Etwa 10.800 Kindertageseinrichtungen in Bayern starten in ein neues Kita-Jahr. Damit ist die Zahl der Einrichtungen im Freistaat in den vergangenen 15 Jahren um mehr als ein Drittel gestiegen, wie Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) in München sagte. Die Zahl der betreuten Kinder kletterte seit 2010 um 43 Prozent. "Ich möchte, dass jedes Kind in Bayern die besten Startchancen hat", betonte die Ministerin. Die frühkindliche Bildung sei dafür ein wesentlicher Schlüssel. "So viel, wie Kinder in den ersten sechs Jahren lernen, so viel lernen sie in der kompletten Schulzeit nicht mehr."
Für Scharf steht somit fest: "Wir müssen mehr investieren in unsere Kinder, in die frühkindliche Bildung." Daher habe die Staatsregierung eine "Richtungsentscheidung" getroffen: Künftig werde weniger Geld direkt an Familien gezahlt und mehr in die Kinderbetreuung investiert. Statt bisher 6.000 bis 8.400 Euro Familien- und Krippengeld erhalten Familien im Freistaat ab 2026 ein Kinderstartgeld von 3.000 Euro. Damit sollen spätestens ab 2028 mehr als 400 Millionen Euro jährlich frei werden und zusätzlich in die Kinderbetreuung fließen.
Kita-Verband widerspricht Ministerin
Es komme "mehr Geld ins System", verspricht Scharf und wertet das angesichts der angespannten Haushaltslage als Erfolg: Im Kabinett habe sie "intensiv" dafür kämpfen müssen. Mit dem Geld will die Staatsregierung dauerhaft bis zu 15.000 sogenannte Teamkräfte finanzieren, die das pädagogische Personal unterstützen und entlasten sollen - beispielsweise bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten oder Verwaltungsaufgaben.
Während Scharf eine "wirklich gute Zukunft für die Kindertagesbetreuung in Bayern" gesichert sieht, zeichnen mehrere Kita-Träger ein düsteres Bild und verweisen auf die erhebliche Finanzierunglücke zahlreicher Einrichtungen. "Wir sind doch sehr irritiert", sagt Dirk Rumpff, Vorstand Recht und Finanzen beim Evangelischen Kita-Verband Bayern, im BR-Interview. "Wir haben jahrelang über Möglichkeiten zur Schließung der Finanzierungslücke gesprochen. Und jetzt bekommen wir Teamkräfte." Diese seien zur Entlastung des Fachpersonals eingeführt worden. "Zur Deckung der Finanzierungslücke tragen sie in keiner Weise bei."
Sollte die gesetzliche Kita-Finanzierung nicht erhöht werden, sei zu befürchten, "dass freie Träger ihre Angebote nicht mehr aufrechterhalten können". Daher wären laut Rumpff die 400 Millionen Euro jährlich deutlich besser in der gesetzlichen Förderung aufgehoben als in der Finanzierung von Teamkräften.
"Dringender Handlungsbedarf"
Da Freistaat und Kommunen bisher gemeinsam lediglich für 60 Prozent der Kita-Betriebskosten aufkommen müssen, beklagen Träger unisono eine strukturelle Unterfinanzierung. Das Bayerische Rote Kreuz warnte Ende Juli in einem offenen Brief an die Staatsregierung, die frühkindlichen Bildungsversorgung sei vielerorts gefährdet. "Erste Betriebsschließungen und Insolvenzen verdeutlichen, dass dringender Handlungsbedarf besteht." Es bestehe ein breiter Konsens bei Trägern und Fachleuten, dass eine Anhebung der gesetzlichen Kita-Finanzierung auf 90 Prozent nötig sei. Die Arbeiterwohlfahrt Bayern beklagte: "Wer die Kosten nicht trägt und die Finanzierungslücke nicht schließt, lässt Kinder, Eltern und Träger im Regen stehen."
Scharf argumentiert, es sei eine Sache der Träger, ihren Betrieb an den Rahmenbedingungen auszurichten. Eine Kita mit 20 Beschäftigten sei im Grunde wie ein mittelständischer Betreib: "Der muss finanziert werden, der muss organisiert werden."
Kita-Platz wird "abhängig vom Geldbeutel der Eltern"
In der Praxis bleiben vielerorts die Kosten an den Familien hängen: Während etwa zwei Drittel der Kommunen die Defizite der Kitas stopfen, müssen andernorts Träger die Summe auf die Eltern umlegen. "In den letzten Jahren mussten wir die Beiträge immer wieder anheben", erläutert beispielsweise die Regionalleitung der Diakoneo-Kindertageseinrichtungen in Nürnberg, Susanne Traumüller-Fischler. Zum neuen Kita-Jahr seien es erneut 20 Euro monatlich mehr pro Kind.
Das Traurige daran sei, dass von Chancengleichheit oder -gerechtigkeit keine Rede mehr sein könne, wenn von den Eltern immer mehr verlangt werden müsse, beklagt Traumüller-Fischler. "So wird der Kindergartenplatz oder auch die Buchungszeit abhängig vom Geldbeutel der Eltern."
Im Video: Start ins neue Kita-Jahr – Ministerin lobt, Träger schlagen Alarm
Der Bedarf an Betreuungsplätzen wächst und damit unter anderem auch der Bedarf an Kindertagesstätten und Pädagogen.
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