Eingangsbereich eines Discounters in München. Auf einem Plakat steht "Ohne Ende sparen".
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Bleibt uns wirklich immer weniger Lohn am Monatsende übrig?

Bleibt uns wirklich immer weniger Lohn am Monatsende übrig?

"Alles wird teurer" oder "Vom Lohn bleibt kaum noch was übrig" – das hört man mittlerweile oft. Auch von denjenigen, die eigentlich zur sogenannten "Mittelschicht" zählen und ein vergleichsweise gutes Einkommen haben. Aber stimmt das auch?

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Vor einem Discounter in München: André Freitag schiebt gerade seinen Einkaufswagen über den Parkplatz. Der Schulassistent für Kinder mit Autismus wohnt zusammen mit seinen beiden Buben in Schwabing. Er merkt, dass am Monatsende weniger übrig bleibt: "Also die Preise - und die Mietpreise vor allem auch - sind jetzt im Vergleich zum Einkommen höher gestiegen. Das ist bei uns auch so", berichtet er. Dennoch sei er froh, dass er und die beiden Kinder noch einigermaßen gut klarkommen.

Institut der Deutschen Wirtschaft: "Gefühl trügt nicht"

Laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und ifo-Institut zählen rund 60 Prozent der Deutschen zur sogenannten "Mittelschicht". Das IW betont, dass die Mittelschicht eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt, da sie oft als Stabilitätsanker gilt und maßgeblich zur wirtschaftlichen Dynamik beiträgt. Doch ist der Wohlstand dieser größten Bevölkerungsgruppe tatsächlich geschrumpft? Die Antwort ist komplex – und hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel, wo man lebt und welchen Lebensstandard man pflegt.

Reallohnentwicklung ist wieder positiv

Maximilian Stockhausen vom IW hat eine Erklärung für diese kollektive Einschätzung: "Man kann ganz nüchtern feststellen, dass das Gefühl die Menschen nicht trügt. Wir kommen aus einer Phase starker Preissteigerung, gerade in dem Bereich Energie und Lebensmittel".

Das habe dazu geführt, dass bei unverändertem Einkommen zunächst die Kaufkraft deutlich zurückgegangen sei. Wir uns also weniger von unserem Einkommen leisten konnten. Nun sind wir laut Stockhausen zwar in einer Phase, wo sich die Inflationsrate wieder stabilisiert hat, doch insgesamt weiterhin auf dem Kaufkraft-Niveau von 2019.

Die folgende Grafik zeigt diese Entwicklung anhand der sogenannten Reallöhne:

Seit 2019 kein Wohlstandszuwachs mehr

Wir können uns also heute im Schnitt nicht weniger leisten als im Jahr 2019, aber seitdem gab es auch keinen echten Wohlstandszuwachs mehr.

Früher war das anders: Laut IW waren die Verbraucherpreise 2019 im Schnitt 4,3-mal so hoch wie 1960. Gleichzeitig stieg der durchschnittliche Nettostundenlohn um das 14-Fache. Die Kaufkraft hat sich also über sechs Jahrzehnte hinweg verdreifacht – doch nun stagniert sie.

Wirtschaftsvertreter: "Höhere Löhne nicht mehr möglich"

Bertram Brossardt, der die Interessen der Unternehmen in Bayern vertritt, fordert die Politik auf, zu handeln. Zum Beispiel, indem die Sozialabgaben gesenkt werden. Denn noch höhere Löhne seien für viele Betriebe derzeit nicht mehr möglich. "2024 und 2025 haben wir erhebliche Lohnsteigerungen. Das heißt, da geht die Klappe gerade wieder zu, so dass real bei der Mittelschicht wieder mehr ankommt. Aber insgesamt ist das nicht befriedigend", so der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Mieten oder Lebensmittelpreise steigen weiter an

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass sich nach der Energie- und Corona-Krise der Reallohn, also das durch die Inflation bereinigte Einkommen, wieder stabilisiert. Das Gefühl "Alles wird teurer" bleibt trotzdem.

Ein möglicher Grund: Die allgemeine Inflationsrate besteht aus vielen Teilbereichen. In manchen gibt es weiterhin starke Preissteigerungen – bei Lebensmitteln und Mieten zum Beispiel. Diese machen für Menschen im unteren und auch mittleren Einkommensbereich nicht nur einen vergleichsweise großen Teil der Haushaltsausgaben [externer Link] aus – sie begegnen ihnen auch täglich im Alltag. So werden gerade diese Werte oftmals mit früheren Preisen verglichen.

Die folgende Grafik zeigt die langfristige Entwicklung: Lebensmittel und Restaurantbesuche etwa waren zu Beginn der 1990er-Jahre auf einem deutlich niedrigeren Preisniveau als beispielsweise Kleidung oder Möbel. Und während die Preise von Strom und Gas sich nach 2022 wieder einpendelten, geht es vor allem bei den gastronomischen Angeboten weiter steil bergauf.

Bayerische Breze: Von 40 auf 95 Cent

Natürlich merken die meisten, dass die Kosten für Gas oder Brennstoffe im Vergleich zu 2022 wieder niedriger sind – im August 2025 um rund 20 Prozent. Aber der Preisrückgang bei Computern, Mobiltelefonen oder internationalen Flügen hat für eine Familie aus der Mittelschicht sicher weniger Bedeutung, als die drastische Steigerung bei Kakaopulver (rund 60 Prozent ggü. August 2022), Olivenöl (rund 37 Prozent) oder Gemüse (rund 30 Prozent).

Dazu noch ein konkretes Beispiel aus Bayern: Eine Breze bei einer bekannten Münchner Bäckereikette kostete im Jahr 2001 etwa 40 Cent und im Jahr 2019 70 Cent. Heute wird die Breze bei dem Münchner Unternehmen für 95 Cent verkauft.

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