SPD-Fraktionschef Holger Grießhammers Parole für die Klausur seiner Fraktion: "Raus auf die Marktplätze und in die Betriebe", herausfinden: "wo steht Bayern", auch beim Ziel gleichwertige Lebensverhältnisse. Also rein in den Tourbus, Präsenz zeigen, Bayern in seiner Vielfalt kennenlernen und ins Gespräch kommen. Der Hintergrund: Die jüngsten Umfragen sehen die einstige Arbeiter-Partei nur noch bei rund acht Prozent in Bayern. Ihr einstiges Kernklientel wählt zunehmend AFD.
- Zum Artikel: Milliarden aus Berlin: Bayern-SPD will 70 Prozent für Kommunen
Grießhammer will SPD wieder sichtbar machen
Man habe im Landtag nur noch 17 Abgeordnete, "ich möchte aber schon, dass die Bayern wissen, dass es die SPD noch gibt", erklärt Grießhammer den Grund für die viertägige Busfahrt kreuz und quer durch Bayern. Die SPD hatte neben klassischen Infoständen in allen sieben Regierungsbezirken auch Besuche im Kinderheim, in Schulen, Unternehmen und mit Kommunalpolitikern auf dem Programm. Dazu kamen ein Ehrenamtsempfang, eine fränkische Weinprobe und ein Kultur-Abend, bei dem das Comedy-Duo Waltraud und Mariechen alias Volker Heißmann und Martin Rassau mit dem "Frankenrechen" ausgezeichnet wurde.
SPD sieht sich als "Anwalt der Kommunen"
Rund ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl war besonders die Lage der Städte, Gemeinden und Landkreise Thema. Vor Ort in Weiden appellierte SPD-Oberbürgermeister Jens Meyer an die Genossen im Landtag, Druck auf die Staatsregierung zu machen: Dass die Milliarden aus dem Sondervermögen, die der Bund an die Länder überweist, zum größten Teil bei den Kommunen ankommen. "Denn wir wissen selbst vor Ort, wo wir es nötig haben und brauchen." Etwa bei den maroden Schulen und den Krankenhäusern.
In Regenstauf bei Regensburg erzählten Marktgemeinde- und Landkreisvertreter von den enormen Kosten für ein neues Schulschwimmbad. Das Problem sei, "dass die Fördersummen des Freistaates zwar fließen, aber unserer Meinung nach für die Kommunen zu wenig fließt", so die stellvertretende Landrätin Petra Lutz (SPD). Die SPD-Fraktion erneuerte auf der Klausurtagung ihre Forderung nach einer "Kommunalmilliarde" aus dem Haushalt des Freistaates. Und, dass Bayern mindestens 70 Prozent aus dem Berliner Sondervermögen an die Kommunen weiterreichen müsse.
Mehr Wohnungsbau und weniger Bürokratie?
Im schwäbischen Friedberg appellierte der SPD-Bürgermeister Roland Eichmann die "Politik" auf Landes- und Bundesebene: neben mehr Geld für die darbenden Kommunen brauche es vor allem mehr "Verlässlichkeit" und "Beständigkeit", statt immer wieder wechselnder Rahmenbedingungen, etwa beim sozialen Wohnungsbau. Einfach weniger Versprechungen, aber diese dann "einhalten". Weil die bayerischen Fördertöpfe leer sind, mussten auch Friedberg bereits geplante Sozialwohnungen gestoppt werden. Das Gleiche in Roth bei Nürnberg: SPD-Bürgermeister Andreas Buckreus hofft auf Geld vom Freistaat, damit 150 Sozialwohnungen doch noch gebaut werden können.
Beim Wirtschaftsempfang in Schwabach machte sich dann der Ex-Wirtschafts-Weise Peter Bofinger für ein großes bundesweites Bauprogramm für Sozialwohnungen stark. Auch: "Damit die Menschen sehen: der Staat kümmert sich um mich." Nur so könne man der Pro-AfD-Stimmung etwas entgegensetzen. Außerdem stellte Bofinger klar, der Kampf gegen Bürokratie sei zwar wichtig. Noch wichtiger seien für die Wirtschaft aber Investitionen in High Tech, Forschung und Innovationen.
Zwischen stockendem Fahrzeugbau und florierender Rüstungsbranche
Neben den Kommunen besuchten die SPD-Abgeordneten auch Industriebetriebe wie Airbus Helicopters Deutschland in Donauwörth und Fendt Caravan im benachbarten Mertingen. Während Airbus dank der Rüstungsaufträge boomt, geht es mit dem Wohnwagen-Anhänger-Hersteller Fendt Caravan nur langsam wieder aufwärts. 770 Angestellte bauen dort mit viel Handarbeit Wohnwägen. Andreas Dirr, technischer Geschäftsführer, macht vor allem der Arbeits- und Fachkräftemangel Sorgen. Es fehlten die Zuwanderer auch für einfachere Tätigkeiten und der Nachbar Airbus zahle seine Arbeitskräfte besser.
Sorgen haben auch die Weinbauern an der Main-Schleife in Mittelfranken. Dort hörten sich die SPD-Abgeordneten an, wie hoch der Finanzbedarf für dringend nötige Bewässerungsprojekte ist. Und: dass man sich von Landtag und Staatsregierung dringend mehr Geld für die Regionalwerbung wünscht, damit etwa in München wieder mehr fränkischer Silvaner getrunken wird.
Nach der "Klassenfahrt" kommt die Arbeit
Die Abgeordneten wirkten bei der Fahrt mehrheitlich gut gelaunt, es kam beinahe so etwas wie "Klassenfahrt"-Atmosphäre auf, erzählten einige. Laut Grießhammer war die Tour ein Erfolg. Man habe ein Zeichen setzen wollen: "Die SPD gibt's und wir sind für Euch da". Katja Wetzel, SPD-Abgeordnete aus München, schwärmt "wie vielseitig Bayern" sei. Sie nimmt für sich vor allem das Thema "Digitalisierung" mit. Der Nürnberger Arif Tasdelen betont, er habe den Eindruck, "dass die Menschen honorieren, wenn wir da sind", viele aber seien "überrascht" gewesen, die SPD-Abgeordneten anzutreffen. Und Noch-Generalsekretärin Ruth Müller berichtet, viele Menschen hätten ihr von Ängsten erzählt, dass bei Sozialleistungen gekürzt werden könnte.
In den anstehenden Landtagssitzungen wartet viel Arbeit auf die SPD-Abgeordneten. Denn die Tour, so Fraktionschef Grießhammer, sei nur eine "Bestandsaufnahme" gewesen. Man habe auch "Hausaufgaben" bekommen. Bei der nächsten Klausur im Januar wolle man das Gehörte "vertiefen" und dann "werden auch Positionspapiere kommen", verspricht der Fraktionschef. Sein Ansatz: "Wir müssen Politik machen, sodass die Leute spüren, da hab ich eine Verbesserung". Sein strategisches Ziel: Die Fraktion in die Mitte führen, damit künftig die SPD Koalitionspartner der CSU in Bayern wird.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!