Naherholung mitten in der Stadt: Anwohner Karl Ströhl hofft, dass die grüne Lunge in seinem Innenhof doch keinem Neubau weichen muss.
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Naherholung mitten in der Stadt: Anwohner Karl Ströhl hofft, dass die grüne Lunge in seinem Innenhof doch keinem Neubau weichen muss.
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Naherholung mitten in der Stadt: Anwohner Karl Ströhl hofft, dass die grüne Lunge in seinem Innenhof doch keinem Neubau weichen muss.

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Nachverdichtung der Städte: Kaum Chancen für alte Bäume

Nachverdichtung der Städte: Kaum Chancen für alte Bäume

Gegen Hitze in Städten sind schattenspendende Bäume wichtig, vor allem in Innenhöfen. Doch gleichzeitig herrscht vielerorts Wohnungsnot - und immer mehr Innenhöfe werden zugebaut. Also keine Chance für den alten Baumbestand? Ein Beispiel aus München.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eine Oase mitten in der Großstadt: Fünf hohe Bäume sorgen hier im Hinterhof der Lindenschmidstraße 25 in München-Sendling im Hochsommer für angenehm kühle Temperaturen. Und: Sie binden klimaschädliches CO₂. Doch sie sollen bald einem Neubauprojekt weichen, wie es in vielen Ballungszentren geschieht.

Die Stadt hat der Fällung bereits zugestimmt, ab Oktober dürfen die Motorsägen ran – zum Ärger von Anwohnerin Deniz Akman: "Das Klima erwärmt sich, es wird nicht kühler, wenn wir hier noch mehr Beton haben. Natürlich, wir brauchen Lebensraum, aber es sollte eine Ausgewogenheit sein. Und muss man dafür 150 Jahre alte Bäume fällen? Bis das nachwächst, so was Wertvolles – ich erlebe es nicht mehr."

Alter Baumbestand weicht fünfstöckigem Wohnhaus

Die Anwohner wollen die Bäume retten. Sie sollen offenbar einem sogenannten Townhouse weichen, mit drei großen Wohnungen, die sich über fünf Stockwerke in die Höhe strecken. Das neue Gebäude würde fast die Hälfte des Innenhofs einnehmen.

Der Chef der Münchner Lokalbaukommission, Thomas Rehn, betont, beim Privatbau könne der Bauherr nur zu Ersatzpflanzungen verpflichtet werden oder zu Ausgleichzahlungen für Bäume andernorts: "Wenn der Baum und das Haus in unmittelbarem Konflikt sind – also wenn zum Beispiel mitten im Grundriss der Baum steht, dann helfen auch die ganzen Verhandlungen nichts. Dann geht das Baurecht dem Baumrecht vor."

Das gelte auch für die Bäume, deren Wurzeln zu nah am Neubau lägen, um die Bauphase zu überleben. Nur in wenigen Fällen würde ein Bauherr deshalb aber sein Gebäude verkleinern. Hier gelte bundesweit das Recht auf Eigentum, solange ein Haus in die Bebauung der Umgebung passe, so Rehn.

Hitzewellen im Sommer nehmen zu

Doch können wir uns das in zunehmenden Hitzesommern noch uneingeschränkt leisten? Nein, sagt der Bezirksausschuss Sendling – auch mit den Stimmen von CSU und FDP. Florentine Schiemenz (ÖDP) ist die Baumschutzbeauftragte des Gremiums: "Bereits in innerhalb des bestehenden Rahmens glaube ich, dass die Stadt München Möglichkeiten hat, solche Bauvorhaben, die allein profitorientiert sind, zu verhindern, indem sie Bebauungspläne über solche Karrees legt." So könne man den Klimazielen für München näherkommen.

Neue Bebauungspläne mit Baum-Vorrang?

Ein neuer Bebauungsplan für das Viertel mit einem Vorrang für Bäume: Das Verfahren, das nach Bürgerbeteiligung auch durch den Stadtrat müsste, könnte Jahre dauern. Es dürfte aber an den dann fälligen Ausgleichszahlungen für Grundbesitzer scheitern, gibt Thomas Rehn zu bedenken. Die Lokalbaukommission versuche, zumindest die Bäume in unmittelbarer Nähe eines Neubauprojekts zu retten. So könne man vielleicht einen Bauherrn dazu bewegen, die Zufahrt zur Tiefgarage auf diejenige Hausseite zu legen, an die keine Bäume mit ihren Wurzeln grenzen.

München fordert künftig mehr Ersatzpflanzungen

Zumindest will München jetzt seine Baumschutzverordnung ändern, was Ersatzpflanzungen angeht: Denn in solchen kommunalen Verordnungen hierzulande ist meist gefordert, für einen gefällten großen Baum nur einen kleinen Setzling mit rund 16 cm Stammumfang zu pflanzen. Dass der in der Klimabilanz erst nach Jahrzehnten den alten Baum eingeholt hat, diese Erkenntnis setzt sich jetzt auch in München durch.

Ziel der Novelle laut Thomas Rehn: "Wenn ein großer, gesunder Baum weichen muss, dass dann dafür mehr Ersatz geboten werden muss (...) als Kompensierung – oder wenn der Platz nicht da ist, dass höhere Ersatzzahlungen fällig sind."

Projekt werde "Wohnungsnot nicht mindern"

Die Anwohner hoffen nun, dass die Stadt nach Intervention des beratenden Bezirksausschusses ihre bereits erteilte Baugenehmigung nochmal auf mögliche Fehler untersucht. Ein Hebel könnte nach dem Sprecher der Anwohner-Initiative, Thomas Hinz, in dem Zauberwort "Umgebungsbebauung" liegen, in die laut Baugesetz ein Neubau passen müsse. Das sieht der Soziologie-Professor bei dem fünfstöckigen Townhouse-Projekt im Innenhof als nicht gegeben an.

Hinz sieht natürlich auch die vielen Wohnungssuchenden gerade in Ballungszentren. Aber: "Die Wohneinheiten, die hier im Hinterhof geplant sind, werden die Wohnungsnot in München nicht mindern. Es sind drei Wohneinheiten mit gigantischen Quadratmeter-Ausmaßen für eine ganz bestimmte Art von Klientel, die mit der Wohnungsnot in München wenig zu kämpfen haben."

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