Es hat nur ein paar Minuten gedauert, bis die Ersten die Veranstaltung wütend verließen. "Die Entscheidung, nur drei Vertreter stellvertretend für alle Landwirte zu Wort kommen zu lassen, macht diese Veranstaltung eigentlich sinnlos", schrieb ein Teilnehmer in den Chat der Online-Veranstaltung, zu der das Bistum Eichstätt eingeladen hatte. Denn der Ärger bei den bayerischen Landwirten auf die katholische Kirche war zuletzt groß. An diesem Abend sollte wieder zum Dialog gefunden werden.
Agrar-Studie erzürnt Landwirte
Grund für die Unstimmigkeiten: Eine Studie, die die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hatte und die Mitte September veröffentlicht worden war. Die Forderung der Autoren darin: Ein Umdenken in der Landwirtschaft in Richtung Ökologie und Gemeinwohlorientierung. Das fassten einige bayerische Landwirte als Kritik an ihrer Arbeit auf. Der bayerische Bauernverband sprach daraufhin in einer Pressemitteilung von einem Gefühl fehlender Wertschätzung. Als Reaktion darauf weigerten sich manche Landwirte heuer die Erntedank-Altäre zu schmücken.
Kritik aus Kirche und Politik
Auch Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kritisierte die Studie: "Es hat mich schon sehr irritiert, dass unsere Bäuerinnen und Bauern unter Generalverdacht gestellt werden, sie würden nicht verantwortungsvoll mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Land umgehen.“
Sogar innerhalb der Kirche gab es Kritik. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sprach von "Bauern-Bashing". Eine erste Annäherung gab es Mitte Oktober beim Amtsantritt der neuen Landesbäuerin. Bei einem Treffen mit Kardinal Reinhard Marx betonte dieser: "Kirche und Landwirtschaft gehören zusammen."
Erste Versuche der Annäherung
Bei der Dialogveranstaltung waren neben dem Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke auch Wissenschaftler der Forschungsgruppe der Studie anwesend. Einleitend wählte Bischof Hanke versöhnliche Worte: "Diese Veranstaltung soll auch ein Ausdruck dafür sein, dass die Kirche eine hohe Wertschätzung für die Landwirtschaft hat."
Kritik an Studie hält an
Rund 170 Anmeldungen gab es für den Abend. Zu viele, um eine offene Diskussion zu führen. Stattdessen kamen drei Vertreter der Landwirte zu Wort. Landwirt Johannes Scharl nutze seine Redezeit, um dies zu kritisieren. Außerdem griff er einige der Kritikpunkte der Landwirte auf, die in den letzten Wochen geäußert wurden.
Gerichtet an den Forschungsgruppenleiter der Studie, Johannes Wallacher, sagte er: "Ich will mir nicht von einem Philosophen sagen lassen, dass meine Bodenfruchtbarkeit abnimmt." Dieser entgegnete, man müsse sowohl theoretisches Expertise der Wissenschaft als auch das praktische Wissen der Landwirte nutzen statt gegeneinander auszuspielen.
Auch Selbstkritik der Landwirte
Und doch gab es an diesem Abend auch versöhnliche Worte: "Warum spielen wir beleidigt und nehmen die Opferrolle ein?", richtete Landwirt Josef Schmid an seine Kollegen. "Warum wehren wir uns gegen wissenschaftliche Ergebnisse, wo wir doch als Landwirte immer wissenschaftliche Ergebnisse wollen statt Ideologien anzuhängen?"
Bischof Hanke warb dafür, die Herausforderungen in der Landwirtschaft gemeinsam anzugehen. Auch die Autoren der Studie und die anwesenden Landwirte waren sich darin einig im Dialog zu bleiben. Dafür gab es viele Daumen-nach-oben im Chat.
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