Landwirt Sebastian Frey ist sauer: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und wissen nicht, was wir tun sollen." Er zeigt auf die zahlreichen Stellen, wo Saatkrähen seine jungen Maispflänzchen aus dem Boden gepickt haben. Seine zweite Saat ist es dieses Jahr bereits, und sein Feld bei Asbach-Bäumenheim im schwäbischen Donau-Ries gleicht erneut einem Flickenteppich. Am grauen Himmel zieht eine dunkle Wolke aus hunderten Saatkrähen vorbei.
Rund 2.000 von ihnen nisten im Wald neben Freys Feld und dem Dorf mit knapp 5.000 Einwohnern. Sie fressen nicht nur Bauern ihr Saatgut weg, sondern verdrecken auch öffentliche Plätze und Gärten, rauben Anwohnern mit ihrem lautstarken Krächzen den Schlaf. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) nimmt sich des Problems jetzt an und testet seit Anfang April 2025 zusammen mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, was am besten gegen die Vögel wirkt.
Im Video: Wie das Landesamt für Umwelt Krähenplagen in Bayern in den Griff bekommen will
Als Ultima Ratio dürfen geschützte Saatkrähen im Rahmen eines Pilotprojekts abgeschossen werden. Dafür gelten allerdings strenge Vorgaben.
Anwohner: "Ab 4 Uhr ist an Schlafen nicht zu denken"
Versucht hat man in Asbach-Bäumenheim schon vieles, um die Tiere zu vergrämen – sie also zu stören und so zu verscheuchen: Die Feuerwehr hat Nester entfernt und Bäume zurückgeschnitten, sogar mit Schreckschüssen wollte man die Tiere verjagen – vergeblich. "Viele der Vergrämungsmaßnahmen, die jeder Landwirt ergreift, werden von den Saatkrähen innerhalb von einem Tag erkannt und dann nicht mehr als Gefahr wahrgenommen", erklärt Nils Teufel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
Dabei warten die Betroffenen dringend auf eine Lösung. Lärm und Dreck setzen Anwohnern wie Helmut Schwarze am meisten zu: "Ab 4 Uhr morgens ist an Schlafen mit offenem Fenster überhaupt nicht zu denken." Zum Schutz vor dem Kot der Tiere hätten er und seine Frau ein Dach für ihre Terrasse gebaut.
Die Bauern auf den Feldern nebenan sehen sich von den Krähen wirtschaftlich bedroht. Bio-Landwirtin Anna-Maria Bissinger hat den Maisanbau inzwischen aufgegeben: "Es waren in den letzten Jahren so viele Schäden da, dass wir es wirtschaftlich nicht mehr tragen konnten."
Ultima Ratio: Abschuss der geschützten Tiere
Allein sind die Asbach-Bäumenheimer mit ihren Problemen nicht: Bayernweit haben Gemeinden mit großen Krähenbeständen zu kämpfen, etwa auch in Erding oder Straubing. Reflektierende Flatterbänder und Greifvogelattrappen auf Feldern sollen den Kommunen jetzt helfen, Wildkameras dokumentieren deren Wirksamkeit. Als letztes Mittel ist im Rahmen des Projekts auch der Abschuss einzelner Saatkrähen zur Vergrämung der anderen kein Tabu mehr.
Allerdings sind Saatkrähen geschützte Tiere. Die Art sei schonmal fast verschwunden, erklärt Brigitte Kraft vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz: "In den 70er-Jahren hatten wir nur noch 1.000 Brutpaare. Das zeigt, wie massiv sich Eingriffe auf den Bestand auswirken können." Laut LfU Bayern hat sich das Brutareal der Vögel seitdem wieder wesentlich vergrößert, vor allem in Schwaben und Oberbayern nimmt demnach die Zahl der Tiere zu. Bayernweit verzeichnete das LfU zuletzt rund 19.600 Brutpaare.
Strenge Vorgaben für den Abschuss
Den Schutzstatus genießen die Vögel aber weiterhin, laut Ines Langensiepen vom LfU Bayern dürfen daher auch nur Jungvögel geschossen werden, die noch nicht brüten können und zusammen mit mindestens sechs weiteren Saatkrähen auf dem Boden sitzen. Auch dürfe die Population um nicht mehr als fünf Prozent reduziert werden.
"Das funktioniert so nicht", urteilt Robert Oberfrank vom Jagdverband Donauwörth. Denn bis alle Vorgaben erfüllt und ein Jäger vor Ort seien, seien die Krähen weggeflogen. So hat es in der Region um Asbach-Bäumenheim noch keinen Abschuss gegeben, bei Straubing vier. Einen "Tropfen auf den heißen Stein" nennt das der Asbach-Bäumenheimer Bürgermeister Martin Paninka (SPD). Aktuell überlege die Gemeinde, selbst die "Qualität des Auwalds" zu verändern, um Krähen weniger Nistraum zu bieten.
Landwirt Sebastian Frey muss heuer wohl ein drittes Mal aussäen. Hunderte Euro Schaden entstehen ihm mit jeder verlorenen Saat. Er ärgert sich über den strengen Schutz der Tiere. Neulich sei er an seinem Feld vorbeigefahren, 400 bis 500 von ihnen habe er da aufgescheucht: "Da wird kurzzeitig der Himmel leicht schwarz. Wo die Saatkrähen abfliegen, wird es dunkel."
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