Windräder im Sonnenuntergang
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In Regionen mit viel Windkraft fallen hohe Netzentgelte an. Der Streit um eine gerechte Verteilung der Kosten dauert an.

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Kritik aus Bayern: Strompreisreform gefährdet Arbeitsplätze

Kritik aus Bayern: Strompreisreform gefährdet Arbeitsplätze

Die Kritik aus Bayern kommt gleich aus mehreren Richtungen: Nicht nur Ministerpräsident Söder, sondern auch SPD-Fraktionschef von Brunn und Freie Wähler-Chef Aiwanger lehnen Pläne des Bunds für eine Strompreisreform ab. Das gefährde Arbeitsplätze.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob sich die Bayern SPD und die CSU einig wären und unterschiedliche Strompreiszonen ablehnen: Für Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wäre das "eine weitere Attacke der Ampel auf den Süden", wie er der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Wer solchen Zonen "das Wort redet, legt die Axt an den Industriestandort Deutschland und gefährdet Süddeutschland als industrielles Herz der Republik".

Und auch der bayerische SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn will in seinem Wirtschaftsplan für die Landtagswahl 2023 eine Politik unterstützen, die "zu langfristig einheitlichen Strompreisen in Deutschland" führt. Doch von Brunn übt Kritik an den Plänen der Bundesnetzagentur.

Bundesnetzagentur: Belohnung für Erneuerbare

Die Bundesnetzagentur hatte sich am Samstag für eine Strompreisreform mit niedrigeren Gebühren für Regionen mit viel Windkraft ausgesprochen. In Bayern, aber auch in Ländern wie Baden-Württemberg, wird deutlich weniger Windenergie produziert als in norddeutschen Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Brandenburg.

"Es liegt auf der Hand, dass wir den Erneuerbaren-Ausbau belohnen sollten. Ich kann den Frust vieler Bürger und Regionen darüber gut verstehen", sagte Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur. Es seien im Übrigen aber auch Regionen in Süddeutschland betroffen, in denen viele Windräder aufgestellt und ans Netz angeschlossen würden. Deshalb sieht Müller darin kein reines Nord-Süd-Thema. Ziel sei es, die Benachteiligung der Regionen mit Windkraft beim Strompreis zu beseitigen.

Zwei unterschiedliche Strompreiszonen in Deutschland einzurichten – wovor Söder warnte – was hatte Müller allerdings nicht angekündigt.

SPD Bayern: Vorschlag der Bundesnetzagentur auch keine Lösung

"Der Vorschlag von Klaus Müller ist auch keine Lösung", sagt von Brunn BR24. "Es bringt ja nichts, wenn wir jetzt die Industrie noch stärker belasten. Dann gefährden wir Arbeitsplätze und Steuereinnahmen." Die Schuld an der "ganzen Misere" gibt von Brunn allerdings Markus Söder und der CSU, "die über Jahre den Ausbau der Windkraft und der Stromleitungen verhindert haben und damit die Wirtschaft in Bayern massiv gefährden".

Die bayerische SPD kritisiert, dass die Staatsregierung mit dem langsamen Ausbau erneuerbarer Energien "mutwillig auf den Exit aus der einheitlichen Strompreiszone und damit auf dauerhaft hohe Strompreise zugesteuert" habe. Allerdings will auch die SPD an einheitlichen Strompreisen festhalten – und dafür den Rückstand bei Erneuerbaren aufholen. "Für mich ist klar, was wir jetzt tun müssen", sagt von Brunn gegenüber BR24: "Wir brauchen mehr Flächen für die Windkraft in Bayern, wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren."

Aiwanger: Netzentgelte statt Strompreisen anpassen

Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält wenig von unterschiedlichen Strompreisen: "Natürlich wollen wir nicht, dass Deutschland aufgeteilt wird, in verschiedenen Strompreiszonen", so der Freie Wähler-Chef im Interview mit dem BR. "Trotzdem sehe ich Reformbedarf im Bereich der Netzentgelte."

Aiwanger warnt davor, dass sich Regionen dann eher gegen Windräder und Photovoltaik-Anlagen entscheiden würden, "weil dann meine Bürger vor Ort mehr Netzentgelte zahlen müssen." Man müsse beides auseinanderhalten. "Einheitliche Strompreiszone, ja, aber Netzentgelte, also die Gebühren, die der Bürger bezahlen muss für seinen Strom, für die Lieferung des Stroms vor Ort. Die kann durchaus angepasst werden". Hier müsse man "die Bürger gemeinsam zur Kasse bitten." Aktuell sei es so, dass die ländlichen Regionen, die viel Strom erzeugen, "beispielsweise in Bayern: Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken höhere Netzentgelte haben als die Stadt München".

Scholz verspricht baldige Neuregelung und wirft Söder "Scheindebatte" vor

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den windstromreichen Regionen am Montagabend eine baldige Entlastung bei den Netzentgelten zugesagt. "Ich bin ziemlich sicher, dass uns dies noch in diesem Jahr gelingen wird", sagte Scholz auf einer Bürgerveranstaltung in Potsdam. "Wir werden sehr zügig eine gerechte Lösung finden, die natürlich zur Entlastung im Norden und Osten führt." Der SPD-Politiker warf Markus Söder vor, mit der Warnung vor verschiedenen Strompreiszonen in Deutschland eine Scheindebatte zu führen. Diesen Weg habe der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, überhaupt nicht vorgeschlagen. Müller, der nach Wünschen der Ampel-Koalition für eine Entscheidung zuständig werden soll, hatte zuvor gesagt, dass er den Frust vieler Bürger in Regionen mit einer großen Windkrafterzeugung gut verstehen könne. Der Erneuerbaren-Ausbau sollte belohnt und nicht bestraft werden.

Scholz sagte, er habe mit den 16 Ministerpräsidenten das Gespräch aufgenommen. Das Problem höherer Netzentgelte existiere nicht nur in Nord- und Ostdeutschland, sondern auch in Gegenden in Südwestdeutschland, in denen Windräder gebaut werden. "Das muss gelöst werden." Er sei sicher, dass es eine einvernehmliche Lösung für Ost-, West-, Nord- und Süddeutschland gebe.

Netzentgelte machen Windkraftregionen zu schaffen

Nördliche Bundesländer mit viel Windkraft haben eine andere Sicht auf den Strompreis als zum Beispiel Bayern. Sie finden es ungerecht, dass ausgerechnet sie, die viel Windenergie produzieren, höhere Strompreise zu schultern haben als südliche Bundesländer. Erst im Juni sagte Brandenburgs Ministerpräsident Woidke: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bundesländer mit dem höchsten Ausbaustand erneuerbarer Energien dafür bestraft werden - mit den höchsten Strompreisen."

Die Kosten für den Anschluss von Windrädern ans Stromnetz, die wegen der Entfernungen zwischen den Anlagen vergleichsweise hoch sind, werden auf die Bewohner derjenigen Region umgelegt, in denen die Windräder gebaut werden. In den Küstenregionen ist zudem die Bevölkerungsdichte geringer, sodass die Kosten auf weniger Menschen umgelegt werden als etwa in städtischen Regionen.

Wie das ZDF berichtet, zahlen Verbraucher aus Brandenburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern am meisten – am wenigsten die Stromkunden aus Bremen und Bayern. Die Nord-Ministerpräsidenten haben bereits mehrfach eine Änderung gefordert. CSU-Chef Söder hingegen verweist darauf, dass Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz gemeinsam gegen Strompreiszonen seien.

Was den Beschaffungspreis von Strom angeht, gibt es in Deutschland nur eine Strompreiszone. Aber Netzentgelte, eine Art Gebühr für die Nutzung des Leitungs- und Stromversorgungsnetzwerks, gibt es viele verschiedene. Nach Angaben der Bundesnetzagentur macht diese Gebühr, die vom örtlichen Stromnetzbetreiber erhoben wird, bei Haushaltskunden etwa ein Fünftel des gesamten Strompreises aus.

Preiszonen: In Bayern könnte der Strom teurer werden

Wie bereits im BR24-Artikel "Neue Preiszonen: Muss Bayern bald mehr für Strom bezahlen" dargelegt, würde der Strompreis in Süddeutschland vermutlich steigen, wenn Bayern und Baden-Württemberg eine eigene Strompreiszone hätten. Denn das Stromangebot ist in diesen Bundesländern wegen des schwachen Ausbaus der Windkraft verhältnismäßig niedrig und der Strombedarf wegen der vielen Industriebetriebe hoch.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, inhaltlich nicht zu einer Anpassung der Strompreise geäußert. Die Sprecherin verwies aber darauf, dass es einen Gesetzentwurf gibt, der eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshof umsetze. Das Gesetz sei dann Voraussetzung dafür, dass die Netzagentur als unabhängige Regulierungsbehörde zukünftige Anpassungen vornehmen und ein Verfahren für eine Reform vorschlagen könne.

Die EU hat bereits mehrere Vorschläge für eine Aufteilung Deutschlands in Energiepreiszonen vorgelegt. In zwei, drei, vier und fünf Zonen.

Im Video: Energieexperte hält Reform des Strommarktes für überfällig

Andreas Löschel von Ruhr-Universität in Bochum
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Andreas Löschel von Ruhr-Universität in Bochum

Ist Bayern bei Erneuerbaren die Nummer eins?

Für Diskussion in BR24-Kommentaren sorgte die Aussage Söders, dass Bayern "die Nummer 1 bei erneuerbaren Energien - und das sowohl bei installierter Leistung als auch [beim] Zubau" sei. Wie der BR24 #Faktenfuchs feststellte, ist Bayern zwar bei den absoluten Zahlen Spitzenreiter für erneuerbare Energien. Wenn man die Zahlen allerdings in Relation zur Einwohnerzahl und Fläche des Bundeslandes setzt, befindet sich der Freistaat bundesweit nur noch im Mittelfeld. Bei der Windkraft pro Quadratkilometer steht Bayern bundesweit sogar auf dem vorletzten Platz, nur Berlin steht schlechter da.

Mit Informationen von dpa, Reuters, AFP

Video: Versagt Bayern beim Klimaschutz? - BR24 auf YouTube

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