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Beim Bürgerentscheid in München haben sich die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass sich die Stadt um die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele bewerben soll. Beim Bürgerentscheid gab es eine Rekordbeteiligung. Einfluss darauf hatte möglicherweise die Tatsache, dass die Stadt den Stimmberechtigten erstmals die Briefwahlunterlagen direkt unaufgefordert zugeschickt hatte.
Darum hat die Stadt München die Briefwahlunterlagen mitgeschickt
In den Kommentaren bei BR24 haben manche User diesen Schritt direkt angesprochen. So kommentierte etwa "AMWmonaco", dass man – "um zum gewünschten Ergebnis zu kommen" – unter anderem einfach die Briefwahlunterlagen gleich mitliefern solle, "weil das Anfordern doch recht lästig ist". So wie in diesem Fall geschehen.
Der Grund für das Vorgehen der Stadt sei eine Satzungsänderung vom 9. Juni 2021, erklärt eine Sprecherin der Stadt München auf BR24-Anfrage. In der Corona-Zeit sei die Bürgerbegehren- und Bürgerentscheide-Satzung der Landeshauptstadt dahingehend geändert worden, dass die Abstimmungsunterlagen bei einem Bürgerentscheid ohne gesonderten Antrag mit dem Abstimmungsschein an alle stimmberechtigten Bürger verschickt werden.
Dies ist nun bei diesem Bürgerentscheid, da er der erste seit der Satzungsänderung war, zum ersten Mal umgesetzt worden. Die Landeshauptstadt München werde diesen Weg auch bei allen weiteren Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gehen, solange die entsprechende Satzung nicht wieder geändert werden sollte, so die Sprecherin der Stadt.
Abstimmung per Briefwahl und im Wahllokal "eher ungewöhnlich"
Generell sei der Weg, den die Stadt München nun gegangen ist, eher unüblich, sagt Daniel Hellmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Parlamentarismusforschung (IParl). "Dass sowohl Wahllokale geöffnet sind als auch Briefwahlunterlagen direkt zugestellt werden, kommt nicht häufig vor", so Hellmann. In der Regel würden sich Kommunen zwischen reiner Briefwahl oder einer Wahl in Lokalen entscheiden.
"Dieser Zwischenweg hatte zur Folge, dass München die Kosten für beide Verfahren tragen musste." Neben dem Porto, den Papier- und Druckkosten habe man eben auch die Kosten für die Wahllokale und mehr Wahlhelfer tragen müssen. Auf Anfrage teilt die Stadt München mit, dass sie 1.640.000 Euro an Portokosten veranschlagt hatte. Die tatsächliche Abrechnung liege aber noch nicht vor.
Rekordbeteiligung beim Bürgerentscheid – trotzdem zu wenig?
Es liege nahe, dass die hohe Wahlbeteiligung mit der Art und Weise der Abstimmung zusammenhänge, so Hellmann. Bei Bürgerentscheiden sei es besonders wichtig, das Quorum zu erreichen. Der Begriff Quorum bezeichnet den Anteil der Stimmen, der abgegeben werden muss, damit eine Wahl oder Abstimmung gültig ist. In diesem Fall war dies schon durch die Briefwahlstimmen erreicht worden. Denn das Quorum lag bei zehn Prozent; mehr als 33 Prozent hatten schon vor dem Wahltag von der Briefwahl Gebrauch gemacht. In den Wahllokalen blieb es dagegen vergleichsweise ruhig.
Die Wahlbeteiligung fiel mit 42 Prozent hoch aus, erschien manch BR24-Nutzern jedoch trotzdem niedrig. So kommentierte "Bachama": "Wenn alle Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen zugeschickt bekommen haben, ist eine Wahlbeteiligung von 42 Prozent äußerst dürftig, auch wenn es bislang immer weniger waren." Der User "Mr_Sanchez" schrieb: "42 Prozent 'Spitzenbeteiligung'? Hilfe. Das ist nicht einmal die Hälfte der berechtigten Befragten. Eine Steigerung, gut. Aber viel zu wenig. Besonders bei bequemer Briefwahl."
Daniel Hellmann vom IParl bewertet die Wahlbeteiligung anders. "Bei Referenden, Volksabstimmungen oder Bürgerbegehren ist eine Wahlbeteiligung von mehr als 30 Prozent selten", so Hellmann. Von Wahlen, wie zum Beispiel der Bundestagswahl, seien die Menschen zwar höhere Wahlbeteiligungen gewöhnt, weil dort die Bevölkerung stärker mobilisiert wird. Für einen Bürgerentscheid seien die rund 42 Prozent aber ein gutes Ergebnis. Auch in Ländern, in denen es häufiger Volksabstimmungen gibt, sei die Wahlbeteiligung in vergleichbaren Fällen nicht deutlich höher.
Hinzu kämen möglicherweise taktische Gründe, so Hellmann. So würden unter Umständen "Nein-Wähler" gar nicht abstimmen, in der Hoffnung, dass ohne ihre Stimmung das Quorum nicht erreicht werden könnte.
Zum Vergleich: Bei den vergangenen beiden Bürgerentscheiden in München [externer Link] war die Abstimmungsbeteiligung niedriger. Beim Bürgerentscheid zur Stilllegung des Steinkohlekraftwerks des Heizkraftwerks Nord im November 2017 lag die Beteiligung bei 17,8 Prozent. Beim Bürgerentscheid zur Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022, der im November 2013, durchgeführt wurde, hatte die Abstimmungsbeteiligung bei 28,9 Prozent gelegen.
Warum werden Briefwahlunterlagen bei der Bundestagswahl nicht direkt zugeschickt?
Für künftige Bundestagswahlen sei die reine Briefwahl derzeit keine Option. "Für ein automatisiertes Verfahren der Bereitstellung von Briefwahlunterlagen ohne Antrag bedürfte es zunächst einer rechtlichen Grundlage", heißt es dazu aus dem Büro der Bundeswahlleiterin. Um ein direktes Zusenden der Briefwahlunterlagen an Wählerinnen und Wähler möglich zu machen, brauche es demnach eine Änderung des Bundeswahlgesetzes durch den Gesetzgeber beziehungsweise einer Änderung der Bundeswahlordnung durch das Innenministerium. Laut Bundesverfassungsgericht ist die Urnenwahl das Leitbild bei politischen Wahlen. Bei Abstimmungen wie Referenden oder Volksabstimmungen hingegen liegt die Entscheidung bei den Kommunen selbst.
Im Audio: Reaktionen aus der Bundespolitik auf Münchens Olympia-Votum
Die olympischen Ringe stehen im Olympiapark in München.
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