Ganz ohne Bürokratie geht es beim Düngen nicht – das sieht auch Landwirt Harald Fischer aus dem oberfränkischen Marktleuthen ein. Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) für Wunsiedel verbringt zwar ungern Zeit im Büro, doch die sogenannte "Düngebedarfsermittlung" sei unerlässlich, findet auch er. Dabei wird in Computerlisten für jedes Feldstück kalkuliert, welche Düngergabe sinnvoll ist. Es wird dokumentiert, wie viel Gülle und Mineraldünger dort ausgebracht wurden. "Das ist sinnvoll, auch in unserem eigenen Interesse. Weil wir wissen wollen, was müssen wir denn für unsere Früchte düngen", sagt Fischer.
Bisher musste das Düngen doppelt dokumentiert werden
Was er aber nicht versteht ist, warum bisher darüber hinaus auch noch eine "Stoffstrombilanz" vorgeschrieben war. Darin musste genau dokumentiert werden, was an Düngemitteln, Futter und Agrarerzeugnissen bei einem Betrieb hinein und hinaus geht. Um auf dieser Grundlage eine Nährstoffbilanz für den Hof erstellen zu können, aus der hervorgeht, ob zu viel Stickstoff auf dem Feld geblieben ist, also überdüngt wurde. "Das bringt eigentlich unterm Strich kein anderes Ergebnis, nur mehr Arbeit, vollkommen sinnlos", sagt Fischer. Er lobt CSU-Agrarminister Alois Rainer dafür, dass er die Stoffstrombilanz abschafft.
Stoffstrombilanz leichter kontrollierbar
Wissenschaftler wie Friedhelm Taube von der Universität Kiel argumentieren dagegen, die Stoffstrombilanz sei letztlich einfacher zu erstellen als die übrige Düngebürokratie und auch transparenter – denn sie basiert auf Belegen, wie Lieferscheinen und Rechnungen, die einfach in die Bilanz eingepflegt und später auch kontrolliert werden könnten.
Wasserversorger fordern Transparenz
So sehen das auch die Trinkwasserversorger. Seit Jahrzehnten kämpfen sie gegen die Verschmutzung von Grundwasser mit gesundheitsschädlichem Nitrat. Wenn Grenzwerte überschritten werden, macht das eine teure Trinkwasseraufbereitung nötig. Ohne die Stoffstrombilanz "fehlt die Transparenz über die Nährstoffüberschüsse", kritisiert Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Allerdings war es bisher so, dass auch die mühsam gesammelten Daten aus der Stoffstrombilanz in der Realität überhaupt nicht ausgewertet oder überprüft wurden. Sie blieben auf dem Hof und sollten lediglich der eigenen Information der Landwirte dienen.
Bisher nur wenig Kontrollen
Die müssen ihren Düngebedarf aber ja ohnehin bereits anderweitig ausrechnen, mit dem zweiten verpflichtenden Verfahren. Das hat für den Landwirt zudem den praktischen Vorteil, dass für jedes einzelne Feld ausgewiesen wird, wie viel gedüngt werden soll. Bisher wird aber auch diese Düngebedarfsermittlung nicht weitergemeldet und selten kontrolliert. In den Landwirtschaftsämtern kann man sich daher nicht sicher sein, ob die Werte in diesen Datensätzen wirklich immer korrekt angegeben sind.
Deutschland hält beim Nitrat EU-Vorgaben nicht ein
Das ist der Europäischen Union ein Dorn im Auge. Sie verlangt ein sogenanntes Monitoring – mit dem nachvollziehbar überprüft werden kann, ob die Maßnahmen zum Schutz der Böden vor Nitrat auch wirklich etwas bringen. Ansonsten drohen der Bundesrepublik hohe Strafen – zumal Deutschland nach Ansicht der EU-Kommission seit 30 Jahren die europäischen Richtlinien zum Schutz des Grundwassers nicht ausreichend umsetzt. Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling hat die EU-Kommission ausdrücklich aufgefordert, wegen des Wegfalls der Stoffstrombilanz ein neues Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Eine Reaktion aus Brüssel gibt es bisher nicht.
Bundeslandwirtschaftsminister will EU Lösung unterbreiten
CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Rainer verspricht unterdessen, die EU auch ohne Stoffstrombilanz zufriedenzustellen: "Wir werden jetzt ein Monitoring zeitnah präsentieren und damit auch den Anforderungen der EU-Kommission Genüge tun. Wir wollen in kein Vertragsverletzungsverfahren laufen."
Bürokratie, nur einmal – aber besser kontrolliert?
Eine Lösung könnte sein, dass die weiter verpflichtenden Düngebedarfsberechnungen der Bauern konsequenter ausgewertet werden – und dazu online von Landwirtschaftsämtern gesammelt. Ein Verfahren, das Landwirt Harald Fischer im Fichtelgebirge durchaus recht wäre: "Wir melden so viel in irgendwelche Online-Geschichten hinein, da kommt es da auch nicht mehr drauf an." Nur: Das Düngen einmal zu dokumentieren sollte doch reichen, findet er.
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