Gut 66 Prozent für "Ja": Dieses Ergebnis übertraf die Erwartungen sowohl des bayerischen Ministerpräsidenten als auch des Münchner Oberbürgermeisters. Er habe mit Markus Söder (CSU) am Nachmittag ein "kleines Battle gemacht", schilderte Dieter Reiter (SPD) am Sonntagabend. "Wir sind beide daneben gelegen, weil wir waren beide nicht beim Sechser vor dem Ergebnis. Er war noch defensiver als ich."
Hatte sich in München 2013 eine knappe Mehrheit (52,2 Prozent) gegen eine Bewerbung der Landeshauptstadt um Winterspiele ausgesprochen, zeigten sich im Bürgerentscheid am Sonntag gleich zwei Drittel offen für Sommerspiele.
Viele können sich als Gewinner fühlen
66,4 Prozent befürworten eine Olympia-Bewerbung Münchens für 2036, 2040 oder 2044. Es ist ein Resultat, bei dem sich im politischen München viele als Gewinner fühlen können: Die Bewerbung wird vom OB und der Stadtratsmehrheit unterstützt, von der Staatsregierung und einer breiten Mehrheit im Landtag (CSU, Freie Wähler, SPD, Grüne). Sportverbände waren sowieso dafür, die bayerische Wirtschaft war es auch. Die Gegner – ÖDP, Linke, Bund Naturschutz und Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann (Grüne) – sprachen von einem Kampf wie David gegen Goliath. Doch anders als in der Bibel musste sich in München David klar geschlagen geben.
Auch nach dem Bürgerentscheid ist offen, ob München olympische und paralympische Sommerspiele austragen wird. Zunächst muss sich die Landeshauptstadt im nationalen Wettstreit gegen Berlin, Hamburg und die Region Rhein-Ruhr behaupten. Erst in einem Jahr will der Deutsche Olympische Sportbund entscheiden, welche Stadt oder Region er ins Rennen um den Zuschlag des Internationalen Olympisches Komitees schickt. Trotzdem zeigt das Bürgervotum jetzt schon Effekte:
1. München tankt Selbstbewusstsein
Das deutliche "Ja" beflügelt das Münchner Selbstbewusstsein im Olympia-Wettstreit. "Ich fühle mich jedenfalls jetzt sehr sicher, dass wir eine gute Bewerbung haben und dass wir auch im deutschen Vergleich niemanden fürchten müssen", sagte OB Reiter. "Da bin ich sehr gespannt, wie die anderen Mitbewerber-Städte damit umgehen."
Auch Söder sieht München nach dem Bürgerentscheid im Vorteil: "Jetzt liegen wir vorne in Deutschland." Der Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV), Jörg Ammon, betonte: "Das müssen uns andere erstmal nachmachen."
2. Votum bietet Raum für Interpretationen
Auch über die unmittelbare Bedeutung der Abstimmung hinaus liest so mancher aus dem Ergebnis eine Menge heraus. "Das ist mehr als ein Ja zu Olympia", schwärmte OB Reiter. "Es ist ein Ja zu einer nachhaltigen, inklusiven und mutigen Stadtentwicklung." Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft sieht ein "klares Bekenntnis zu Fortschritt, Innovation und Stärke".
Tourismus-Ministerin Michaela Kaniber (CSU) sprach von einem "starken Zeichen des Miteinanders", Bayerns CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek von einem "Bekenntnis zu Mut, Begeisterung und Leistungsbereitschaft". Ministerpräsident Söder lobte das Resultat als "Ja zur Lebensfreude" in Zeiten des Nörgelns. Olympia-Gegner Hartmann wiederum interpretiert den Bürgerentscheid als Forderung der Münchner nach einer Verkehrswende.
3. "Direkte Demokratie funktioniert"
Etwa 460.000 der knapp 1,1 Millionen wahlberechtigten Münchnerinnen und Münchner gaben ihre Stimme ab: 42 Prozent. Noch nie wurde in München bei einem Bürgerentscheid eine so hohe Wahlbeteiligung erreicht. "München hat gezeigt: Direkte Demokratie funktioniert", freute sich Reiter. Auch für den bayerischen Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl wurde deutlich, "wie wichtig Bürgerentscheide für unsere Demokratie sind". Die Freien Wähler hatten in den vergangenen Monaten innerhalb der schwarz-orangen Regierungskoalition gegen Söders Vorhaben gekämpft, direkte Demokratie einzuschränken.
In den Wahllokalen war es trotz der hohen Beteiligung am Sonntag ruhig, persönlich kamen vergleichsweise wenige zur Stimmabgabe. Mehr als 33 Prozent hatten schon vorab von der Briefwahl Gebrauch gemacht: Die Stadt hatte erstmals an alle Abstimmungsberechtigten automatisch Briefwahlunterlagen verschickt.
4. Debatten werden weitergehen
Ein Nein im Bürgerentscheid hätte das Aus für die Münchner Bewerbung bedeutet, mit dem Ja bleibt die Stadt im Rennen – die Debatten über hohe Kosten und Konzept werden anhalten. Grünen-Politiker Hartmann akzeptiert zwar die Niederlage, will sich aber weiter einbringen: "Mir ist wichtig, darauf zu achten, dass die vielen Infrastrukturmaßnahmen, die den Menschen versprochen wurden mit der Olympia-Bewerbung, dass die auch angepackt werden." Auch ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff kündigte an: "Wir werden es kritisch begleiten und hoffen, dass wir an der Bewerbungskampagne das eine oder andere noch verbessern."
Im Video: Jörg Ammon, Sideris Tasiadis und Markus Söder im Interview
Bürgerentscheid zur Münchner Olympia-Bewerbung
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

