublade haben, brauchen keine weitere Begutachtung, sondern grünes Licht."

Kommunen wollen mehr Eigenverantwortung

Nordendorf im Landkreis Augsburg wurde beim Hochwasser 2024 überflutet. Seit mehr als zehn Jahren bemüht sich die schwäbische Gemeinde schon um einen Deich. Das Wasserwirtschaftsamt, das die Kommune berät und Schutzkonzepte erstellt, müsse aber alle wesentlichen Schritte mit der Regierung von Schwaben abstimmen, sagt Bürgermeister Tobias Kunz (Freie Wähler). Der Bau des Deichs werde noch mindestens vier bis fünf Jahre dauern. Hätten die Kommunen mehr Entscheidungskompetenzen, würde man "wertvolle Zeit sparen".

Ähnliches ein paar Kilometer westlich, in der Gemeinde Wertingen: Seit große Teile der Innenstadt 2024 überschwemmt wurden, sei "praktisch nichts passiert", sagt Bürgermeister Willy Lehmeier (Freie Wähler). Dabei gebe es beim Hochwasserschutz ganz viele "pragmatische Beispiele, die man von heute auf morgen umsetzen kann". Der Staat müsse den verantwortlichen Personen vor Ort mehr zutrauen und das Geld zur Verfügung stellen, sagt Lehmeier.

SPD und Grüne fordern mehr Personal

Für Anna Rasehorn ist beim Hochwasserschutz "Knausern nicht das Mittel der Wahl". Die Staatsregierung müsse bei Förderprogrammen vielmehr nachsteuern.

SPD und Grüne fordern zudem mehr Personal in den Wasserwirtschaftsämtern. "Ein Wasserwirtschaftsamt hat heute vier Landkreise oder kreisfreie Städte zu betreuen, das ist nicht schaffbar", sagt Christian Hierneis (Grüne). Seit 20 Jahren baut die Staatsregierung in den Ämtern Stellen ab, mehr als hundert sollen bis 2029 laut Haushaltsgesetz noch folgen.

Video: Ein Jahr nach der Flut

Bergsturz in Blatten
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