Vorsichtig packt Robert Pfeifer eine Schildkröte an ihrem Panzer und hebt sie aus einem Transportkorb. Das Tier ist so groß wie zwei Handflächen und rudert in der Luft mit den Beinen, die Schwimmhäute zwischen den Zehen haben. Der Leiter des Stadtgartenamts entlässt das Männchen in ein neu errichtetes Gehege im Tierpark Röhrensee, wo es mit schnellen Schwimmstößen das 9.000 Liter fassende Wasserbecken durchtaucht. Ein weiteres Männchen und ein Weibchen folgen.
Nicht nur für die drei Europäischen Sumpfschildkröten beginnt ein neues Kapitel, sondern auch für den Tierpark. Er ist nun eines von vier Gehegen in Bayern, die sich um die Erhaltung der in Deutschland stark bedrohten Art Europäische Sumpfschildkröte bemüht.
Sumpfschildkröte als Symbol für bedrohten Lebensraum der Flussauen
Die drei Schildkröten mit dem spitzen Stummelschwänzchen und den markanten gelben Flecken sollten sich in dem 35 Quadratmeter großen Gehege wohlfühlen, schließlich hat das Stadtgartenamt darauf geachtet, das Freilandterrarium so lebensecht wie möglich zu gestalten. Dazu gehören dicke Äste, auf die die wechselwarmen Tiere klettern können, Steine, eine Sandbucht und Wasserpflanzen: So wie es an natürlich mäandernden Flüssen und Bächen aussah, als diese Schildkröte noch ein häufiger Bewohner in Bayern war.
"Die Europäische Sumpfschildkröte ist für uns ein Symboltier und ein Stellvertreter für den bedrohten Lebensraum der Flussauen", erklärt Robert Pfeifer, der den Tierpark leitet. "Wir wollen durch die Zucht dazu beitragen, dass man sie in Bayern wieder ansiedeln kann."
Kein Nachweis seit 40 Jahren
Mitte der 1980er-Jahre wurde in Bayern das letzte frei lebende Exemplar der Europäischen Sumpfschildkröte im Krebssee bei Murnau nachgewiesen, seitdem gilt sie im Freistaat als ausgestorben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Verlust des Lebensraums, Trockenlegung von Sümpfen, begradigte Flüsse, Pestizide, Prädatoren wie Waschbären und Menschen, die sie jagten und verzehrten, gehörten sicherlich dazu.
In Bayern setzen sich der Wildpark Hundshaupten, der Tierpark Nürnberg und die Reptilienauffangstation München für die Zucht und Auswilderung der Sumpfschildkröte ein. Der Bayreuther Tierpark ist in dieser Expertenreihe der Neuzugang.
Bedrohte Tiere und seltene Pflanzen
Der Tierpark Röhrensee wurde vor mehr als 50 Jahren gegründet und beherbergt etwa 40 Arten, darunter Hirsche, Flamingos, exotische Fasane oder Kängurus. Das neue Freilandterrarium liegt direkt am Spazierweg durch den Park. Eine tiefliegende Glasscheibe ermöglicht den Blick in die Unterwasserwelt der Sumpfschildkröten, die sich hier äußerst elegant bewegen.
Sehenswert sind auch die seltenen Pflanzen, die der Förderverein des Tierparks beigesteuert hat – etwa die deutsche Tamariske oder die Krebsschere. Unterstützung hat der Tierpark auch vom Terrarienclub Bayreuth erhalten, der die drei Schildkröten zur Verfügung gestellt hat, sowie von der Oberfrankenstiftung. Den weitaus größten Anteil der Kosten in Höhe von 45.000 Euro deckt die Stadt mit einer Erbschaft, die ihr für die Belebung des Bayreuther Südens vermacht wurde.
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