Morgens, kurz vor sechs Uhr im Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital: Das Team vom Nachtdienst ist müde. Die Augen von Hajar Elhadaoul leuchten hingegen vor Aufregung und Freude. Sie und 15 Mitschülerinnen und Mitschüler übernehmen nun für eine Woche die Station 24.
Verantwortung: Pflegeschüler betreuen 20 Patienten
Kein einfaches Unterfangen: 20 Patienten und Patientinnen liegen aktuell auf der Station, manche frisch operiert, einige dement. Es gibt viel zu tun. Fehler könnten den Menschen schaden. Hajar aus Marokko ist sich der Verantwortung bewusst. Sie lebt seit drei Jahren in Würzburg, macht die Ausbildung zur Pflegefachkraft und steht kurz vor der Abschlussprüfung.
"Ich bin jetzt die Bereichsleitung. Das heißt: Ich muss die Kollegen leiten und die Aufgaben verteilen. Ich bin stolz auf mich, dass ich die Verantwortung übernehme", sagt Hajar.
Projekt in Würzburg soll die Selbstständigkeit der Azubis fördern
Hinter dem Projekt steckt viel Vorbereitung. In der Würzburger Krankenpflegeschule Julius Care wurden im Vorfeld alle Aufgaben gesammelt: Medikamente richten, Patienten aufnehmen und versorgen, Dienstplan schreiben. Das Projekt soll die Selbstständigkeit der Azubis fördern. Denn wer eine Station eigenständig führen will, muss Prioritäten setzen, Verantwortung übernehmen und dabei immer den Team-Gedanken im Blick behalten, erklärt Pflege-Pädagogin Silvia Thimm. Die Schülerinnen und Schüler werden aber nicht allein gelassen. Silvia Thimm kommt regelmäßig auf Station und betreut sie.
Azubis leiten ganze Station, aber unter Aufsicht
Die examinierten Kräfte arbeiten auf der Station weiter, jedoch nur in beobachtender Funktion. Sie können jederzeit eingreifen. "Mir fällt es schwer, mich da zurückzunehmen und mal die anderen machen zu lassen – auch mal eine brenzlige Situation auszuhalten", erzählt eine Krankenschwester. "Aber wenn ich sehe, dass die Patienten zufrieden sind, freue ich mich."
Gesundheitswesen
Schülerin bei der Visite vorne mit dabei
Kurz nach acht Uhr: Alle Medikamente sind verteilt, die Patienten und Patientinnen haben gefrühstückt, die Betten sind gemacht. Jetzt steht die Visite an. Da sind die Azubis normalerweise nicht dabei. Als Bereichsleitung läuft Hajar aber heute sogar vorne mit. "Die Visite geht so schnell. Es kommen viele Informationen auf einmal, ich muss Notizen machen und alles weitergeben", sagt sie.
83-jähriger Patient: "Die Schüler arbeiten sorgsam"
Betreut werden von angehenden Pflegekräften: Die Patienten auf der Station 24 fühlen sich trotzdem gut aufgehoben – und machen sich keine Sorgen. Im Gegenteil, meint der 83-jährige Kurt Schubert: "Die Schüler sind sehr engagiert und arbeiten sorgsam. Ich finde es wichtig, dass sie hier so gut lernen können." Auf der Station informieren Aushänge über das Projekt. Auch in den Zimmern wurden Infozettel verteilt. "Sie werden gewohnt professionell betreut. Ihre Sicherheit steht an erster Stelle", steht darauf.
Vorbereitung in der Schule, Erfahrung sammeln im Krankenhaus
In der ihrer Krankenpflegeschule wurden die Azubis auf das Projekt vorbereitet. Hier im Krankenhaus findet es das erste Mal in so einem großen Umfang statt, es läuft auch im Seniorenstift. Auch an vielen anderen Kliniken in Bayern gibt es ähnliche Aktionen. In Würzburg stehen die beteiligten Auszubildenden kurz vor ihrer Abschlussprüfung.
Durch das Projekt sammeln sie in geschütztem Rahmen wertvolle Erfahrungen, so die Pflegedirektorin Christine Beyer: "Zum ersten Mal zu spüren, dass man an der Front steht und es an einem selbst hängt, alles zu organisieren – das begeistert die meisten". Bei vielen würde dadurch das "Brennen für den Beruf noch mal ganz anders entfacht", sagt sie.
Erster Tag geschafft: Zeit-Management und Kommunikation wichtig
Kurz nach zwölf Uhr: Alle Menschen auf der Station sind satt, mobilisiert und haben zum Teil schon Besuch. Hajars Frühschicht ist gleich zu Ende, viele Aufgaben sind geschafft. Sie blickt stolz auf den Flur. Schon an diesem Tag hat sie viel gelernt: "Zeit-Management! Unsere Zeit ist so kurz und wir haben so viele Aufgaben. Teamarbeit und Kommunikation sind auch ganz wichtig – mit den Menschen, den Angehörigen und innerhalb des Teams", fasst sie zusammen.
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