Archivbild: Kultusministerin Stolz und Ministerpräsident Söder
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Kritik an Söders Machtwort zu Exen: "Fachlich völlig daneben"

Kritik an Söders Machtwort zu Exen: "Fachlich völlig daneben"

Exen an Schulen bleiben möglich - diese Ansage von Ministerpräsident Söder stößt auf viel Kritik: Ein Lehrerverband wirft ihm einen "überholten Bildungsbegriff" vor, laut SPD liegt Söder "fachlich völlig daneben". Es gibt aber auch Lob.

Simone Fleischmann ist sauer - und zeigt das deutlich: Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) wirft Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, er mache Bildungspolitik "mit Machtworten und Schnellschüssen" und habe einen "völlig überholten Bildungs- und Leistungsbegriff".

Für Söders Ansage, dass eine Abschaffung von Exen und unangekündigten Abfragen nicht infrage komme, gibt es aus Fleischmanns Sicht keine fachlichen Gründe: Denn Exen hätten "gar nichts" mit Leistung oder Lernerfolgen zu tun, betont die BLLV-Präsidentin. Entsprechende Erfahrungen von Lehrerinnen und Lehrern deckten sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Söder weist Ministerin in die Schranken

Söder hatte am Mittwoch bei der CSU-Fraktionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz klargestellt: "Exen und Abfragen werden natürlich bleiben." Eine Abschaffung würde dem Ministerpräsidenten zufolge "die Leistungsdichte verschlechtern".

Damit wies er öffentlich die zuständige Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) in die Schranken, die einen ergebnisoffenen Dialog mit der Schulfamilie über die Zukunft von Prüfungen und Tests angekündigt hatte. Zugleich bügelte er die Forderung der Online-Petition "Schluss mit Abfragen und Exen" ab, die in den Landtag eingebracht werden soll. Mehr als 16.000 Menschen haben die Petition bisher unterschrieben, die von einer Münchner Schülerin angestoßen wurde.

"Ich bin sehr, sehr enttäuscht"

Fleischmann kritisiert mit Blick auf die Petition, Söder versuche, basisdemokratische Bemühungen von Schülerinnen und Schülern schon im Ansatz auszuhebeln. "Dann können wir uns auch die ganze Demokratiebildung an unseren Schulen sparen." Im BR-Interview beklagt die BLLV-Präsidentin, Söder regiere vom Kloster Banz in die Klassenzimmer hinein. "Ich bin sehr, sehr enttäuscht."

Laut der Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, mischt sich Söder nicht nur in den Zuständigkeitsbereich von Ministerin Stolz ein, sondern "greift auch noch einer Entscheidung des Landtags über die laufende Petition vor". Borgendale betont: "Vielleicht täte dem Herrn Ministerpräsidenten eine Verfassungsviertelstunde gut" - eine Anspielung auf das neue Unterrichtselement in Bayerns Schulen.

Kritiker von Exen sehen sich durch eine schulpädagogische Studie der Universitäten Bayreuth und Wien aus dem Jahr 2022 bestätigt: Demnach stärken unangekündigte Leistungskontrollen die Angst von Schülern, verringern ihre Freude am Lernen und schwächen auf diese Weise ihre Leistungsfähigkeit. Dagegen hätten verlässlich angekündigte Tests eine vorteilhaftere Wirkung auf die Emotionen der Schülerinnen und Schüler sowie auf ihre Lernerfolge.

Unmut bei SPD und Grünen

Die SPD-Bildungsexpertin im Landtag, Nicole Bäumler, spottet: "Söder spielt mal wieder den Kultusminister – und liegt damit fachlich völlig daneben." Aus ihrer Erfahrung als Lehrerin und aus Studien wisse sie, dass Schülerinnen und Schüler mit angekündigten Tests weniger gestresst seien und mehr Spaß am Unterricht hätten. Statt die Kompetenz von Bildungsexperten zu ignorieren, solle Söder die Aufgabe seiner Ministerin überlassen.

Grünen-Fraktionsvize Johannes Becher verweist darauf, dass Kinder ganz unterschiedlich mit Druck umgehen. Es sei typisch für Söder, dass es bei der Leistungsbewertung "keinerlei Innovation" gebe, "dass nicht einmal darüber gesprochen werden darf, etwas zu verändern".

Philologenverband auf Söders Seite

Der Bayerische Philologenverband (BPV) ist dagegen auf der Seite des Ministerpräsidenten. BPV-Chef Michael Schwägerl sagt dem BR: "Es freut uns, dass unsere Argumentation zu diesem Thema überzeugt hat." Es gehe seinem Verband nicht um ein Festhalten an überholten Leistungsvorstellungen. "Sondern es geht darum, den Schulen die pädagogischen Freiräume zum sinnvollen Einsatz von unangekündigten Leistungsnachweisen zu lassen, wie sie die Schulordnungen vorsehen." Für den Philologenverband sind unangekündigte Leistungsnachweise ein schulisches Format, "das auch heute noch pädagogisch sinnvoll ist".

Ministerin lenkt ein

Kultusministerin Stolz lenkt nun ein: Sie stehe mit Söder in ständigem Austausch, auch zum Thema Leistungsnachweise, sagte sie der dpa. "Wir sind beide der Überzeugung, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen dazu befähigen müssen, auch spontan und adäquat auf herausfordernde Situationen zu reagieren. Dazu gehören auch unangekündigte Leistungsnachweise."

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