Seit Jahren denken Freistaat und Stadt über die Zukunft des staatlichen Grundstücks an der Nymphenburger Straße 16 im Münchner Stadtteil Neuhausen nach. Das Strafjustizzentrum dort zieht demnächst in einen Neubau. Inzwischen tobt ein handfester Streit um das Grundstück.
Es geht um hunderte neue Wohnungen
Streitgegenstand ist ein 50 Jahre altes Gebäude, Typ "Betonklotz", auf 17.500 Quadratmetern Grund in Toplage. Geschätzter Wert: 400 Millionen Euro. Die Streitfrage: Verkauft der Freistaat sein "Filetgrundstück" an einen Investor – oder behält er das Grundstück und schafft bezahlbaren Wohnraum? Fast 400 Wohnungen könnten dort entstehen, heißt es aus dem Bauministerium. Erst kürzlich hatte das Pestel-Institut vorgerechnet, dass alleine in München jährlich mehr als zehntausend Wohnungen gebaut werden müssten.
Freistaat wollte Wohnraum schaffen - Kehrtwende im Sommer
Vor gut zwei Jahren kündigte Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) an, auf dem Grundstück "bezahlbaren Wohnungsbau durch unsere staatlichen Wohnungsbaugesellschaften in Angriff" zu nehmen. Mitte August teilt das Bayerische Bauministerium überraschend mit, das Kabinett habe beschlossen, das Grundstück zu verkaufen. Die Entscheidung sei auf Grundlage einer "Machbarkeitsstudie" gefallen, hieß es später. Man könne mit dem Erlös an anderer Stelle mehr Wohnungen bauen, als in dem Gebäude aus den 1970ern. Allerdings ist nicht ausgemacht, dass das Geld dann in den Wohnungsbau fließt. Die Verfassung schreibt vor, dass der Erlös in den Grundstock übergeht, das heißt: nicht zweckgebunden ist.
Machbarkeitsstudie unter Verschluss - Vorwurf der Intransparenz
Ob sich nur ein Verkauf rechnet, würden Grüne und SPD gerne selbst beurteilen. Sie haben mehrere Landtagsanfragen ans Bauministerium gestellt, die BR24 vorliegen. Doch Einblick in Kabinettsbeschluss und Machbarkeitsstudie haben die Abgeordneten Christian Hierneis (Grüne) und Florian von Brunn (SPD) nicht bekommen. Hierneis ärgert sich über ein "intransparentes Verfahren", und bezweifelt, "ob es überhaupt eine Machbarkeitsstudie gibt". Auch die AfD spricht von einem "Transparenzproblem". "Irritierend" findet von Brunn das Vorgehen und wähnt, vielleicht komme die Studie "zu einem anderen Ergebnis"?
Luxuswohnungen oder Millionengrab?
Grüne und SPD setzten das Thema am Mittwochabend im Landtag per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung. Ihr Ziel: den Verkauf abzuwenden. Das Gebäude solle vom Freistaat saniert und nicht abgerissen werden - aus ökologischen Gründen. In dem neunstöckigen Gebäude sollten unten Geschäfte, oben bezahlbare Wohnungen liegen. Mit einem Verkauf an einen Privatinvestor dagegen würde die Staatsregierung "Luxuswohnungen" und "Gentrifizierung" in Kauf nehmen, so der Grüne Hierneis. Der Staat wolle mit dem Geld womöglich "Haushaltslöcher stopfen", befürchtet von Brunn. Der CSU-Abgeordnete und Bauausschussvorsitzende Jürgen Baumgärtner kontert: Was sich Grüne und SPD vorstellten, sei ein "finanzielles Fiasko".
Welche Rolle spielt die Stadt München?
Baumgärtner erklärt zudem, Schuld am Verkaufswunsch sei das rot-grün regierte München: "Der wesentliche Grund ist die Unbeweglichkeit der Stadt", so der CSU-Politiker. Sein Argument: Die Stadt gebe die kostspielige Sanierung im Bestand aus "ideologischen" Gründen vor. Das aber sei finanziell "nicht beherrschbar". Auch habe die Stadt unter Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) den Bebauungsplan nicht für eine künftige Nutzung abgeändert. Baumgärtner zufolge ist das Grundstück deshalb aktuell "nichts wert", es habe "lediglich ein Potenzial" von 400 Millionen Euro. Für von Brunn sind das "Nebelkerzen", die Stadt habe ein Interesse daran, dass Wohnungen gebaut werden. Hierneis befürchtet, dass das alte Strafjustizzentrum "das Schicksal anderer Grundstücke erfahren" und "eine ganze Zeit brachliegen wird".
Endgültig entschieden ist doch noch nichts
Beim Verkauf großer Grundstücke wie dem in München muss der Landtag zustimmen. Das will der Münchner Mieterverein gemeinsam mit anderen Initiativen verhindern – per Petition. Der Bauausschuss hat diese zurückgestellt. "Wir brauchen jetzt erst mal die Fakten", so Martin Behringer (FW), stellvertretender Bauausschuss-Vorsitzender. Dazu will er sich auch die Machbarkeitsstudie anschauen. "Die gibt es", sagt er. Auch der Bauminister meldet sich am Ende der Debatte zu Wort. Einen Verkauf hält er für die "wirtschaftlich vernünftigste Lösung". Bernreiter sagt aber auch: "Wir sind offen für kluge Ideen."
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