Es ist der 31. Oktober. Für Ranger Alexander Römer der entscheidende Tag des Jahres. Er will versuchen, sich in den Horst eines Steinadlerpaars abzuseilen. Hier wurde in diesem Jahr gebrütet. Im letzten Jahr gab es im Mangfallgebirge keinen einzigen Jungadler. Die Reproduktionsrate der acht Steinadlerpaare hier ist die niedrigste im gesamten Alpenraum. Warum ist das so? Darauf suchen Römer und seine Kollegen Antworten.
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Steinadler streng geschützt – Horst-Standorte geheim
Steinadler sind selten. Nur noch 50 Revierpaare werden in den bayerischen Alpen beobachtet. Die Tiere sind streng geschützt. Auch deshalb muss geheim bleiben, wo genau sich der Horst befindet, zu dem sich Ranger Römer 150 Meter tief an der Felswand abseilen wird. Und das, was er hier macht, ist artenschutzrechtlich eigentlich auch streng verboten. Man braucht eine Ausnahmegenehmigung der Regierung von Oberbayern, erklärt Römer.
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Im Wohnzimmer der Steinadler – es stinkt bestialisch
Die Ranger sammeln Daten für das Steinadler-Schutzprogramm. Alexander Römer ist hauptamtlicher Ranger und der Steinadler-Koordinator des Landkreises Miesbach. Während ihn seine zwei Kollegen oben an der Felskante mit Seilen sichern, pendelt er sich über eine Felskante in den Horst hinein. Das Steinadler-Nest ist so riesig, dass sich Römer bäuchlings komplett hineinlegen kann.
"Es stinkt bestialisch hier unten", funkt er zu seinen Kollegen nach oben. Er sitzt und liegt zwischen Knochen, Kot und Federn, auf der Suche nach dem besten Material, dass er mitnehmen kann. Er möchte mehr über den Gesundheitszustand der Steinadler erfahren.
"Ich sammle Beutereste und Steinadler-Federn ein", erklärt Römer. "Die Federn werden auf Giftstoffe wie Blei untersucht. Denn eine Bleivergiftung ist das Todesurteil für Greifvögel." Die Beutereste wiederum geben Aufschluss darüber, ob die Steinadler hier genug Nahrung finden – ein entscheidender Faktor für die Aufzucht ihrer Jungen.
Steinadler – Könige der Alpen mit scharfem Blick
Bereits im Frühsommer hat Römer nach möglichen Küken gesucht, beobachtete alle ihm bekannten Horste. Dafür postierte der Ranger sich jeweils hunderte Meter entfernt an gegenüberliegenden Berghängen. Denn: "Sie sehen alles", erklärt er. "Ein Steinadler sieht aus der Luft einen Kilometer nach unten am Boden eine Maus laufen. Der könnte uns auch hier im Gelände sehen. Und das ist natürlich eine Störung, die wir vermeiden wollen."
Flugverbotszonen und Ruhestörer – die Ranger haben alles im Blick
Bei einem Horst hatte Römer im Frühsommer Glück: Er entdeckte ein Steinadler-Küken. Rund um den Horst wurde eine Flugverbotszone eingerichtet, unter anderem für Helikopter. Und am nahegelegenen Bergsee gingen die Ranger auf Streife. Hier biwakieren verbotenerweise in den Sommermonaten häufig Wanderer, ein erheblicher Störfaktor für die Steinadler und ihr Küken.
"Die Steinadler gehen morgens und spätabends auf die Jagd. In der Hoffnung, auf den offenen Flächen Beute schlagen zu können", so Römer. "Wenn da aber Feuer gemacht wird, Musik gehört wird, die Leute schon so früh unterwegs sind, dann machen die Steinadler keine Beute, weil sich die Beutetiere verstecken."
Vergiftungsgefahr – sie lauert im Futter
Und wenn die Steinadler keine frische Beute schlagen können, dann fressen sie auch Aas. Hier lauert eine weitere Gefahr: Sie könnten sich mit Blei vergiften. Das kann passieren, wenn sie Aas fressen, das zuvor mit bleihaltiger Jagd-Munition geschossen wurde. "An einer Bleivergiftung stirbt ein Steinadler, wenn man ihn nicht innerhalb von drei Tagen findet", erklärt Römer.
Der Schutz zeigt Wirkung – der Jungadler ist flügge
Die Federn und Beutereste aus dem Horst werden nun beim Landesamt für Umwelt untersucht, das wird mehrere Wochen dauern. Für Alexander Römer ist aber bereits jetzt ein wichtiger Meilenstein erreicht. Aus dem Küken im Frühsommer ist ein stattlicher Jungadler geworden. Vor wenigen Wochen konnte er ihn im Revier bei seinen ersten Flugversuchen beobachten.
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