"Eine Röhre, mit vorne und hinten einem Deckel drauf." So beschreibt Arthur Loibl aus Straubing die Titan. 2021 will er mit dem neuen U-Boot zur Titanic tauchen. Schon der erste Eindruck habe viele Mitreisende abgeschreckt, erzählt der Unternehmer. Sie seien nicht eingestiegen. Er schon. "Wenn du so lange darauf gewartet hast, willst du einfach nur runter." Obwohl beim Zuwasserlassen des U-Boots erste Probleme auftreten, wird seine Fahrt einer der wenigen Tauchgänge, der nicht abgebrochen werden muss. Die Titan erreicht ihr Ziel: den Bug der Titanic. Für die Gefühle findet Loibl auch drei Jahre später nur schwer Worte – auch, weil die Erinnerung nicht nur mit Euphorie verbunden ist.
Was Arthur Loibl auf seiner Titan-Expedition erlebt und gesehen hat – und wie auch eine andere Bayerin eine Reise zur Titanic gewagt hat, sehen Sie im Video.
Arthur Loibl aus Straubing bestieg die "Titan" – kurz bevor das U-Boot selbst zur Tragödie wurde.
Tauchfahrten nur für exklusiven Kreis
Dabei darf sich der Straubinger zu einem der wenigen Menschen zählen, die seit der Entdeckung des Wracks vor 40 Jahren zur Titanic getaucht sind. Er gehört damit zu einem exklusiven Kreis: Tiefseeforscher, Archäologen – und gut zahlende Touristen, die mit hohen Summen die Expeditionen finanzieren. Loibl fällt in die letzte Kategorie. Einen sechsstelligen Betrag zahlte er für "das Abenteuer". Zwei Menschen, mit deren U-Boot er getaucht ist, werden dafür mit ihrem Leben bezahlen.
Schlechtes Wetter – doch ein letzter Versuch wird gestartet
Mit Arthur Loibl an Bord waren der erfahrene Titanic-Taucher Paul Henry Nargeolet und Richard Stockton Rush, Gründer von OceanGate. Die Firma hatte die Titan gebaut, Rush sie selbst gesteuert.
Am 18. Juni 2023 waren beide mit dem Tauchboot und weiteren Touristen wieder auf dem Weg zum Wrack. Einen Tag vor dem Tauchgang erhält Loibl noch eine Mail von Rush: Das Wetter sei schlecht, bisher habe kein Tauchgang funktioniert. Man setze alles auf diesen letzten Versuch.
Rush kündigte außerdem eine neue Mission bei den Azoren an – für 150.000 Dollar könnten frühere Passagiere sich Plätze sichern. Auch Loibl hätte dieses Vorrecht gehabt. Doch seine Antwort erreichte Rush nie. Auf dem Weg zum Wrack implodiert die Titan kurz vor dem Ziel. Alle fünf Insassen kommen ums Leben.
Ein Unglück mit Vorzeichen
Anfang August veröffentlicht die amerikanische Küstenwache ihren Untersuchungsbericht: Stockton Rush habe fahrlässig gehandelt, weil er Zwischenfälle bei früheren Fahrten nicht untersucht habe. Deutlich wird: Er wollte nicht, dass die geplante Erfolgsgeschichte wortwörtlich Risse bekommt. Die Titan war eine Neuheit: eine zylinderförmige Konstruktion aus Carbonfaser, die günstigere Fahrten ermöglichen sollte. Bisherige U-Boote bestanden meist aus massiven Stahlkugeln, teils aus Titan – allesamt unabhängig zertifiziert, im Gegensatz zur Titan. Mehrere Mitarbeiter von OceanGate warnten, darunter der Chefingenieur. Wer zu laut Kritik übte, verlor seinen Job.
Mit Haftungsausschluss und Lebensversicherung zur Titanic
Arthur Loibl ist nicht der einzige Bayer, der die Titanic schon gesehen hat. Schon 1998 tauchte Brigitte Saar mit dem russischen U-Boot Mir zum Wrack. Noch heute hat sie die Bilder vor Augen: Dunkelheit am Meeresboden, im Scheinwerferlicht tauchen unbeschädigte Weinflaschen, weiße Teller, Möbelreste und schließlich eine 30 Meter hohe, rostige Stahlwand auf: die Titanic.
Ihre Crew war erfahren, hatte auch in James Camerons Hollywood-Film mitgewirkt. Vor der Reise musste Saar dennoch einen Haftungsausschluss unterschreiben, der gleich beim ersten Punkt auf das tödliche Risiko hinwies. Außerdem schloss sie mit 24 Jahren ihre erste Lebensversicherung ab. Doch ernsthafte Zweifel hatte sie nicht – ebenso wenig wie Arthur Loibl später.
Ob es leichtsinnig war, in die U-Boote zu steigen? Saar wäre mit einem Urteil vorsichtig: "Tatsächlich konntest du das als Laie nicht überblicken. Irgendjemand erzählt dir: Das ist ein Druckkörper, der ist so und so gebaut, wir haben das nachgerechnet, das hält. Aber nachrechnen?" Das Vertrauen war berechtigt: Bis zum Titan-Unglück hatte kein ziviles Tiefseeforschungs-U-Boot eine folgenschwere Havarie.
Haben Titanic-Expeditionen eine Zukunft?
Nach dem Titan-Unglück gab es wieder Expeditionen zur Titanic. Allerdings unbemannt, mit ferngesteuerten Tauchrobotern. Und derzeit arbeitet ein amerikanischer Unternehmer an einem neuen U-Boot für Reisen zum Wrack. Auch Brigitte Saar glaubt, dass Expeditionen zur Titanic eine Zukunft haben. "Wenn die Titanic der Stellvertreter ist für ganz viel Tiefseeforschung und Geschichtsforschung, dann muss man sagen: je mehr Expeditionen, umso besser."
Dieser Artikel ist erstmals am 1. September 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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