Es ist ein Freitagnachmittag, als das Telefon von Rosi Hartmann klingelt. Die 82-Jährige aus Lichtenfels will gerade die Nachrichten im Fernsehen anschalten, als die unterdrückte Nummer auf dem Display des Telefons erscheint.
"Meine Tochter hat immer die Nummer unterdrückt und deswegen bin ich hingegangen", sagt Rosi Hartmann im Gespräch mit BR24. Am anderen Ende des Telefons erzählt ihr die Tochter, dass sie einen Unfall hatte. "Es war hundertprozentig die Stimme von meiner Tochter", ist sich die Seniorin sicher.
82-Jährige misstrauisch: "Woher weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann?"
Als die Stimme am Telefon vor lauter Weinen unverständlich wird, meldet sich eine Frau, die sich als Polizistin ausgibt. Es folgt der bekannte Trick: Rosi Hartmann müsse 45.000 Euro bezahlen, ansonsten komme ihre Tochter ins Gefängnis.
Die Geschichte macht Rosi Hartmann stutzig und sie sagt zu der falschen Polizistin: "Und woher weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann? Da ruf' ich jetzt lieber erst einmal die Polizei an." Daraufhin habe die falsche Polizistin aufgelegt.
Telefonbetrüger rufen den Sohn der Seniorin an
Doch Rosi Hartmann ruft zuerst einen ihrer Söhne an. Der wiederum ruft die Nummer seiner Schwester an und erreicht sie beim Einkaufen. Spätestens jetzt ist für Rosi Hartmann klar: Die Stimme von ihrer Tochter war verfälscht. Zur selben Zeit erhält der andere Sohn von Rosi Hartmann, der auch in Lichtenfels wohnt, ebenfalls einen mysteriösen Anruf. Diesmal ist angeblich seine Nichte am Telefon. Auch wegen einer falschen Aussprache der Stadt Coburg – die Polizistin redet von "Kohrburg" – erkennt Jörg Hartmann, dass es sich bei dem Anruf um einen Betrug handeln muss und er nicht mit seiner Nichte spricht.
Im Nachhinein hat Jörg Hartmann eine Vermutung, wie die Betrüger an die Stimmen kommen konnten: Seine Schwester verwende oft Sprachnachrichten. Und: "Meine Nichte ist gerne auf Social Media unterwegs. Da könnte ich mir vorstellen, dass an deren Stimme auch etwas leichter ranzukommen ist."
Telefonbetrug mit KI: Erster Fall für die Polizei Oberfranken
Die Hartmanns informierten nach dem versuchten Telefonbetrug die echte Polizei. "Das war der erste Enkeltrick-KI-Fall in Oberfranken", bestätigt Christian Raithel von der Pressestelle der Polizei Oberfranken.
Raithel hat Tipps, die dabei helfen können, Betrüger zu enttarnen. "Es wäre eine Möglichkeit, mit den Verwandten oder Angehörigen ein Passwort auszumachen." Derjenige, der anruft, müsse dieses Codewort dann nennen.
Oder man "stellt einfach intimere Fragen, die nur der Angehörige beantworten kann", erklärt Raithel. Der Polizist schlägt auch vor, dass Senioren ihre Kontaktdaten aus dem Telefonbuch streichen lassen, damit diese nicht mehr für jeden sichtbar sind.
Vorsicht bei eigenen Audiodateien im Internet
Die Polizei ruft außerdem dazu auf, mit Daten, die man in den sozialen Medien preisgibt, vorsichtig umzugehen. "Das gilt nicht nur für Fotos und Videos, sondern eben auch für Audiodateien. Es ist denkbar, dass diese vielleicht durch KI betrieben oder durch Täter genutzt werden, um kriminelle Machenschaften zu machen", so Raithel.
Telefonbetrüger machen keine Beute
Im Fall der Hartmanns ist noch einmal alles gut gegangen. Trotz zwei Anrufen von Unbekannten, die mithilfe Künstlicher Intelligenz die Stimme von Verwandten verfälscht haben, gingen die Telefonbetrüger leer aus. Die Hartmanns haben kein Geld übergeben.
Bei Rosi Hartmann sitzt der Schock aber auch Tage nach dem Telefonbetrug noch tief. Die 82-Jährige hat ihre ersten Konsequenzen aus dem Fall gezogen: "Bei einer unterdrückten Nummer geh' ich nicht mehr ans Telefon."
Dieser Artikel ist erstmals am 10. September 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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