Es ist noch dunkel, als sich Familie Zweng mit ihren Helfern und den 30 Milchkühen auf den Weg Richtung Berge macht. 20 Kilometer haben sie vor sich – zu Fuß. Sie sind eine der wenigen Familien, die den Weg auf die Alpe – der Allgäuer Begriff für Alm – noch ganz traditionell zurücklegen. "Weil es den Tieren damit besser geht, als sie in den Anhänger zu verladen", meint Jungbauer Christoph Zweng. "Außerdem sind alle Rinder fit, denen macht das gar nichts aus", sagt Mutter Eva Zweng.
Tiere auf Sommerfrische in den Bergen
Rund 32.000 Rinder – Jungvieh und Milchkühe – werden den Sommer in den Allgäuer Bergen verbringen. Der sogenannte "Bestoß", also die Anzahl der Tiere, sei seit Jahren stabil, erklärt Christian Brutscher, Vorsitzender des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu (AVA). Dazu kommen Pferde, Schafe, Ziegen und Schweine. Bis etwa Mitte September bleiben die Älpler mit ihren Tieren in den Bergen. Hirten zu finden, sei kein Problem, so Brutscher. Es gebe viele Menschen, die sich um die Tiere kümmern wollten.
Kühe tragen zum Alpauftrieb große Schellen
Die Zwengs sind extra um 5.30 Uhr morgens losgelaufen, damit noch nicht so viel los ist. Trotzdem warten am Wegrand schon ein paar wenige Schaulustige. Sie freuen sich über die Kuhherde, die in einem flotten Tempo durch die Dörfer Richtung Sennalpe Hochried zieht. Die Rinder sind von Weitem zu hören, denn für den Alpauftrieb wurden ihnen die großen Schellen angelegt. "Dann laufen sie besser, dann wissen sie, jetzt geht es auf die Alpe", sagt Christoph Zweng.
Herausforderung: entgegenkommende Autos
Wo es geht, laufen sie auf dem Radweg neben der Straße. Sonst halten die Treiber die Tiere geschickt zusammen. Ein Feuerwehrauto sichert den Zug vorne ab, ein Traktor fährt hinterher. Autos sind Christoph Zwengs größte Sorge: Wenn eine Kuh einem Auto zu nahekommt, ist schnell ein Kratzer drin, denn die Rinder tragen stattliche Hörner. Vor allem am Ende der Strecke in Immenstadt, wenn mehr los ist, könnte das zur Herausforderung werden.
Zu wenig Regen könnte problematisch werden
Christian Brutscher vom Alpwirtschaftlichen Verein hofft auf einen guten Bergsommer – mit gesunden Tieren und ausreichend Regen, andernfalls könnte es "problematisch" werden. "Sollte es so weitergehen, könnte die Wasserversorgung eng werden", sagt er. Er hofft deshalb, dass viele Alpen in den vergangenen Jahren in die Modernisierung ihrer Wasserversorgung investiert haben. Aufgrund des niederschlagsarmen Winters liegt in den Bergen verhältnismäßig wenig Schnee. In der Folge fehlt das Schmelzwasser, um Wasserreserven aufzufüllen.
Außerdem beschäftigt den Älpler das Thema Wolf. "Das ist immer im Kopf: Kommt er oder kommt er nicht?", so Brutscher. In den vergangenen Monaten habe es zwar einzelne Sichtungen gegeben, aber keine Risse von Nutztieren.
Käse von der Sennalpe als zweites Standbein
Nach gut drei Stunden Fußmarsch ist Familie Zweng mit ihren Kühen fast am Ziel. Durch Immenstadt hindurch haben sie es geschafft, ohne dass auch nur ein Auto einen Kratzer abbekommen hat. "Das ist wirklich gut gegangen, auch sehr schnell sind sie heute unterwegs", meint Eva Zweng. Jetzt müssen sie noch eine halbe Stunde bergauf – zu ihrer Alpe am Mittagsberg. Zweimal im Jahr ziehe die Familie um, erklärt die Landwirtin. Im Frühjahr geht es für sie auf die Alpe und im Herbst wieder zurück auf den Hof. Das hat einen Grund: Als Landwirte im Vollerwerb seien 30 Milchkühe an sich zu wenig, um über die Runden zu kommen, die Sennalpe sei ihr zweites Standbein. "Dort produzieren wir Käse, den wir dann direkt wieder verkaufen. Ohne diese Direktvermarktung ginge es nicht", sagt Eva Zweng.
703 Alpen gibt's im Allgäu
Laut Geschäftsbericht des Alpwirtschaftlichen Vereins 2024 gibt es im Allgäu - neben der Sennalpe Hochried - 41 weitere Alpen, die "auf handwerklich-traditionelle Weise würzigen Bergkäse" produzieren. Insgesamt werden vom AVA 703 anerkannte Alpen geführt. Viele Älpler bewirten auch Gäste auf ihren kleinen Berghütten – vorwiegend bieten sie Getränke, Brotzeit, Kaffee und Kuchen an.
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