Weil sie den Schlachthof Aschaffenburg vor unangekündigten Kontrollen gewarnt haben, mussten sich zwei amtliche Tierärztinnen seit Montag vor dem Landgericht Aschaffenburg verantworten. Heute nun fiel das Urteil: Die 50-jährige amtliche Tierärztin wurde wegen Geheimnisverrats zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Sie muss zudem eine Geldstrafe von 2.000 Euro zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.
Die beiden Verfahren gegen die 28-jährige amtliche Tierärztin und den Inhaber des Zerlegebetriebs wurden gegen eine Geldauflage eingestellt. Die Veterinärin muss 2.000 Euro zahlen, der 33-Jährige 300 Euro. Denn in ihrem Fall sei es um eine Ankündigung der Prüfung einer Tierärztin, so das Gericht. Es betraf keine Hygiene- und Tierwohlkontrollen.
Vor Kontrollen via Whatsapp gewarnt
Die 50-Jährige hatte zu Prozessbeginn am Montag zugegeben, die Kontrollen in einer schlachthofeigenen Whatsapp-Gruppe angekündigt zu haben. Mitglieder der Gruppe waren unter anderem der ehemalige Geschäftsführer der Schlachthof Aschaffenburg GmbH und der Inhaber und Mitarbeiter eines Zerlegebetriebs auf dem Gelände des Schlachthofs. Es tue ihr leid, wie sie gehandelt habe, lies sie ihren Anwalt verlesen. Bei der Befragung der 50-Jährigen durch Richter und Staatsanwaltschaft kam aber auch heraus, dass sie das offenbar vor allem getan habe, um sich selbst und ihren Job zu sichern: Durch die Warnung konnte sich das Schlachtpersonal auf die KBLV-Kontrolle vorbereiten. Damit stand auch sie als überwachende amtliche Tierärztin gut da. Eine andere Veterinärin war 2021 nach einer solchen Kontrolle gesperrt worden, weil es etliche Beanstandungen gab.
Mail an Zerlegebetrieb auf Schlachthofgelände
Auch die 28-jährige Angeklagte ließ sich zu den Vorwürfen ein. Sie argumentierte allerdings anders: Sie habe damals eine E-Mail weitergeleitet, in der es nicht um die Kontrolle des Schlachtbetriebs ging, sondern eine "Kontrolle der Kontrolleure" durch die zuständige Behörde. Um ihrer Kollegin in diesem Fall die besten "Prüfungsbedingungen" zu schaffen, habe sie die E-Mail weitergeleitet. Das sei nicht verboten und keine Verletzung des Dienstgeheimnisses, so die Argumentation ihres Anwalts.
Die 28-Jährige hatte die entsprechende E-Mail damals auch an den Inhaber des Zerlegebetriebs weitergeleitet, mit dem sie damals auch zusammen war. Sie schrieb ihm, er solle die E-Mail an den Geschäftsführer des Schlachthofs weiterleiten. Was dieser auch tat. Der 33-Jährige stand deswegen ebenfalls vor Gericht wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses. Auch er hat den Vorwurf der Staatsanwaltschaft vollumfänglich eingeräumt, wollte aber keine Fragen der Kammer beantworten.
Schockierende Bilder von "Soko Tierschutz"
Im Sommer 2023 waren Aufnahmen der Tierschutzorganisation "Soko Tierschutz" publik geworden. Diese zeigten, wie Beschäftigte Schweine und Rinder mit Elektroschockern traktieren und offensichtlich noch lebende Tiere auseinandernehmen. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Diese Ermittlungen wegen quälerischer Tiermisshandlung dauern noch immer an, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Mit einem Abschluss sei "aufgrund des Umfangs der auszuwertenden Beweismittel" nicht vor Ende 2024 zu rechnen.
Schlachtung nach Verbesserungen für Tierwohl wieder erlaubt
Aufgrund der Filmaufnahmen hatte die KBLV im Juli 2023 dem privaten Betreiber des Schlachthofes die Durchführung von Schlachtungen am Schlachthof Aschaffenburg zunächst untersagt. Nachdem der Schlachthofbetreiber den Geschäftsführer, Betriebsleiter und Tierschutzbeauftragten ausgewechselt hatte, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Tierschutzfragen durch externe Sachverständige zusätzlich geschult und diverse Änderungen in den Betriebsabläufen und den technischen Einrichtungen vorgenommen hatte, hat die KBLV die Schlachtung von Schweinen im September 2023 wieder zugelassen. Auch die Schlachtung von Rindern ist wieder zugelassen.
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