Stephan Protschka, AfD-Landesvorsitzender in Bayern und Mitglied im Deutscher Bundestag (Archiv)
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Verfassungsschutzgutachten: Welche Rolle spielt die Bayern-AfD?

Verfassungsschutzgutachten: Welche Rolle spielt die Bayern-AfD?

Hetze gegen Migranten, Verschwörungstheorien, Kampfrhetorik: Eine exklusive Auswertung des neuen Verfassungsschutzgutachtens zeigt, wie radikal sich die AfD-Spitzen aus Bayern äußern. Darunter: Parteichef Protschka und Fraktionschefin Ebner-Steiner.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Es ist eine Art "Worst Of" der AfD-Rhetorik: Auf 1.108 Seiten fasst das neue Gutachten des Bundesverfassungsschutzes zusammen, wie radikal sich AfD-Vertreter äußern, welche Ziele die Partei verfolgt und weshalb sie für die Behörde eine "verfassungsfeindliche Ausrichtung" hat.

Fast jeder zweite bayerische AfD-Mandatsträger äußert sich radikal

Als scheidende Bundesinnenministerin verkündete Nancy Faeser (SPD) vor rund zwei Wochen die neue Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Die AfD reichte dagegen Klage ein. Daraufhin hat der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Maßnahmen und die Verwendung des Begriffs der "rechtsextremistischen Bestrebung" bis auf Weiteres ausgesetzt. Das Gutachten wurde von mehreren Medien an die Öffentlichkeit gebracht.

Die Auswertung des BR zeigt: Fast jeder zweite bayerische AfD-Mandatsträger in Landtag, Bundestag und EU-Parlament wird darin mit radikalen Äußerungen zitiert.

Fremdenfeindliche Töne von Fraktionschefin Ebner-Steiner

In ihrer Wahlkampfrede spricht etwa Bayerns AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner von "Merkels-Millionenheer oft Un- und Geringqualifizierter". Nach dem Anschlag in Würzburg 2021 machte sie im Wahlkampf CDU/CSU-Vertreter für die Tat mitverantwortlich. Der Verfassungsschutz kommt zur Einschätzung, dass Ebner-Steiner Migranten und Asylsuchenden pauschal einen Hang zu schwersten Gewalttaten zuschreibt.

Deutlich wird das laut Verfassungsschutz auch in einem Tweet eines anderen Users, den Ebner-Steiner teilte. Darin hieß es: "Eine Polizeihundertschaft rückt an, um Bio-Deutsches Blut vorm jämmerlichen Verrecken zu retten. […] Der Geburtendschihad ist längst zum Bürgerkrieg mutiert."

In der Bezeichnung "Bio-Deutsches Blut" sieht der Verfassungsschutz einen gezielten Rückgriff auf rassenideologische Vorstellungen der Nationalsozialisten – die Blutsverwandtschaft als Exklusiv-Merkmal einer vermeintlich deutschen Abstammung.

Bayerische AfD-Politiker sprechen von "Bevölkerungsaustausch" und "Zerstörung der Heimat"

Auch zwei Stellvertreter von Ebner-Steiner in der Landtagsfraktion, Martin Böhm und Richard Graupner, werden mit radikalen Aussagen zitiert. Anlässlich einer Gewalttat schrieb Böhm in einem Facebook-Eintrag im April 2024: "Sie [Anm.: die Ausländer] verachten unser Land und zeigen es, indem sie unsere Kinder schänden."

Zu bewilligten Asylanträgen forderte er weiter: "Um das weitere Ausbluten unseres Heimatlandes und die konzertierte Zerstörung der Zukunft unserer Kinder zu verhindern, gibt es nur einen Weg: Remigration." In einer Resolution zu "Remigration" forderte der AfD-Landesverband Abschiebungen von Migranten im Millionenbereich. Explizit meint die AfD auch jene Personen, die aus Sicht der Partei eine schwach ausgeprägte Integrationsfähigkeit und -willigkeit haben.

Eine Verschwörungserzählung befeuert Richard Graupner: Auf Telegram kommentierte der Fraktions-Vize Ende Januar: "Der Bevölkerungsaustausch ist in vollem Gange." Ähnlich äußerte sich der frühere AfD-Europaabgeordnete Bernhard Zimniok. Er schrieb im Juni 2023 auf Facebook: "Der Bevölkerungsaustausch ist real – das deutsche Volk droht zu verschwinden." Anhand einer "Karte des Schreckens" illustrierte Zimniok die "schleichende Abschaffung" der deutschen Bevölkerung. Auch der Landtagsabgeordnete Daniel Halemba sagte im November 2023: "Noch nie wurde eine Bevölkerung so schnell ausgetauscht wie heute."

Gutachten: AfD-Politiker unterscheiden zwischen Deutschen "erster und zweiter Klasse"

Derartige Verschwörungstheorien sind nach Ansicht des Würzburger Verfassungsrechtlers Kyrill Schwarz "unangenehm, aber auszuhalten (…). Die rassistischen Äußerungen, die offen auf Verletzung oder Negierung der Menschenwürde anderer abzielen – das ist in meinen Augen das Hauptproblem."

Immer wieder zitiert das Gutachten AfD-Mandatsträger, die eingebürgerte Deutsche als "Passdeutsche" bezeichnen. In einem Facebook-Eintrag vom August 2022 schrieb der parlamentarische Geschäftsführer der Landtags-AfD, Christoph Maier: "Personen, die einen deutschen Pass besitzen, aber einen Migrationshintergrund haben, werden in den Statistiken der deutschen Bevölkerung zugerechnet." Laut Verfassungsschutz unterscheidet die AfD auf Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit in Deutsche "erster und zweiter Klasse".

Mitglied des bayerischen Parteivorstands stellen Deutschlands Souveränität infrage

Besonders häufig im Gutachten taucht der bayerische Vize-Parteichef Rainer Rothfuß auf. Der Bundestagsabgeordnete sprach im Dezember 2024 von ausländischen Mächten, die in der Bundesrepublik die Politik lenkten. "Wir wissen mittlerweile aber auch, dass sogar das State Department in den USA eingreift, Personal unterhält, auch Mittel bereitstellt, um die AfD möglichst als politische Kraft in Deutschland kleinzuhalten", so Rothfuß im Interview mit dem rechtsextremistischen Magazin Compact.

Und weiter: "Deutschland soll ja unsouverän bleiben, soll ja weiterhin eben den Interessen Brüssels und Washingtons dienen können." Der bayerische EU-Abgeordnete Petr Bystron sagte im Sommer 2023 auf einem AfD-Bundesparteitag: "Aus Brüssel kommt das Gift. Dort werden von den Globalisten still und heimlich Vorgaben gemacht, die später in den nationalen Parlamenten nur noch durchgewunken werden."

Landeschef Protschka vergleicht aktuelle Situation mit 1933

Auch der Vorsitzende der bayerischen AfD, Stephan Protschka, wird in dem Gutachten erwähnt. Im Februar 2024 verglich er auf seinem Telegram-Account die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 mit der heutigen Situation. Er schrieb: "All diese Dinge wiederholen sich heute. Doch es ist nicht die AfD, die dafür verantwortlich ist. Es sind die Sozialisten der SPD und ihre Koalitionspartner – die Grünen und die FDP."

Am Ende fügt er hinzu: "1933 ist näher, als du denkst!" 2021 sprach Protschka auf einem AfD-Parteitag vom "faschistischen System der Altparteien" und einer "DDR 2.0". In den Zitaten setzt er die heutige liberale Demokratie mit den Diktaturen der Nationalsozialisten und der DDR gleich.

Verfassungsschutz-Gutachten erwähnt fast die Hälfte der bayerischen Mandatsträger

Die BR-Auswertung des Gutachtens zeigt: Fast die Hälfte der bayerischen Mandatsträger aus Landtag, Bundestag und Europaparlament – 24 von 56 gewählten Mandatsträgern – werden im Gutachten namentlich erwähnt und zitiert. Das entspricht einem Anteil von rund 43 Prozent.

Grafik: So viele gewählte Abgeordnete sind Thema im Gutachten

Radikale Äußerungen hauptsächlich auf sozialen Netzwerken

Auffällig oft wurden radikale Äußerungen, die das Gutachten zitiert, auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder Telegram veröffentlicht, und nicht etwa bei TV-Auftritten oder im Wahlprogramm. Dort gehe die Partei zurückhaltender vor, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder von der Universität Kassel: "Die AfD sagt ja nicht, 'wir wollen eine Diktatur', sondern sie sagt, 'wir sind die eigentlichen Demokraten, die dafür Sorge tragen, dass hier wieder Recht und Ordnung einkehrt'. Wenn man in die direkten Kommunikationskanäle in Social Media oder in kleinere Parteiveranstaltungen schaut, da wird Klartext gesprochen, da ist nichts mehr von Selbstverharmlosung."

Fazit: Mehr als nur einzelne Entgleisungen

Für Verfassungsrechtler Schwarz verdichtet sich der Eindruck, dass die AfD verfassungsfeindlich sei: "Bestimmte Äußerungen haben eine so klare rassistische Tendenz, dass eigentlich kein Zweifel am extremistischen politischen Hintergrund bestehen dürfte."

Ob das Gutachten nun endgültig den Weg zu einem Parteiverbotsverfahren ebnet, da gehen die Meinungen der Experten auseinander. Politikwissenschaftler Schröder ist skeptisch: "Ich habe Vorbehalte gegen ein Verbotsverfahren. Wir stehen mit einer solchen Position im internationalen Umfeld alleine, das gibt es in keinem anderen Land." Schwarz dagegen findet: "Die AfD stellt in meinen Augen den Dreiklang aus Menschenwürde-Rechtsstaat-Demokratie grundlegend infrage. Wenn man dann noch nachweisen kann – und dafür gibt es genug Anhaltspunkte, dass sie das auch in kämpferisch-aggressiver Weise macht – dann sind die Voraussetzungen für ein Verbot gegeben."

Eines zeige das Papier jedoch deutlich, sagen beide: Es handle sich nicht um einzelne Entgleisungen, sondern um eine extreme Haltung, die von der Breite der AfD geteilt werde. Auf BR-Anfrage wollte sich AfD-Landeschef Stephan Protschka nicht zu den Zitaten bayerischer AfD-Politiker äußern.

Im Video: Gutachten zur AfD aus bayerischer Sicht

Es dokumentiert politische Ziele und problematische Äußerungen, teils mit klar rassistischer Tendenz.
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Es dokumentiert politische Ziele und problematische Äußerungen, teils mit klar rassistischer Tendenz.

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