Symbolbild: Wahlurne
Bildrechte: picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten
Videobeitrag

Symbolbild: Wahlurne

Videobeitrag
>

Kein Wahlmandat für Gemeindemitarbeiter: Fair oder überzogen?

Kein Wahlmandat für Gemeindemitarbeiter: Fair oder überzogen?

In einem halben Jahr ist in Bayern Kommunalwahl. Erstmals greift dann eine neue Regel: Mitarbeiter von Städten und Gemeinden dürfen kein ehrenamtliches Mandat mehr annehmen. Früher galt das nur für Führungskräfte. Es gibt jedoch eine Ausnahme.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Ein Gemeinderat trifft für die Menschen vor Ort wichtige Entscheidungen: Wie lange soll eine Kita offen sein, welche Spielplätze werden saniert, in welchem Rhythmus wird der Müll geleert und welche Grundstücke werden an wen verkauft? Damit es nicht zur Vermischung von Interessen kommt, waren bisher Führungskräfte, die bei der entsprechenden Kommune angestellt sind, von einem Ehrenamt im Gemeinderat ausgeschlossen. Nun hat das Innenministerium die Regel auf alle kommunalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeweitet - also auch auf Teilzeitbeschäftigte.

In Artikel 31 der Bayerischen Gemeindeordnung heißt es seit 1. Januar 2024: "Ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder können nicht sein: 1. Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Gemeinde."

Erstmals greift damit bei der Kommunalwahl in Bayern in einem halben Jahr eine neue Regel: Kita-Erzieherinnen, Pförtner oder Bürokräfte können laut Neufassung der Bayerischen Gemeindeordnung nicht mehr im Gemeinde- oder Stadtrat tätig sein.

SPD-Landtagsabgeordneter Scheuenstuhl: "Mit Kanonen auf Spatzen schießen"

Die Neuregelung zum Schutz vor Interessenskonflikten hält der mittelfränkische SPD-Landtagsabgeordnete Harry Scheuenstuhl für übertrieben: "Ich glaube, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird vonseiten des Ministeriums. Lasst die Leute doch in der Demokratie mitmachen." Scheuenstuhl fürchtet, dass durch die Verschärfung der Regel noch mehr Menschen davon abgeschreckt werden, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. "Politisches Engagement sollte uns eigentlich lieb und teuer sein – gerade auch im Kita-Bereich", so der SPD-Politiker. Er fordert, dass die Regelung wieder zurückgenommen wird, da es aus seiner Sicht bei Erzieherinnen und Erziehern in nichtleitender Funktion keinen Interessenskonflikt gebe.

Bayerischer Gemeindetag begrüßt die Erweiterung auf Teilzeitbeschäftigte

Der Bayerische Gemeindetag dagegen begrüßt die gesetzliche Nachjustierung. Sie führe zu Gleichheit zwischen allen Beschäftigten einer Gemeinde, so ein Sprecher des kommunalen Spitzenverbands. "Die frühere Regelung führte in Einzelfällen zu Auslegungsschwierigkeiten, die nunmehr vermieden werden", heißt es auf BR-Anfrage. Aus Sicht des Verbandes führt die Neuregelung nicht dazu, weniger Kandidaten für die kommende Kommunalwahl zu finden.

Das Innenministerium begründet die Nachbesserung von Art. 31 der Bayerischen Gemeindeordnung mit Rückmeldungen aus den Kommunen:

"Kommunale Mandatsträger und Bürgermeister (...) gaben zu bedenken, dass es die Arbeit im Gemeinderat erschwere, wenn regelmäßig Personen, die gleichzeitig auch für die Kommune arbeiten, dort ehrenamtlich tätig sind."

Ausnahme für körperlich-tätige Angestellte, örtlicher Wahlausschuss über Einzelfälle

Es gibt jedoch auch bei dieser Regelung eine Ausnahme: Überwiegend körperlich tätige Mitarbeiter dürfen trotz ihrer Anstellung bei der Kommune für den Gemeinde-/Stadtrat kandidieren, beispielsweise Angestellte im Bauhof, Busfahrer oder Bademeister. Weshalb die Ausnahme? Das Innenministerium erklärt dazu: "Das Differenzierungsmerkmal der überwiegend körperlichen Arbeit ist verfassungsrechtlich vorgegeben. Art. 137 Abs. 1 des Grundgesetzes erlaubt es den Bundesländern nicht, Arbeiter von der Tätigkeit als ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder auszuschließen."

Und noch eine Einschränkung gibt es: Über alle Einzelfälle von kommunalen Mitarbeitern, die sich trotz der Regelung aufstellen lassen und tatsächlich in das kommunale Gremium gewählt werden, entscheidet im Nachgang der Wahlausschuss. Dieser muss nach der Wahl prüfen, ob die betroffene Person bei besonderen Bedingungen trotz Anstellung bei der Gemeinde in den Gemeinderat einziehen darf.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!