"Wenn ich meinen Sohn erkläre, sage ich immer: Er ist aktuell zwölf Jahre alt, kognitiv ist er circa anderthalb bis zwei. Weil in seinem Fall geht die Krankheit mit einer Art Kinderdemenz einher", beschreibt Antje Petersen ihren Sohn Paul. Seit der Diagnose – da war Paul noch keine drei Jahre alt – hat sich das Leben der 41-Jährigen stark verändert.
Nach den ersten Informationen zu MPS habe sie nicht gedacht, dass Paul so alt werde, erzählt Antje Petersen. Aber jeder Verlauf der Krankheit sei anders. Man lerne, mit der Ungewissheit zu leben: "Aber da, wo ich jetzt bin, wäre ich nicht ohne die Gesellschaft für MPS in Aschaffenburg."
Seltene Krankheit - bundesweit rund 1.000 bekannte Fälle
Antje Petersen arbeitet mittlerweile selbst für den Aschaffenburger Verein, macht seit vier Jahren Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit. Bei Paul sei die Diagnose nur gestellt worden, weil der Kinderarzt aufmerksam war und bereits von MPS gehört hatte, sagt sie. Und das ist bereits ungewöhnlich - laut der Gesellschaft für MPS in Aschaffenburg sind bundesweit gerade mal rund 1.000 Fälle bekannt – die Dunkelziffer ist hoch. Dabei ist gerade die Früherkennung so wichtig, weil der Fortschritt der Krankheit in manchen Fällen verlangsamt werden kann, etwa durch eine Stammzellentherapie oder einer Enzymersatz-Therapie.
Das Tückische an Mukopolysaccharidose
Die Stoffwechselerkrankung MPS hat viele Gesichter. Nahezu alle Organe und Funktionen können betroffen sein. Dahinter steckt ein Enzymdefekt. Antje Petersen erklärt das vereinfacht so: "Die Müllabfuhr im Körper funktioniert nicht richtig. Es entstehen immer größer werdende Müllhaufen, da kann man sich vorstellen, dass das Leben zum Erliegen kommt. Dieser Müll führt zu fortschreitenden Problemen, körperlich oder auch teilweise geistig." Aktuell werden sechs verschiedene MPS-Typen unterschieden. Ohne Behandlung sterben viele betroffene Kinder oder Jugendliche, meist durch Herzprobleme, Atemversagen oder schwere Infektionen.
Auch Claudia Hockenjos hat MPS. Bei der 37-Jährigen ist hauptsächlich der Bewegungsapparat betroffen. Sie hat Knorpelabbau in den Gelenken, aber auch ein geringes Lungenvolumen und einen Herzfehler. Mit drei Jahren zeigten sich die ersten Auffälligkeiten, wie sie sagt: "X-Beine, Watschelgang, dann die erste Hüft-OP". Ihre Diagnose bekam sie aber erst mit elf Jahren - eher zufällig, weil ein Arzt in der Frankfurter Uniklinik einen Gentest durchführen ließ. Auch Claudia Hockenjos wurde damals an die Gesellschaft für MPS in Aschaffenburg verwiesen.
Bundesweite Beratung und Hilfe zentral aus Bayern
Die Gesellschaft für MPS in Aschaffenburg (externer Inhalt) hilft Betroffenen und Familien bundesweit – unterstützt mit Informationen zu den neuesten Therapien, Spezialisten oder einfach dabei, die komplizierte Krankheit zu verstehen. Außerdem organisiert der Verein Treffen, auf denen sich Erkrankte und Familien austauschen können. Die Gesellschaft für MPS gibt es seit gut 20 Jahren. Der Verein finanziert sich aus Fördermitteln, teils staatlich, hauptsächlich aber über Spenden.
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