Die Ex-CSU-Chefs Erwin Huber und Horst Seehofer galten lange als Intimfeinde, konkurrierten einst um den CSU-Vorsitz, erst Jahre später besserte sich ihr Verhältnis. Absolut einig sind sich jetzt Huber und Seehofer in der Kritik an ihrem Nachfolger Markus Söder. Konkret: seinem Umgang mit den Grünen. Huber fordert im BR-Interview, Söder solle sein "serielles Bashing" der Grünen einstellen "und die Tür zum Zusammenwirken der demokratischen Parteien öffnen". Die Gefahr von rechts sei so groß, dass die demokratische Mitte offen sein müsse für Bündnisse.
Im "Stern" kritisiert auch Seehofer die Verteufelung der Grünen: "Das gehört zu den strategischen Fehlentscheidungen in den letzten sieben Jahren." Söder hatte die Grünen sowohl im Landtagswahlkampf ("passen nicht zu Bayern") als auch vor der Bundestagswahl ("ein No-Go") regelmäßig attackiert, eine Zusammenarbeit strikt ausgeschlossen. In Bierzelten ist dem CSU-Chef noch heute Jubel sicher, wenn er sich an den Grünen abarbeitet.
Söder: "Ratschläge von der Seitenlinie"
Huber geht es um zweierlei. Erstens: die richtige Strategie für die CSU. Söders "Blankoscheck" für die Freien Wähler vor der Landtagswahl 2023 habe nur dem "Populisten" Hubert Aiwanger genutzt, beklagt er. Zweitens hält er eine starke kompromissfähige demokratische Mitte für nötig, um radikale Parteien von Regierungsposten fernhalten zu können. Als Huber Mitte September bei der Grünen-Landtagsfraktion zu Gast war, sagte er: Die CSU werde 2028 (Landtagswahl) oder 2029 (Bundestagswahl) froh sein, "wenn wir starke Grüne haben, mit denen wir koalieren können".
Söder reagierte wenige Tage später. Er erkenne keine "Service-Opposition" - wie sich die Grünen selbst sehen -, sondern manchmal eine "Stillos-Opposition", sagte er bei der CSU-Fraktionsklausur. Da helfe auch der "Ratschlag ehemaliger Berater" nicht. Und nach einer CSU-Vorstandssitzung betonte er: "Ratschläge von der Seitenlinie von gestern werden nicht helfen."
Knoll: "Wir reden immer mit allen"
Stehen die beiden Ex-Vorsitzenden mit ihrer Kritik allein in der CSU? Oder sprechen sie für andere? Mehrere CSU-Landtagsabgeordnete wollten sich am Mittwochvormittag am Rande der Fraktionssitzung nicht äußern. Der neue Landesvorsitzende der Jungen Union, Manuel Knoll, sagt zumindest: "Grundsätzlich müssen wir als Demokraten mit allen demokratischen Parteien sprechen."
Für Ilse Aigner, Landtagspräsidentin und Chefin der Oberbayern-CSU, stellt sich die Frage nach Schwarz-Grün aktuell nicht: "Die Diskussion führen wir erst dann wieder, wenn wieder Wahlen sind." Sie lacht und fügt hinzu: "Wir reden immer mit allen. Ich auf alle Fälle." Für CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek ist die Sache klar: "Ich habe das Gefühl, die Menschen wollen nicht, dass wir mit den Grünen koalieren."
Weber: Partnerschaftlich arbeiten
Jenseits des Landtags wirbt CSU-Vize Manfred Weber für einen differenzierten Umgang mit den Grünen: Sie seien demokratischer Mitbewerber, aber kein Feind, sagt er im BR24-Interview. Man müsse sich inhaltlich klar abgrenzen. Aber: "Wir müssen immer auch in der Lage sein, mit demokratischen Parteien partnerschaftlich zu arbeiten und zu diskutieren."
Hört man sich in der Parteispitze um, wird die Stimmung unterschiedlich beschrieben. Ein prominenter Christsozialer schildert, das Verteufeln der Grünen komme bei einem Teil der treuesten CSU-Anhänger sehr gut an. Es gebe aber auch "Grummeln", weil vielen die Festlegung auf die Freien Wähler missfalle. Ein altgedienter CSUler betont, die Stimmung sei sowohl in der Parteispitze als auch an der Basis kritisch gegenüber den Grünen. Sollte Schwarz-Grün aber irgendwann nötig sein, werde sich niemand verweigern.
Grüne als Projektionsfläche "für alles Schlechte"
Die Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl hatte im Bundestagswahlkampf erläutert, die Grünen dienten Söder als eine Art Projektionsfläche "für alles Schlechte in der Politik". Da auch Freie-Wähler-Chef Aiwanger die Grünen als Feindbild pflege, wolle Söder ihm das Feld nicht überlassen.
Aiwanger argumentiert, ein Nein zu den Grünen sei nötig, um Wähler nicht an die AfD zu verlieren. Entsprechend fällt seine Reaktion auf Hubers Wortmeldung aus: "Lieber Erwin, normalerweise werden ja Menschen im Laufe ihres Lebens konservativer", schreibt er auf Social Media. "Du meinst aber, es wäre für Bayern besser, wenn die CSU mit den Grünen links abbiegt. Hast Du einen Werksvertrag mit der AfD?" Ob das "Grünen-Bashing" als Anti-AfD-Strategie taugt, ist fraglich: Schwächer ist die AfD jedenfalls nicht geworden.
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