20.05.2025, Bayern, München: Ein Angeklagter (M) wird zu Beginn des Prozesses gegen ein deutsch-russisches Trio wegen Geheimdiensttätigkeit für Russland und Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorgruppe in den Gerichtssaal geführt. Die mutmaßlichen russischen Spione sollen in Deutschland Sabotageaktionen gegen militärische Infrastruktur und Bahnstrecken geplant haben. Der Kopf soll darüber hinaus als Teil einer bewaffneten terroristischen Vereinigung in der Ukraine gekämpft haben. Foto: Peter Kneffel/dpa - ACHTUNG: Person(en) wurde(n) aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
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Prozess gegen deutsch-russisches Trio

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Nur ein Scherz? Deutsch-Russen bestreiten Spionage

Nur ein Scherz? Deutsch-Russen bestreiten Spionage

Drei Deutsch-Russen stehen in München vor Gericht – wegen mutmaßlicher Spionage und Sabotagepläne für Russland. Im Fokus: ein Hauptangeklagter, der laut eigener Aussage nur "ein bisschen schauspielern" wollte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Drei Deutsch-Russen sind angeklagt wegen Spionage für Russland. Heute begann der Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Dabei geht es auch um die konkrete Planung von Sabotageakten. Dem Hauptangeklagten wird zudem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland vorgeworfen. Die Angeklagten streiten alles ab.

"Er sei kein Spion und kein Saboteur", so der Hauptangeklagte Dieter S. vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München. Vielmehr habe er ein bisschen schauspielern wollen, nachdem er bemerkt habe, dass er von deutschen Behörden beobachtet worden sei, so der 40-jährige Deutsch-Russe in einer ersten Aussage vor Gericht, die von seinem Anwalt im Gerichtssaal vorgelesen wird.

Ein Schauspiel im Hochsicherheitsgerichtssaal?

Für einen Moment könnte man bei den Aussagen des Angeklagten fast die Schwere der Anklage vergessen. Doch "ein bisschen schauspielern" passt gar nicht zum Ort der Verhandlung. Im Münchner Hochsicherheitsgerichtssaal der JVA Stadelheim können Häftlinge direkt von der Zelle in den Saal geführt werden. Kurz nach 10 Uhr kommt Dieter S. – Vollglatze, langer Bart – gefesselt zur Anklagebank. Dabei drücken ihm zwei Beamte zusätzlich noch die Arme auf den Rücken.

Hauptangeklagter will nur ein Hochstapler sein

Laut Anwalt hatte sich Dieter S. die Situation der Beobachtung durch deutsche Behörden zu Nutze machen wollen. Der Grund dafür laut Verteidigung: Der Deutsch-Russe hatte hohe Schulden. Als Messebauer sei er in der Coronazeit durch die Krise seiner Branche ins berufliche Aus gesteuert. Corona habe ihn die berufliche Existenz gekostet, erklärt sein Anwalt.

Aus Geldmangel sei Dieter S. auf die Idee gekommen, den deutschen Sicherheitsbehörden "scheinbare Informationen gegen Geld zu liefern". Tatsächlich sei er aber nur ein Hochstapler gewesen und habe mit russischen Behörden nicht in Kontakt gestanden, sagt der Fürther Strafverteidiger Michael Löwe.

Spionage, Anschlagsplanungen und Terrormitgliedschaft

Die Bundesanwaltschaft wirft drei Männern schwere Spionagetätigkeiten vor. Der Hauptangeklagte Dieter S. soll nicht nur mit Drohnen spioniert haben, sondern auch zu konkreten Anschlägen bereit gewesen sein, um deutsche Militärhilfen in die Ukraine zu unterbinden.

Zum Prozessauftakt hat der zuständige Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Hannes Meyer-Wieck, dem Hauptangeklagten zwei Anklageschriften vorgetragen. Laut Meyer-Wieck besteht gegen den Hauptangeklagten der Vorwurf, sich zu Sabotageaktionen, etwa auf Bahnstrecken, militärische Infrastruktur und Industriestandorte, bereit erklärt zu haben. Auch sei Dieter S. angeklagt, von 2014 bis 2016 in der Ostukraine für eine bewaffnete Einheit, der sogenannten Volksrepublik Donezk, gekämpft zu haben.

Nur "aus privaten Gründen in Donezk"

Auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland streitet der Hauptangeklagte ab. Seinen Aufenthalt in der Ukraine von 2014 bis 2016 begründet er mit einer Beziehung zu einer Frau. Laut Anwalt habe er sich "aus privaten Gründen in Donezk aufgehalten". Er sei dabei in keine kämpferischen Aktivitäten involviert gewesen, sagt Pflichtverteidiger Löwe.

Mitangeklagter spricht von "Missverständnis"

Eine Geheimdiensttätigkeit bestreiten auch die Mitangeklagten. Sie hätten sich mit dem Hauptangeklagten Dieter S. lediglich privat unterhalten, teilen sie in ihren Aussagen vor Gericht mit. Häufig sei dies ironisch oder im Scherz gewesen, sagt der 44-jährige Mitangeklagte Alex D..

Eingestehen muss Alex D. jedoch, dass er dem Hauptangeklagten ein Video von einem Militärtransport zugeschickt hatte. Das Video habe keinen geheimdienstlichen Hintergrund. Er habe nur gewusst, dass Dieter S. sich für solche Militärtransporte interessiere, darum habe er den Transport für ihn gefilmt, so der Mitangeklagte vor Gericht.

Deutsch-Russen passen zum Muster der "Low Level Agents"

Schon der erste Gerichtstag zeigt, dass die Mitwirkung der Angeklagten auch in den kommenden 43 Gerichtstagen äußerst gering ausfallen könnte. Bereits jetzt könnte das Vorgehen der Angeklagten gut ins Muster der sogenannten "Low Level Agents" passen.

Nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz setzen russische Geheimdienste verstärkt auf solche Mitarbeiter, gerade auch in Zusammenhang mit Sabotage-Operationen gegen westliche Länder, die die Ukraine unterstützen. Dabei geht es um die Anwerbung von Laien, die meist aus finanziellen Gründen Sabotageaktionen zustimmen. Laut Verfassungsschutz nimmt die russische Seite dabei in Kauf, dass die unprofessionellen Mitarbeiter auffliegen. Entscheidend: Die Absicht, Verunsicherung in der Bevölkerung zu schüren, wird dennoch erreicht.

Im Video: ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt

Holger Schmidt
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Holger Schmidt

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