Archivbild: Andreas Scheuer, Horst Seehofer und Lars Klingbeil bei der Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU im März 2018.
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Andreas Scheuer, Horst Seehofer und Lars Klingbeil bei der Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU im März 2018 (Archiv)

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Pkw-Maut: Bund verzichtet auf Klage gegen Scheuer

Pkw-Maut: Bund verzichtet auf Klage gegen Scheuer

Das Bundesverkehrsministerium geht wegen der Folgekosten der gescheiterten Pkw-Maut nicht juristisch gegen Andreas Scheuer vor. Wie das Ministerium mitteilte, folgt es so einem Gutachten, das von einer Klage wegen möglicher Haftungsansprüche abrät.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Pkw-Maut war ein Prestigeprojekt der CSU in der Bundesregierung und platzte spektakulär. Für den Staat kam eine Millionenrechnung hinterher. Jetzt steht fest: Dem damaligen Verkehrsminister, Andreas Scheuer (CSU), droht wegen der Folgekosten keine Klage. Das hat das Ministerium am Donnerstag mitgeteilt und folgt damit einem Gutachten, das im Ergebnis von einer Klage wegen möglicher Haftungsansprüche abrät.

Gutachten: Erfolgsaussichten für Klage zu gering

Zusammengefasst empfehlen die Gutachter auf eine Klage gegen Scheuer zu verzichten: "Angesichts der rechtlichen Hürden und Unsicherheiten hätte eine Klage gegen Bundesminister a. D. Scheuer nur geringe Aussichten auf Erfolg." Im Gutachten heißt es: "Bereits die Rechtsgrundlage für einen Haftungsanspruch des Bundes gegen einen Bundesminister a. D. ist zweifelhaft und damit angreifbar." Der Gesetzgeber habe "weder im Bundesministergesetz (BMinG) noch an anderer Stelle eine Haftungsnorm für Minister vorgesehen".

Die Gutachter klopfen mehrere Möglichkeiten ab, Scheuer haftbar zu machen: "Für eine vorsätzliche Pflichtverletzung durch Bundesminister a. D. Scheuer liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Pflichtverletzungen waren aber jedenfalls fahrlässig und es liegt nahe, sie auch als besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt einzuordnen."

Prozesskostenrisiko läge bei 3,6 Millionen Euro

Doch das ist laut Gutachten nicht so einfach nachzuweisen: "Es ist anzunehmen, dass Bundesminister a. D. Scheuer versuchen würde, sich vom erhobenen Vorwurf dadurch zu exkulpieren, dass er fehlerhaft oder zumindest missverständlich zur Risikoeinschätzung und -vorsorge unterrichtet worden sei und dadurch keine Veranlassung gesehen habe, den Fragen nach dem Prozessrisiko und dem Kostenrisiko für den Fall eines Projektabbruchs weiter nachzugehen. Beweisschwierigkeiten des Bundes können sich ferner daraus ergeben, dass sich die subjektive Seite des Handelns des Ministers nicht vollständig aufklären lässt und dem Gericht lediglich Anhaltspunkte geliefert werden können."

Wenn der Bund klagen würde, schätzen die Gutachter das Prozesskostenrisiko auf rund 3,6 Millionen Euro. Das Resümee der Gutachter: "Aus anwaltlicher Sicht überwiegt das Prozess- und Kostenrisiko." Deutlicher hatte es der Rechtswissenschaftler Prof. Volker Boehme-Neßler gegenüber BR24 bereits im Sommer gesagt: Von einem Ex-Minister Regress einzufordern, halte er derzeit für "unmöglich".

Das Verkehrsministerium hat das 70-seitige Gutachten auch auf seiner Seite veröffentlicht.

Verkehrsministerium betont: Politische Verantwortlichkeit liegt bei Scheuer

Das Verkehrsministerium in Berlin erklärte, der Empfehlung der Gutachter zu folgen - auch um weiteren Schaden für den Steuerzahler abzuwenden. Es betonte zugleich: "Unabhängig davon bleibt es bei der unbestrittenen politischen Verantwortlichkeit von Bundesminister a.D. Scheuer." Der niederbayerische CSU-Politiker sitzt seit über zwanzig Jahren im Deutschen Bundestag und war von 2018 bis 2021 Verkehrsminister.

Warum der Bund 243 Millionen Schadenersatz zahlen musste

Die Pkw-Maut – ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung – war am 18. Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Damals war Scheuer Verkehrsminister. Begründet hatten die Luxemburger Richter ihr Urteil damit, dass zwar alle Verkehrsteilnehmer die Abgabe bezahlen sollten. Auf der anderen Seite aber nur Fahrer aus dem Inland für die Maut bei der Kfz-Steuer voll entlastet werden sollten. Der EuGH sah darin eine unerlaubte Diskriminierung von ausländischen Bürgern.

Kurz nach der höchstrichterlichen Entscheidung kündigte Scheuer dann die Verträge mit den vorgesehenen Betreibern. Diese forderten daraufhin aber Schadenersatz, ganz so wie es in den Verträgen vereinbart worden war. Eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergab, dass der Bund ihnen in der Folge 243 Millionen Euro zahlen musste. Obwohl es nie dazu kam, dass sie die Pkw-Maut betrieben. In der Kritik stand auch, dass Scheuer die Betreiberverträge Ende 2018 abgeschlossen hatte, noch bevor endgültige Rechtssicherheit beim EuGH bestand.

  • Zum Artikel: Scheuer zu Maut-Millionen: "Kann den Unmut sehr gut verstehen"

Scheuers Nachfolger Wissing hatte Ansprüche prüfen lassen

Das Gutachten wurde im Juli 2023 von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob Haftungsansprüche gegen seinen Vorgänger Scheuer bestehen und gerichtlich durchsetzbar sind. "Wir können die Akte bei 243 Millionen Euro nicht einfach beiseitelegen", sagte der FDP-Politiker damals. Dabei machte er deutlich, dass das Gutachten klären sollte, ob ein Regress im konkreten Fall möglich sei oder nicht. Das sei letztlich keine politische Frage. Ein Schaden sei entstanden. Für eine rechtliche Verantwortung müssten aber weitere Voraussetzungen vorliegen.

Ist das Gutachten wirklich unabhängig?

Das Ministerium hat eine spezialisierte Anwaltskanzlei aus Berlin mit dem Gutachten beauftragt. Die Kanzlei "Müller-Wrede Rechtsanwälte" ist laut eigenen Angaben seit knapp 25 Jahren unter anderem auf das Vergaberecht spezialisiert. Das, was die Kanzlei herausgefunden hat, deckt sich in weiten Teilen mit der Einschätzung anderer Juristen. Mit einigen hatte BR24 bereits im Sommer gesprochen über die Erfolgsaussichten einer Klage gegen Scheuer gesprochen.

Was hat das gekostet?

Laut Verkehrsministerium hat das Gutachten circa 100.000 Euro gekostet. Das liegt laut Ministerium im Rahmen der üblichen Vergütungen für komplexe Rechtsgutachten. Auch Juristen, die BR24 befragt hatte, rechneten mit Kosten mindestens in dieser Höhe oder mit mehr.

Mit Informationen von dpa

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