Leise hebt er sich in die Höhe, vorbei an Engeln aus Stuck, unter den Fresken von Johann Baptist Zimmermann: ein Heliumballon mit Kamera. Drei Tage lang gleitet er durch die Wieskirche in der Nähe des oberbayerischen Steingaden und soll dabei den Erhalt der weltberühmten Rokokokirche sichern.
Die ungewöhnliche Inspektion ist Teil eines umfassenden Monitorings, das das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege koordiniert. Ziel ist es, kleinste Veränderungen am Bauwerk zu dokumentieren, noch bevor sie gefährlich werden.
"Ein Denkmal wie das Taj Mahal"
Für die Fachleute ist die Wieskirche mehr als ein bayerisches Schmuckstück. "Wir haben hier tatsächlich ein Kulturdenkmal aller höchsten Ranges, gleichzusetzen mit dem Taj Mahal in Indien oder den Inkastätten in Peru", sagt Jan Menath vom Landesamt für Denkmalpflege. Entsprechend groß sei auch die Verantwortung, Schäden rechtzeitig zu erkennen.
Risse, Ablösungen, Staub
Von unten wirkt die Kirche makellos. Doch der Ballon zeigt ein anderes Bild. "Man kommt in den Kirchenraum und denkt, er steht wunderbar. Aber wenn man im Detail draufschaut, dann muss man feststellen: Dem ist eben nicht so", so Menath weiter. Haarrisse in den Fresken, Ablösungen im Stuck, feine Staubablagerungen: Das sind die unsichtbaren Gefahren für das filigrane Kunstwerk. Der Ballon hilft, sie millimetergenau festzuhalten, und zwar ohne Gerüstbau, der teuer und für den laufenden Besucherverkehr schwierig wäre. Höhenfotograf Daniel Roeseler steuert das Konstrukt aus Kamera und Heliumballons.
Vergleich mit alten Aufnahmen
Bereits seit den 1980er Jahren dokumentieren Fachleute den Zustand der Wieskirche. Über 100 Gutachten und mehr als 800 Fotos sind zusammengekommen. Jetzt entstehen hochauflösende Bilder aus der Vogelperspektive. Sie werden mit älteren Aufnahmen verglichen, zuletzt mit denen aus dem Jahr 2017. "Der Vergleich mit den Aufnahmen von vor acht Jahren zeigt sehr eindrücklich: Im Detail ist sehr wohl Bewegung drin. Teile der Raumschale haben sich verabschiedet", sagt Menath.
Alpenvorland als Herausforderung
Neben den sichtbaren Schäden steht auch das Raumklima im Fokus. Die Wieskirche liegt in einer Landschaft, die für die Bausubstanz heikel ist. Feuchtigkeit im Sockelbereich, Temperaturunterschiede und Staub wirken langfristig auf Fresken und Stuck ein. Deshalb wird nicht nur beobachtet, sondern auch geforscht: etwa zum Einfluss von Licht auf die empfindlichen Materialien.
Ziel: Früherkennungssystem
Am Ende soll ein Konzept entstehen, das wie ein Frühwarnsystem funktioniert: Schäden sollen erkennbar sein, bevor sie groß werden. So wollen die Verantwortlichen die Sicherheit für die täglich rund tausend Besucherinnen, Besucher und Wallfahrer gewährleisten und zugleich die Kunstwerke für kommende Generationen erhalten.
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