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Psychische Überlastung bei Landwirten: Was tun?

Psychische Überlastung bei Landwirten: Was tun?

Ein schrecklicher Fund auf einem Hof in Griesstätt: 17 tote Rinder und zwei Schafe wurden dort vorige Woche entdeckt. Solche Fälle häufen sich. Und immer öfter stellt sich die Frage, wie Landwirten, die überfordert sind, geholfen werden kann.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Ein Bauernhof in Griesstätt im Landkreis Rosenheim. 17 tote Rinder, zwei tote Schafe und viele vernachlässigte Tiere sind dort vergangene Woche entdeckt worden. Erschütternde Bilder, die viele Fragen aufwerfen: Wie konnte das passieren? Warum hat niemand vorher eingegriffen? Das Bayerische Umweltministerium verweist auf Fortschritte. Tierschützer sprechen dagegen von einem Systemversagen.

Mangelnde Wertschätzung in der Bevölkerung für Landwirte

Martin Peus, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands und selber Landwirt, spricht im BR-Interview immer wieder von den hohen psychischen Belastungen in diesem Beruf. Man diene dem Wohl der Menschen, vergesse aber ganz oft, sich als Landwirt auch um die eigene Familie zu kümmern. Zusätzlich müsse man eigentlich ständig das Wohl der Tiere vor Augen haben, das komme bei der immensen Arbeitsbelastung aber oft zu kurz, so Peus.

"Die Problematik ist häufig, dass bei den Landwirten eine immense Arbeitsüberlastung vorliegt, dass oft finanzielle Schwierigkeiten vorliegen, dass die Umwelt uns Kummer macht, dass politische Rahmenbedingungen eine Schwierigkeit darstellen und dass aufgrund dieser Ereignisse auch oft mangelndes Ansehen und Wertschätzung aus der Bevölkerung vorliegt", fasst Peus die Gesamtlage zusammen.

Prävention ist das Wichtigste

Die Überlastung führt laut Peus zu einer emotionalen Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit. Das zuzugeben sei aber "aus Sicht der Landwirte ein Tabu", es gebe viel Scham und deswegen "kommt es häufig gar nicht dazu, dass wir etwas von denen [den Überlasteten] hören".

Prävention sei natürlich das Wichtigste, sagt der Geschäftsführer des Bauernverbands. Deswegen versuche man, die Landwirte zu sensibilisieren und so Scham abzubauen, zum Beispiel mit Präsenz- und Online-Veranstaltungen zu diesem Thema. Es gebe darüber hinaus Beratungsangebote, psychologische Unterstützung und Mediation, sagt Peus: "um Konflikte in Familien und Betrieben herauszuarbeiten, damit die Alltagsüberforderung angegangen wird. Leider ist das Drama ja erst in der Familie, bevor es im Betrieb ist."

Hilfsangebote für Landwirte

Peus dringt auch darauf, sich von Außen einzumischen. Ohne gehe es nicht, denn wenn alle wegschauten, komme es zu Dramen wie in Griesstätt – und dann sei es eigentlich schon zu spät. Vorher könne oft noch der Ortsbauer oder die Ortsbäuerin eingeschaltet werden, weil dann der betroffene Landwirt sozusagen von Kollege zu Kollege spreche – es gebe dann oft einen viel direkteren Zugang auf Augenhöhe. Zusätzliche gebe es als Angebot für betroffene Landwirte Beratungen per Nottelefon. Dort hätten Landwirte laut Peus "völlig wertfrei mit Menschen zu tun, die keine Verurteilung vornehmen, wo sie ihr Herz ausschütten können, mit allen Problemen, ob es Familie, Betrieb oder eine Person selber angeht. Und die vermitteln dann weitere Hilfe."

Vorerst keine Anhörung mit Sachverständigen 

Inzwischen befasste sich auch der Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz im Landtag mit dem Thema – jedoch ohne greifbares Ergebnis. Anträge von Grünen und SPD wurden mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern und AfD abgelehnt. Die Grünen wollten eine Sachverständigen-Anhörung im Agrarausschuss erreichen, um mögliche strukturelle Probleme und Maßnahmen für effektivere Kontrollen zu identifizieren. Die CSU-Abgeordnete Petra Loibl sah keine Veranlassung, Fachleute anzuhören. Auch eine engmaschige Überwachung und "neben jedes Tier einen Kontrolleur stellen" werde das Problem nicht lösen. Sie schloss sich Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) an, die kürzlich an die Aufmerksamkeit anderer Dorfbewohner appelliert hatte: "Wir müssen wieder eine Kultur des Hinschauens entwickeln", sagte Loibl.

Landwirte haben Interesse an gesunden Tieren

Jutta Schilcher aus der Redaktion Landwirtschaft und Umwelt des Bayerischen Rundfunks sagt, es gebe "schon einiges an Kontrollen" von Höfen. In Bayern seien insgesamt 500 Amtstierärztinnen und Amtstierärzte beschäftigt. Darüber hinaus gebe es noch Kontrollen für die Qualitätssicherungssysteme QS (Prüfsystem für Lebensmittel) und QM (Qualitätsmanagement des Lebensmittelverbands Deutschland). Bei Bio-Höfen gibt es noch zusätzlich Bio-Kontrollen und solche von Bioverbänden. Insgesamt jedoch seien die zeitlichen Abstände zwischen den Kontrollen recht groß.

Kontrolleure würden immer wieder größere und kleinere Probleme entdeckt. Generell hätten aber die Landwirte selbst ein Interesse an gesunden Tieren, denn "nur gesunde Tiere geben gut Milch und verursachen wenig Kosten beim Tierarzt. Also absichtlich wird kein Tierhalter seine Tiere vernachlässigen", so Schilcher. Massive Tierschutzverstöße wie in Griesstätt gebe es dann, wenn persönliche Probleme oder Ausnahmesituationen dazu kommen.

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