Mit 350 Kilometern pro Stunde jagt eine Drohne steil hinauf in den blauen Himmel über einem stillgelegten Fliegerhorst bei Erding. Irgendwo in der Ferne soll sie eine angreifende Kampfdrohne abfangen, sie zerstören beim Zusammenprall. Das System sei eine "kosteneffiziente Drohnenabwehrlösung, um Menschen und kritische Infrastruktur zu schützen", erklärt Balazs Nagy. Nagy ist Mitgründer der Münchner Firma TYTAN. Das Start-up hat die Abfangdrohne entwickelt.
Gestartet wird sie von einem Zweibein aus. Sind ihre Flügel abgenommen, dann passt sie in eine Kunststoffbox – etwas größer als ein Gitarrenkoffer. Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Zielerkennung. Erprobt und verbessert wird die Drohne in Erding, direkt mit der Bundeswehr. Erfahrungen der Soldaten sollen schon in die Entwicklung einfließen, sagt Nagy. TYTAN wolle schließlich "ein Produkt bieten, das eine Lösung für die Truppe darstellt".
Innovationslabor in Erding
Geht es nach dem Beschaffungsamt der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium, dann soll so eine Form der Zusammenarbeit Schule machen. In Erding wurde für genau solche Projekte vor rund drei Jahren ein sogenanntes Innovationslabor ins Leben gerufen. Erklärtes Ziel: Die Bundeswehr besser zu vernetzten mit denen, die gute Ideen haben. Angesiedelt ist das Labor auf dem Gelände des Wehrwissenschaftlichen Instituts in Erding. Es sei alles ein wenig, wie beim Tüftler "Q" in den James-Bond-Filmen, scherzt ein leitender Mitarbeiter in einer rund 30 Meter hohen Halle.
Pistorius zu Besuch in Bayern
Für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) war das Labor die zweite Station auf seinem Bayern-Besuch. Der stand ganz im Zeichen von neuesten Entwicklungen in der Rüstung. Pistorius formulierte den Anspruch, vorauszudenken und "vor der Welle zu sein". Explizit will er dabei neben etablierten Unternehmen auch Start-ups in den Blick nehmen.
Derartige Rüstungs-Start-ups schießen seit wenigen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Etliche, die im Bereich KI und Drohnentechnologie tätig sind, sind im Großraum München angesiedelt. Sie gelten als Vorreiter. Aus Reihen junger Firmen kam wiederholt Kritik, sie kämen bei Beschaffungsprozessen nicht zum Zug. Das System sei noch zu träge, auf die großen etablierten Player ausgerichtet, so der Vorwurf.
Erding wird wichtiger
Der Standort in Erding könnte in diesem Zusammenhang künftig wichtiger werden, er soll ausgebaut werden – vom Labor zu einem "Innovationszentrum". Pistorius versprach, innovative Technologien in der Truppe nutzbar zu machen: "Die Prozesse müssen schneller werden. Von der Idee über die Entwicklung und die Implementierung dürfen eben keine Jahre und Jahrzehnte mehr vergehen, zumal die Innovationszyklen viel rasanter geworden sind. Geschwindigkeit ist das, was im Innovationsbereich wirklich zählt", sagte er bei seinem Besuch. Für den Standort Erding spricht dabei sowohl die Dichte an Rüstungsunternehmen und Universitäten in der Nähe als auch der stillgelegte Fliegerhorst. Er eignet sich als Testgelände.
Besuch an der Sanitätsakademie
Etwas ganz Neues bekam Pistorius auch an der ersten Station seines Bayern-Besuchs zu sehen: An der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München wurde ihm der Prototyp einer Drohne vorgestellt, die Verwundete transportieren soll. Grille heißt sie, ist so groß wie ein Mittelklassewagen, versehen mit mehreren Rotoren. Der Kommandeur der Sanitätsakademie, Generalstabsarzt Hans-Ulrich Holtherm, hofft auf die Einführung. So eine Drohne könne Hubschrauber oder Transporte auf dem Landweg ersetzen, sagte er. Derzeit befindet sich die Grille aber noch in der Erprobung und im Zulassungsprozess. Auch in ihr sieht Boris Pistorius eine wichtige Innovation, das machte er bei seinem Besuch klar.
Die Bedeutung von Drohnen und den Fähigkeiten, diese abzuwehren, zeigt sich Tag für Tag in der Ukraine. Zuletzt erlebte das Land wieder heftige russische Angriffe. Die Bundeswehr ist nach Ansicht von Experten bislang nur unzureichend mit Drohnen- und Abwehrsystemen ausgestattet. Das soll sich aber ändern.
Im Video: Sicherheitsexperte Nico Lange im Interview
Sicherheitsexperte Nico Lange im Interview
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!