Eine Notfallkarte liegt in einem Frauenhaus.
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Das neue Frauenhaus Hochfranken soll betroffenen Frauen und Kindern mehr Schutz vor häuslicher Gewalt bieten.

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Neues Frauenhaus Hochfranken: Mehr Schutz vor häuslicher Gewalt

Neues Frauenhaus Hochfranken: Mehr Schutz vor häuslicher Gewalt

Deutschland verfügt aktuell nur über ein Drittel der Frauenhausplätze, die es nach der Istanbul-Konvention haben sollte. Im Landkreis Wunsiedel ist nun eine neue solche Schutzeinrichtung für Opfer von häuslicher Gewalt geschaffen worden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Ein großes, aber relativ unscheinbares Neubau-Haus steht irgendwo im Landkreis Wunsiedel. Sein genauer Standort soll möglichst nicht öffentlich bekannt werden – denn es ist das neue Frauenhaus für den Landkreis und seine nördlichen Nachbarn in Stadt und Landkreis Hof. Acht Frauen und bis zu 24 Kinder können hier Schutz vor Misshandlung und häuslicher Gewalt finden und Abstand gewinnen.

  • Zu Artikel: Häusliche Gewalt – so sollen Frauen besser geschützt werden

Missbrauch kommt nach wie vor in allen sozialen Schichten vor

Die Betroffenen kommen aus allen sozialen Schichten, sagt Julia Martini, die im Frauenhaus Hochfranken arbeitet. Einige kommen aus der Region, andere nicht: Es könne auch mal eine Frau aus München oder Hamburg dabei sein – für manche gehe es darum, eben gerade nicht in der Nähe ihres bisherigen Umfeldes zu sein.

Die Opfer häuslicher Gewalt sind zu mehr als 80 Prozent Frauen. Der physische und psychische Missbrauch, den sie erlebt haben, folge oft ähnlichen Mustern, sagt Julia Martini. Häufig sei Geld ein Mittel zur Manipulation: Den Betroffenen werde eingeredet, dass sie ohne den Partner finanziell gar nicht zurechtkämen und ihre Kinder nicht ernähren könnten. Dazu komme, dass etwa die Hälfte der Frauen, die im Frauenhaus Schutz suchen, Ausländerinnen seien. Ihre Männer nutzen laut Martini häufig aus, dass diese Frauen ihre Rechte in Deutschland gar nicht kennen – sie reden ihnen schlicht ein, dass es normal sei, dass sie geschlagen werden, wenn sie nicht tun, was der Mann sagt. Viele dieser Frauen sehen dadurch die Schuld für den Konflikt sogar dann noch bei sich selbst, wenn sie nach einem Gewaltausbruch ihres Partners ins Frauenhaus kommen.

Bundesweit gibt es nur ein Drittel der empfohlenen Plätze

Deutschland hat 2018 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt unterzeichnet, kurz meist "Istanbul-Konvention" genannt. Darin wird empfohlen, dass pro 10.000 Einwohner ein Frauenhausplatz sowie 1,5 Frauenhausplätze für Kinder zur Verfügung stehen sollten. Bundesweit betrachtet müssten es nach diesem Richtwert gut 21.000 Plätze sein – von denen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2019 aber nur ein Drittel, knapp 7.000 Plätze, tatsächlich existiert haben.

Das neue Frauenhaus Hochfranken bietet insgesamt 32 Plätze für die rund 215.000 Einwohner der Landkreise Hof und Wunsiedel und der Stadt Hof. Dort sieht es nun also zumindest etwas besser aus als im Bundesdurchschnitt. Für die Region empfohlen wären nach dem Schlüssel der Istanbul-Konvention 54 Frauenhaus-Plätze.

Altes Frauenhaus Hochfranken war nicht mehr sanierungsfähig

Träger des Frauenhauses Hochfranken ist der Wunsiedler Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Als die AWO 2019 die Aufgabe übernahm, hatte Geschäftsführer Alexander Wagner sofort den Eindruck, dass das zu diesem Zeitpunkt als Frauenhaus genutzte Gebäude eigentlich nicht mehr tragbar ist. Architekten bestätigten ihm in der Folge, dass eine Sanierung des maroden Hauses mit schimmeligem Keller wirtschaftlich keinen Sinn ergibt. Wagner musste also in ehrenamtlicher Arbeit den Neubau eines Frauenhauses auf die Beine stellen – den allerdings weder sein kleiner AWO-Kreisverband, noch die seit Jahren finanziell herausgeforderten Landkreise Hof und Wunsiedel bezahlen konnten.

Eine Bundesförderung hat den Neubau ermöglicht

Gelungen ist der Neubau dann über das Förderprogramm "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" des Bundesfamilienministeriums. Das Frauenhaus Hochfranken ist laut Aussagen einer Ministeriums-Vertreterin bei der Einweihung eines der größten Projekte, die aus diesem Topf gefördert werden. 90 Prozent der knapp 3,5 Millionen Euro Baukosten kommen aus Berlin, die übrigen zehn Prozent aus München vom Freistaat Bayern. Damit musste der Träger zumindest für den Bau keine eigenen Mittel beisteuern. Nur um zum Beispiel die Ausstattung habe sich die AWO Wunsiedel selbst kümmern müssen, sagt Geschäftsführer Alexander Wagner sichtbar erleichtert. Die staatliche Finanzierung sei aus seiner Sicht von zentraler Bedeutung, weil ein Frauenhaus eine rein soziale Aufgabe sei und keinerlei Geld verdiene.

• Zum Artikel: Geldnot im Schutzraum: Wenn Frauen für Sicherheit zahlen müssen

"Second Stage": Unterstützung auch nach dem Frauenhaus

Wenn letzte kleinere Arbeiten wie die Videoüberwachung erledigt sind, werden die aktuell noch im alten Gebäude untergebrachten Frauen und Kinder in den nächsten Tagen in den Neubau umziehen. Das Frauenhaus Hochfranken ist als Schutzeinrichtung für höchstens wenige Monate gedacht.

Die AWO Wunsiedel ist allerdings Teil des vom bayerischen Familienministerium geförderten Modellprojektes "Second Stage". Dabei geht es darum, Frauen mit Gewalterfahrungen auch nach der unmittelbaren Krisenbewältigung im Frauenhaus beim Übergang in ein eigenständiges Leben zu unterstützen. Konkret für das Frauenhaus Hochfranken bedeutet das eine zusätzliche Sozialpädagogin und vier eigenständige Wohnungen in der Region. In denen können Betroffene nach der Zeit im Frauenhaus bis zu ein Jahr lang wohnen und von dort aus mit Unterstützung der Sozialpädagogin eine eigene Wohnmöglichkeit suchen.

Viele Frauen kehren trotzdem in ihre missbräuchliche Partnerschaft zurück

Insgesamt sind die Rahmenbedingungen für ein Entkommen aus missbräuchlichen Partnerschaften im Osten Oberfrankens mit dem neuen Frauenhaus also zumindest vergleichsweise gut. Das sind allerdings nur die äußerlichen Rahmenbedingungen. Zum Alltag von Julia Martini und ihren Kolleginnen aus dem Frauenhaus Hochfranken gehört die Erfahrung, dass viele Frauen trotz allem wieder in ihre von Gewalt geprägte Lebenssituation zurückkehren und dort bleiben. Manche suchen auch zwei- oder dreimal Schutz im Frauenhaus. Andere aber schaffen den Absprung in ein neues und eigenständiges Leben – und das seien am Ende die großen Lichtblicke.

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Acht Frauen und bis zu 24 Kinder können im neuen Frauenhaus Hochfranken Schutz vor Misshandlung und häuslicher Gewalt finden.

Hilfe bei häuslicher Gewalt

Opfer von häuslicher Gewalt, die einen Beratungstermin vereinbaren oder ins Frauenhaus aufgenommen werden wollen, können sich jeden Tag und rund um die Uhr direkt an das Frauenhaus Hochfranken wenden: Entweder unter 0800 / 5678910 oder unter 0171 / 45 71 545. Aus Schutzgründen wird die Adresse nicht am Telefon genannt. Das Frauenhaus vereinbart einen Treffpunkt, an dem die Schutzsuchenden von einer Mitarbeiterin abgeholt werden. Sollte es im Frauenhaus Hochfranken keinen freien Platz geben, erhalten Betroffene die Telefonnummern von anderen Frauenhäusern.

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